Von: mk
Bozen – Der Südtiroler Landtag hat sich heute noch mit zwei Anträgen der Grünen befasst.
Beschlussantrag Nr. 364/20: EU-Recovery-Fund: Das Südtiroler Teilprojekt soll dem Landtag zur Überprüfung und Ratifikation vorgelegt werden (eingebracht von den Abg. Staffler, Foppa und Dello Sbarba am 17.12.2020); der Landtag möge die Landesregierung beauftragen, 1. eine Aufklärung über die bevorstehenden Projekt- und Verfahrensschritte zum EU-Recovery Fund aus inhaltlicher und zeitlicher Sicht dem III. Gesetzgebungsausschuss oder dem Landtagsplenum zu übermitteln; 2. das zurzeit bestehende Südtiroler Teilprojekt zum EU-Recovery-Fund dem III. Gesetzgebungsausschuss oder dem Landtagsplenum mitzuteilen und zu erklären; 3. zukünftige Änderungen oder neue Entwicklungen bezüglich EU-Recovery Fund rechtzeitig dem III. Gesetzgebungsausschuss oder dem Landtagsplenum mitzuteilen und zu erklären.
Hanspeter Staffler (Grüne) wies darauf hin, dass der Entwurf zur Nutzung des Recovery Fund in Rom die erste Hürde geschafft habe. Auch Südtirol werde auf den Fonds zugreifen, aber dem Landtag sei im Zuge der Haushaltsdebatte nicht mitgeteilt worden, wie diese Mittel eingesetzt würden. Da es sich zum Teil um Kredite handle, werde auch der Haushalt über Jahre belastet. Es wäre interessant zu wissen, in welche Richtung die Projekte in den Bereichen Digitalisierung, Mobilität oder Green Economy gingen. Ebenso wäre es interessant, näheres über die Verfahrensschritte zu wissen.
Auch die SVP-Parlamentarier in Rom und Kollege Köllensperger im Landtag hätten sich über mangelnde Einbindung beschwert, fügte Peter Faistnauer (Team K) hinzu. Der Landtag müsste in die Lage versetzt werden, Prioritäten abzuwägen. Es sei eine politische Entscheidung. Riccardo Dello Sbarba (Grüne) bemängelte ebenfalls die mangelnde Einbindung des Landtags und fragte, ob in der Landesregierung eine Liste von Projekten beschlossen wurde. Vielleicht sei kein Beschluss nötig, weil es um die Ausweitung bestehender Projekte gehe. Das könne ihm gutgehen, wenn es um ökologische Projekte gehe, aber nicht unbedingt bei Bauvorhaben zum Beispiel. Daher müsse der Landtag eingebunden werden.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) bemerkte, dass es hier um eine zentrale Aufgabe des Landtags gehe, auch angesichts der enormen Summen. LH Arno Kompatscher wollte mit einigen Missverständnissen aufräumen. Es gebe keinen Beschluss der Landesregierung, es könnte auch keinen geben. Die Regierung habe gestern den nationalen Plan genehmigt, dessen Details noch nicht bekannt seien. Die Mittel, die die EU zur Verfügung stelle, seinen für einen Neuanfang gedacht. Zum Großteil handle es sich bei den Mitteln für die Regionen um Kapitalbeiträge, nicht um geliehenes Geld. Laut Regierungsbeschluss müssten zunächst die Ministerien die Kriterien festlegen, im Rahmen der EU-Vorgaben. Die Regierung habe Regionen und Gemeinden zu Vorschlägen eingeladen, die bei der Regionenkonferenz vorgelegt würden. Eine Kommission werde auswählen, welche Projekte in den nationalen Plan aufgenommen würden, der dann der EU vorgelegt werde. Die Landesregierung sei durchaus bereit, über die bereits angereiften Projekte zu informieren; es gehe unter anderem um den Schienenverkehr, ein Netz von Wasserstofftankstellen, Krankenhausinfrastrukturen, Digitalisierung der Schule, Breitband u.a. Es seien Projekte, die innerhalb 2026 durchgeführt werden müssten. Das Problem sei, dass man noch nicht wisse, welchen Anteil am Gesamtkuchen der Staat und welchen die Regionen bekämen. Die Landesregierung sei jedenfalls bereit, detailliert über die 47 Projekte zu informieren, auch über die Sondersituation Südtirols bei den Mitteln für Sanität und Breitband. Derzeit sei alles aber noch informell. Man müsse es vermeiden, falsche Erwartungen zu nähren; man wisse noch nicht, wie viel Südtirol zugeteilt werde. Kompatscher hielt die Gesetzgebungsausschüsse für die falsche Adresse, man werde die Informationen aber gerne dem ganzen Landtag zukommen lassen.
Hanspeter Staffler sah es als positive Nachricht, dass es sich vor allem um Kapitalbeiträge handle. Er sei auch damit einverstanden, die Gesetzgebungsausschüsse aus dem Antrag zu streichen. Er werde den Antrag in Absprache mit SVP-Sprecher Lanz ändern und bitte um Vertagung bis morgen.
Beschlussantrag Nr. 365/20: Sichere Plätze für Geflüchtete (eingebracht von den Abg. Foppa, Dello Sbarba und Staffler am 17.12.2020); der Landtag möge die Landesregierung beauftragen, 1) sich als Land Südtirol der genannten Initiative der „sicheren Plätze” anzuschließen; 2) „sichere Plätze” in Südtirol ausfindig zu machen; 3) einer festzulegenden Zahl von Geflüchteten in einer entsprechenden Hilfsaktion Aufnahme in Südtirol anzubieten.
Brigitte Foppa (Grüne) wies auf die unhaltbaren Zustände in den griechischen Flüchtlingslagern hin. Die Camps seien um ein Vielfaches ihrer Kapazität überfüllt, nach dem Brand in Moria seien noch die starken Regenfälle dazugekommen. Die Initiative „Landkarte der sicheren Plätze“ habe das Ziel, Menschen aus den griechischen Lagern zu retten, ihr hätten sich unzählige Organisationen, Initiativen, Religionsgemeinschaften, Gemeinden, Städte und Privatpersonen aus ganz Österreich angeschlossen. “Es gibt in allen Bundesländern Quartiere für geflüchtete Menschen, die entweder ganz leer stehen oder freie Plätze, die bereitgestellt werden können. Darunter gibt es auch eine große Zahl an speziellen Plätzen für Kinder, Jugendliche oder ganze Familien, die den gesetzlichen Bestimmungen (z. B. für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen) entsprechen und wo eine entsprechende Infrastruktur (Kindergarten, Schulen etc.) vorhanden ist.” Auch Südtirol sollte sich der Initiative anschließen, auch wenn es rechtlich schwierig sei.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) meinte, es handle sich mehr um eine ideologische als um eine humanitäre Frage. Es gebe keinen Beleg, dass die Gemeinten Anrecht auf den Flüchtlingsstatus hätten. So habe ein Flüchtling jüngst Heimaturlaub genommen, um seine Familie im Herkunftsland zu besuchen, was seinen Fluchtgrund in Frage stelle. Das Flüchtlingscamp in Moria sei angezündet worden, um eine Weiterreise zu rechtfertigen. Man dürfe nicht akzeptieren, dass sich Flüchtlinge das Zielland a la carte aussuchten. Sie habe das Projekt auf seiner Webseite angesehen und es als sehr valide empfunden, berichtete Magdalena Amhof (SVP). Es richte sich aber an die österreichische Regierung, um sichere Plätze für Flüchtlinge zu finden. Es sei fraglich, ob Südtirol da mitmachen und sichere Plätze in Österreich fordern könne. Ansonsten sei die Initiative unterstützenswert.
Menschen in Not müsse geholfen werden, meinte Alex Ploner (Team K), und in den griechischen Flüchtlingscamps habe man effektiv einen Notstand. Er lobte die private Initiative, die sowohl die konkrete Hilfe einzelner einbinde als auch die Hilfe durch den Staat. Man könne im konkreten Fall privat etwas tun, aber auch die Landesregierung könne mithelfen.
Riccardo Dello Sbarba (Grüne) wies auf die ähnliche italienische Initiative “Corridoi umani” hin, die von Freiwilligenorganisationen und auch von der Regierung unterschrieben wurde. Bis 2018 seien auf diesem Weg 1.400 Personen legal nach Italien gekommen. Auch die Provinz Trient habe mitgemacht.
Ulli Mair (Freiheitliche) hielt die Bilder aus Griechenland für bewegend und mahnte, diese Menschen nicht zu vergessen, teilte aber die Bedenken Knolls. Man müsse auch sehen, dass man bereits viele Menschen aufgenommen habe, die nun auf der Straße lebten. Man habe es bis heute nicht geschafft, sie zu integrieren, zum Teil, weil sie das auch nicht wollten. Man schaffe es nicht einmal, Menschen, die bereits hier seien, Unterkunft und Arbeit zu geben. Die Einwanderung sei nicht nur eine Bereicherung, sie bringe auch Probleme mit sich, nicht zuletzt die Angriffe auf Kontrolleure in den öffentlichen Verkehrsmitteln.
Seit Jahren rede man davon, dass es keine unkontrollierte Einwanderung geben dürfe und dass man zwischen Flüchtlingen und Wirtschaftsmigranten unterscheiden müsse, bemerkte Andreas Leiter Reber (Freiheitliche). In Südtirol gebe es auch wegen der Einwanderung viele “unsichere Plätze”.
Das Lager von Moria sei für 2.800 Menschen errichtet worden, aufgenommen worden seien zehnmal so viel, erklärte LR Waltraud Deeg. 700 Mio. würden weltweit an Hunger leiden, laut Schätzungen würden heuer 80 Millionen dazukommen. Das Trentiner Projekt sei von 2016, heute gebe es ganz andere Zahlen. Südtirol habe viele unbegleitete Minderjährige aufgenommen. Es gehe bei diesem Thema um eine nachhaltige Aufnahme, man müsse den Menschen auch Perspektiven bieten können, und das könne man nur in begrenztem Rahmen. Nach dem Brand von Moria habe die EU neue Mittel für die südlichen Mitgliedsländer bereitgestellt. Südtirol habe in diesem Fall keine rechtliche Möglichkeit, da der Asylantrag dort zu stellen sei, wo die Menschen zuerst ankämen. Das Anliegen des Antrags wäre besser in einem Begehrensantrag an Parlament und Regierung untergebracht – dann könne man zustimmen.
Brigitte Foppa ging auf dieses Angebot ein. Erstaunt sei sie über die Stellungnahme Knolls, der sich über den arabischen Namen des Tiefs über Moria mokiert habe. Ebenso fehl am Platz sei der Hinweis auf den Heimaturlaub. Viele kämen aus Kriegsgebieten oder Ländern, in denen die Menschenrechte nicht gewährt würden. Und zur Sicherheitsfrage sei zu sagen, dass der unsicherste Ort immer noch das eigene Schlafzimmer sei. Die Landesrätin fordere einen rechtlich haltbaren Antrag, aber in manchen Fällen müsse man über das Recht hinaus, um Humanität durchzusetzen. Der Antrag wurde in zwei Teilabstimmungen mehrheitlich abgelehnt.
Die Arbeiten werden morgen wieder aufgenommen.