Von: mk
Bozen – Der Landtag hat sich heute mit einer möglichen Regelung der Pestizide in Südtirol befasst.
Konkret ging es um den Landesgesetzentwurf Nr. 11/19: Änderung des Landesgesetzes vom 15. April 2016, Nr. 8, „Bestimmungen auf dem Gebiet des Pflanzenschutzes“ – vorgelegt von den Grünen. Mit dem Gesetzentwurf soll der Einsatz der Pestizide strenger geregelt und der ökologische Landbau forciert werden.
“In Südtirol und europaweit gerät der Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide in der intensiven Landwirtschaft zunehmend in Kritik, weil die Pestizidgaben nicht nur die landwirtschaftlichen Zielgrundstücke betreffen, sondern die Abdrift der Pestizide auf landwirtschaftliche Bioflächen, auf sensible Zonen wie Spielplätze oder Parkanlagen, auf Kleingewässer, auf naturnahe Lebensräume wie Trockenrasen, Feuchtwiesen oder Waldränder niedergeht”, erklärten die Grünen im Begleitbericht. Die Südtiroler Landwirtschaft sei kleinstrukturiert, aber funktional werde nach den Vorgaben der Handvoll von Genossenschaften gearbeitet, welche entscheiden würden, was wann gespritzt wird. Die EU-Richtlinie wolle keine Vermengung von Landwirtschaftsgebieten mit Pestizideinsatz und Siedlungsgebieten. In anderen Gegenden lägen Dorf und Feld weit auseinander. Mit dem New Green Deal wolle die EU bis 2030 aus der Pestizidlandwirtschaft aussteigen. Um das zu erreichen sei auch eine Landwirtschaftsschule nötig, die sich ausschließlich dem Ökolandbau widme. Die Landesregierung müsse einen Plan für den graduellen Ausstieg erstellen. Für solche Investitionen gebe es auch Gelder aus dem Recovery Fund.
Peter Faistnauer (Team K) sah in dem Gesetzentwurf einige positive Punkte, einige seien vielleicht zu anspruchsvoll. Eine Ausbildung in ökologischer Landwirtschaft gebe es bereits in Brixen, sie sollte aber auf alle Schulen ausgedehnt werden. Art. 3 sehe einen Verzicht auf Pestizide vor, aber das EU-Ziel liege bei 25 Prozent. Das sei bereits ein hehres Ziel, Südtirol liege derzeit bei zehn Prozent. Die Übertragung von Zuständigkeiten an die Gemeinden könnte zu Verwirrung führen. Insgesamt werde man für den Entwurf stimmen.
Riccardo Dello Sbarba (Grüne) forderte LR Schuler auf, wenigstens den Übergang zur Artikeldebatte zuzulassen. Die beiden Fronten seien in dieser Frage verhärtet, und dieser Entwurf wäre ein Ausweg in den Dialog. Die Frage lasse sich nicht vor Gericht klären, das müsse die Politik lösen. Der Entwurf setze auf Vorsicht und Subsidiarität.
Josef Unterholzner (Enzian) berichtete von einer Tagung zum Thema, bei der der Referent gesagt habe, Bioanbau würde nur dank des konventionellen Anbaus rundherum funktionieren. Im Bioanbau seien Kupfer und Schwefel zugelassen, hochgiftige Schwermetalle. Der konventionelle Anbau verzichte immer mehr auf giftige Mittel.
LR Arnold Schuler betonte, dass es vor allem um die Lebensmittelversorgung gehe, auch das falle in das Kriterium der Nachhaltigkeit. Um die Versorgung zu garantieren, sei auch in Zukunft Intensivkultur nötig. Aber man bewege sich immer mehr in Richtung Umweltverträglichkeit. Der Umstieg sei aber nur gemeinsam mit der Gesellschaft zu bewältigen. Die Initiativen gingen ja zum Großteil von der Landwirtschaft aus. Ein Landesgesetz müsse sich auf rechtliche Grundlagen stützen, und ein Verbot könne man in diesem Bereich nicht aussprechen, weil die Sache von der EU geregelt werde. Der ökologische Landbau sei in der Schule ein Querschnittsthema, nicht ein Fach. Die Weiterentwicklung der Landwirtschaft müsse vor allem von der Landwirtschaft mitgetragen werden, und da gehe der Entwurf den falschen Weg.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) sah das Thema aufgeladen und hochgeschaukelt. Im Südtiroler Obstbaugebiet gebe es sei langem konventionellen und ökologischen Landbau, die stünden nicht gegeneinander. Man müsse auch sagen, dass von den ökologischen Pflanzenschutzmitteln größere Mengen ausgebracht würden, während die synthetischen Mittel gezielter und damit weniger eingesetzt würden. Um weiterzukommen, brauche es ein Miteinander. Leiter Reber sprach sich auch gegen eine Verlagerung der Zuständigkeiten auf die Gemeinden aus. Wenn es in Meran eine grüne Regierung gebe, müssten dann alle Bauern in der Gegend umstellen? Diesem Entwurf könne man nicht zustimmen.
Hanspeter Staffler (Grüne, Erstunterzeichner) wies darauf hin, dass der Entwurf Anfang 2019 eingereicht wurde; seither habe sich vieles getan. Das Ziel sei der Aufbau einer umweltverträglichen Landwirtschaft. Südtirol sei mit seiner Verzahnung zwischen Wohn- und Landwirtschaftsgebieten in einer besonderen Situation, die oft zu Konflikten führe. Zu den Lösungen gehöre die Ökologisierung der Landwirtschaft, der Abbau von Pestizideinsätzen und eine Ausbildung in ökologischer Landwirtschaft wie in Österreich oder in der Schweiz. Es gebe Lehrpersonen, die das anböten, aber es fehle das Gesamtkonzept. In diesem Gesetz gehe es um die Gesundheit aller in diesem Land. Die EU habe 2009 bereits festgestellt, dass chemisch-synthetische Mittel in sensiblen Gebieten nichts zu suchen hätten. Es gehe auch um die Gesundheit der Umwelt. Die chemisch-synthetischen Pestizide seien die Hauptursache beim Rückgang der Biodiversität. Eine Reihe von deutschen und österreichischen Bundesländern hätten diesen Weg bereits eingeschlagen. Südtirol wäre da in guter Gesellschaft. Es gehe auch um die Zukunft der Landwirtschaft. Viele Experten seien sich einig, dass die Südtiroler Obstwirtschaft nicht mehr viele Jahre in dieser Form überleben werde. Die ökologische Landwirtschaft wäre die Rettung der kleinen Betriebe. Der Rat der Gemeinden habe in seinem Gutachten gesagt, er könne einige Ziele dieses Gesetzentwurfs mittragen. Bei einem Gesellschaftsvertrag, von dem LR Schuler spreche, brauche es mindestens zwei Partner. An der heutigen Debatte hätten sich außer den Grünen nur Landwirte beteiligt. Mit diesem Entwurf würden die Grünen der Landwirtschaft die Hand reichen, ein erster Schritt für einen Gesellschaftsvertrag und einen guten Dialog. Der Landtag lehnte den Übergang zur Artikeldebatte mit 13 Ja, 17 Nein bei drei Enthaltungen ab.
Anschließend wurde mit der Behandlung von Vorschlägen aus der Mehrheit fortgefahren.