Von: mk
Bozen – Der Landtag hat heute mit der Generaldebatte zu den drei Gesetzentwürfen zum Landeshaushalt begonnen: Landesgesetzentwurf Nr. 65/20: Landesstabilitätsgesetz für das Jahr 2021; Landesgesetzentwurf Nr. 66/20: Haushaltsvoranschlag der Autonomen Provinz Bozen 2021-2023; Landesgesetzentwurf Nr. 67/20: Bestimmungen in Zusammenhang mit dem Landesstabilitätsgesetz für das Jahr 2021 (alle drei vorgelegt von der Landesregierung auf Vorschlag von Landeshauptmann Arno Kompatscher).
Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) sprach von einer schrecklichen, außergewöhnlichen Krise, die außergewöhnliche Maßnahmen erfordere. Diese Krise habe zu einer sozialen Schieflage geführt. Die Reichen würden reicher, die Armen ärmer, wie bei jeder Krise. Das Rezept der Rechten, dass der Reichtum der Reichen alle reicher mache, greife nicht mehr. Die Linke müsse sich nun zum Garanten eines neuerlichen Ausgleichs machen, aber sie zögere noch. Auch der Haushalt sollte ausgleichen, etwa zwischen Peripherie und Zentrum.
Die Pandemie habe Südtirol besonders getroffen; im Mai seien die Infektionszahlen noch im italienischen Durchschnitt gewesen, jetzt haben man ungefähr das Doppelte. LR Widmann sollte erklären können, warum die zweite Welle in Südtirol so viel stärker ausgefallen sei, ob man nicht genug vorbereitet gewesen sei, ob man die Lage nicht genügend überwacht habe.
In der Haushaltsrede werde die Notwendigkeit genannt, die neue Generation auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten, aber es fehle der Qualitätssprung zur Anerkennung der Schule. Die Schule müsse sich öffnen, auch zur Fortbildung der Erwachsenen, mit Blick auf die Arbeitswelt. Dazu brauche es eine spezifische Ausbildung und entsprechende Investitionen. Kompatscher habe auch von Chancengleichheit gesprochen. In dieser Krise sei eine Hauptlast auf den Frauen gelegen, und man könne danach nicht mehr so weitermachen wie zuvor. Dienste wie etwa die Kinderbetreuung seien für die Frauen wichtiger als Geld.
In diesem Haushalt fehlten die Direkthilfen für die kleinen Betriebe, die sog. “ristori”. Als Maß sollte das Einkommen, nicht der Umsatz gelten. Repetto kritisierte, dass nicht auch die Landesräte erklärt hätten, was sie in ihrem Bereich mit dem Haushalt vorhätten. Kompatscher rede allgemein von 47 Projekten, ohne sie zu erläutern.
Wenn man von Zusammenhalt rede, müsse man auch den Unterschied zwischen Zentrum und Peripherie berücksichtigen. Vielen seien die Probleme der Landeshauptstadt nicht bewusst. Die Wohndichte bringe auch soziales Unbehagen mit sich. Es gebe Altenheime mit 180 Bewohnern, es gebe Obdachlose, es gebe unerschwingliche Wohnungen. Es sei ein Skandal, das es für Bozen noch keine Umfahrung gebe, man warte seit 20 Jahren auf das Geld von der Brennerautobahn. Nachholbedarf gebe es auch beim Schulbau. Die deutschen Schulen seien überlastet durch die Nachfrage aus italienischen und Einwandererfamilien. Hier brauche es innovative Lösungen. Diese Probleme lösen wäre auch Zusammenhalt, aber an die Probleme Bozens gehe man immer mit der Feinwaage heran.
Es sei ein ganz besonderes Jahr gewesen, meinte Waltraud Deeg (SVP), es werde weltweit in Erinnerung bleiben. Sie habe selten eine so konstruktive Diskussion wie zu diesem Haushalt gehört. Heuer habe man viel lernen und schwierige Entscheidungen treffen müssen. Und nun diskutiere man, wie Weihnachten zu gestalten sei. Es gebe unterschiedliche Positionen, wie etwa in Deutschland auch. In Krisenzeiten wären klare Vorgaben gut, aber das sei nicht immer der Fall gewesen, weil sich die Situation schnell gewandelt habe und auch, weil sich die Wissenschaft nicht immer einig sei, auch wenn ihre Meinung wesentlich bleibe. In diesem Jahr habe es auch eine Krisensitzung nach der anderen gegeben, auch im sozialen Bereich. Dabei habe sie die Einsamkeit der Menschen in den sozialen Einrichtungen gesehen, und das habe sie betroffen gemacht. Diese Einsamkeit führe zu Ängsten, und es sei die Aufgabe der Politik, den Menschen Vertrauen und Zuversicht zu geben. Einige wenige hätten die Zuversicht verloren, und diese müsse man auffangen. Viele seien auch verstorben, und das könne man nicht außer Acht lassen. In diesem Jahr habe Südtirol aber auch seine Stärken gezeigt, seinen Zusammenhalt, seinen Mut und seine Disziplin. Die Beteiligung am Test sei überwältigend gewesen. Man müsse ihnen und allen, die im Einsatz seien, danken.
Es sei auch ein Jahr der Frauen gewesen, nicht nur im positiven Sinne. Gerade Frauen seien in den systemrelevanten Berufen tätig. Auch diese hätten ihre Ängste überwinden müssen, um an ihrem Platz zu sein, und sie seien nicht unter den Bestverdienern. Auch Kinder und Jugendliche, Familien mit Senioren oder Behinderten seien in dieser Krise besonders belastet gewesen, meinte Deeg. Sie gehe davon aus, dass die Mittel in diesem Bereich aufgestockt werden müssten. Es gebe durchaus einen Unterschied zwischen urbanem und ländlichem Raum, wie Repetto gesagt habe. Aber es gebe auch die Frage, warum Bozen die 700 Pflegeheimbetten nicht errichtet habe, während andere Gemeinden ihre Aufgaben erledigt hätten. Im Sozialbereich seien die Mittel noch nicht zur Gänze aufgefüllt, aber sie vertraue darauf, dass dies noch passiere. Der soziale Zusammenhalt sei die Basis für die gesamte Gesellschaft. Man werde die Weltentwicklung nicht ändern oder aufhalten können, aber man könne als Land Akzente setzen. Man werde aber auch über Nachhaltigkeit in der Wirtschaft reden müssen. Zum Anteil der laufenden Kosten am Haushalt meinte Deeg, dass Personalkosten eben Fixkosten seien und dass auch die Opposition mehr Geld für die Tarifverhandlungen fordere. Zu den Fixkosten gehören auch Soziales und Sanität oder Bildung. Man sollte hier nicht leichtfertig von Streichungen reden. Schockiert habe sie das oft gehörte Argument, dass China effizienter mit der Pandemie umgehe; da fehle die demokratische Grundhaltung. Deeg dankte schließlich allen, die mitgeholfen hätten, diese Krise anzugehen, auch die vielen Freiwilligen.
Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) fand vieles in der Haushaltsrede Kompatschers unterstützenswert: Klimaschutz, Digitalisierung, Bildung, Soziales. Es könnte das Programm der 5 Sterne Bewegung sein. Der Südtiroler Sonderweg im Mai habe sich nicht als glücklich erwiesen, man habe sich auf Druck der Lobbys und extremistischer Kräfte gegen Rom gestellt und weniger auf die Infektionszahlen geschaut. Eine Autonomie in diesem Bereich könne sinnvoll sein, wenn man die Zahlen im Auge behalte. Südtirols Sanität habe Strukturschwächen gezeigt, obwohl man hier mehr Geld dafür ausgebe als anderswo. Es gebe Probleme mit der Zweisprachigkeit, Probleme, Personal zu finden. In dieser Krise hätte man von bestimmten Auflagen abrücken können.
Allen Krisen gemeinsam sei, dass immer die Letzten draufzahlen. An diese müsse man zuerst denken. Eine reiche Provinz müsste eigentlich besser als andere aus dieser Krise aussteigen. Bei den Hilfsmaßnahmen sollte man nicht auf Rom warten. So wäre auch der Superökobonus von 110 Prozent zu unterstützen, den man nun verlängern wolle. Auch bei der Digitalisierung wolle das Land voranschreiten, aber man bemerkte einen starken Widerstand in der Landesregierung, und die Bürokratie bei entsprechenden Beiträgen sei belastend. Die Datenbanken sollten miteinander vernetzt sein. Die Open-Source-Initiative FUSS wäre in die richtige Richtung gegangen, werde aber fallengelassen.
Südtirol als kleines Europa sei ein schönes Konzept von Kompatscher. Im Untersuchungsausschuss habe man aber Einblicke in das System Südtirol gewonnen, Einblicke in ein Land, das sich gegen europäische Reformen stemme. Es falle uns schwer, die Prinzipien von Konkurrenz und Transparenz zu akzeptieren. Hier brauche es einen Wechsel der Mentalität. Das Smart Working sei ein Fortschritt, den man beibehalten wolle, es erübrige viel Verkehr. Auch seine Bewegung greife deshalb viel auf diese technischen Mittel zurück. Schließlich sei auch an die Jugend zu denken, denen die Krise einen Teil ihres Lebens verweigere.
Die Generaldebatte wird morgen wieder aufgenommen.