Von: mk
Bozen – Der Landtag hat sich heute auch mit dem Beschlussantrag Nr. 91/19 „Nein zur Erhöhung der Mehrwertsteuer in Südtirol (eingebracht von der Süd-Tiroler Freiheit am 23.04.2019) befasst.
Der Landtag wolle beschließen: 1. Der Landtag spricht sich gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer aus und fordert die Landesregierung auf, sich bei der italienischen Regierung dafür zu verwenden, dass es zu keiner Erhöhung der Mehrwertsteuer kommt. 2. Der Landtag beauftragt die Landesregierung ― für den Fall, dass die italienische Regierung die Mehrwertsteuer dennoch erhöht ― eine Sonderregelung im Mehrwertsteuer-Grundgesetz zu erwirken, damit auf dem Gebiet der autonomen Provinz Bozen ein gesonderter Mehrwertsteuersatz angewendet wird, der nicht über jenem der umliegenden Regionen liegt.
“Die italienische Regierung erwägt derzeit erneut eine Erhöhung der Mehrwertsteuer”, erklärte die Süd-Tiroler Freiheit. “Laut Berechnung von Experten würde die Erhöhung der Mehrwertsteuer die Familien im Schnitt mit 538 Euro belasten, für die Provinzen Bozen und Trient wurde sogar eine noch höhere Belastung von 654 Euro errechnet. Angesichts des immensen Schuldenbergs des italienischen Staates würde die Erhöhung der Mehrwertsteuer zu keinem signifikanten Abbau der Staatsschulden beitragen, dafür aber die Kaufkraft der Menschen enorm belasten und den Unternehmen und somit der gesamten Wirtschaft nachhaltig schaden. Für ein Grenzgebiet wie Südtirol hätte eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zusätzlich gravierende Auswirkungen, da in Österreich die Mehrwertsteuer nur bei 20 Prozent liegt und in Deutschland gar nur bei 19 Prozent. Ein schmerzlicher Kaufkraftverlust der Bevölkerung, ein Wettbewerbsnachteil für Südtiroler Unternehmen, ein Standortnachteil für den Tourismus und nicht zuletzt eine Abwanderung des Konsumkaufs in die umliegenden Regionen mit niedrigerer Mehrwertsteuer wären die direkten Folgen. Sollte die italienische Regierung dennoch an diesem Vorhaben festhalten, bedarf es für Südtirol ― dessen Wirtschaft eng mit Österreich und Deutschland verflochten ist ― einer Sonderregelung.” Es gebe in Europa genug Beispiele für solche Steuerexklaven, welche den Steuersatz des Nachbarstaats anwendeten, etwa das Kleinwalsertal, Jungholz, Livigno oder Campione. In dieser Sache zeige sich wieder der Nachteil der Zugehörigkeit zu Italien. Für die Staatsschulden gebe es eine Ausnahme für Südtirol, sie sollte auch hier möglich sein.
Mit einer Sonderregelung für die Mehrwertsteuer sollte man vorsichtig sein, dadurch könnte auch das derzeitige Wachstum gebremst werden, warnte die SVP. Die Initiative müsste in Rom vorangebracht werden, daher sollte der Antrag in einen Begehrensantrag an das Parlament umformuliert werden. Südtirol zahle bereits viel Steuern nach Rom, daher wäre eine Steuerautonomie ein Wunsch der Bevölkerung. Südtirol sollte sein Geld selbst verwalten können. Über das Thema werde man sicher noch öfter diskutieren.
Die Grünen sahen eine Mehrwertsteuererhöhung in Italien als Zumutung und erklärten sich bereit, einen entsprechenden Begehrensantrag zu unterstützen. Steueroasen hätten auch negative Folgen, etwa Tanktourismus. Die genannten Steuerexklaven seien mit der Südtiroler Situation nicht vergleichbar. Den Punkt zwei des Antrags könne man daher nicht annehmen. Die Grünen sähen eine Mehrwertsteuer immer problematisch und natürlich auch deren Erhöhung. Es wäre aber nicht gerechtfertigt, wenn eine der reichsten Provinzen eine Ausnahme bekäme.
Die Demokratische Partei zitierte den italienischen Ministerpräsidenten, der heute eine Vermeidung der MwSt.-Erhöhung als schwierig bezeichnete. Diese Regierung habe vieles über Bord geworfen, was mühsam aufgebaut wurde. Südtirol sei nicht in derselben Situation wie die genannten Steuerexklaven. Ein solcher Vorschlag sei nicht durchführbar. Die Fünf Sterne Bewegung stellte in Abrede, dass diese Regierung eine Erhöhung plane. Die Erhöhung würde auf der Grundlage eines mit der EU vereinbarten Mechanismus erfolgen, der aber stets vermieden werden konnte, außer unter den PD-Regierungen 2011 und 2014.
L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia meinte, dass der Zustand Italiens vor allem Schuld des PD sei, dass aber auch die Erklärungen der 5 Stelle nicht überzeugen könnten. Südtirol sei keine Exklave, sondern integraler Teil eines Staatsgebiets. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer treffe die Schwächsten, die Endverbraucher und nicht die Unternehmer, meinte das Team Köllensperger. Zum zweiten Punkt des Antrags werde man sich enthalten, da dies unrealistisch wäre.
Die Freiheitlichen sprachen sich klar gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer aus, sie wäre ein Schlag ins Gesicht für die Klein- und Mittelbetriebe und auch für ihre Kunden. Die SVP sollte auf ihren Koalitionspartner einwirken, damit die Lega in Rom von diesen Plänen Abstand nehme.
Die Landesregierung betonte, dass sie kein Interesse an einer Erhöhung der MwSt. habe, und es gebe die Befürchtung, dass das Geld wieder versickern würde. Das Finanzdokument sehe die Erhöhung vor, aber diese Klausel sei noch jedes Jahr wieder ausgesetzt worden. Die im Antrag genannten Ausnahmen seien auf ganz andere Situationen zugeschnitten.
Die Süd-Tiroler Freiheit ging auf den Vorschlag der SVP ein, den Antrag als Begehrensantrag ans Parlament umzuformulieren, und beantragte eine Vertagung. Südtirol sei in einer besonderen Situation, auch historisch und kulturell. In Südtirol gebe es auch eine andere Steuermoral als in Süditalien und es sei wirtschaftliche verknüpft mit Österreich und Deutschland. Sinnvoll wäre eine Steuerhoheit für Südtirol. Wenn man die Forderung nach Sonderregelungen nicht für gerechtfertigt sehe, dann müsse man auch an der Autonomie zweifeln. Die Süd-Tiroler Freiheit legte den Antrag dann als Begehrensantrag an das Parlament vor, der nur mehr einen Punkt enthält: Der Landtag spricht sich gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer aus.
L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia stimmte dem beschließenden Teil zu, nicht aber den Prämissen, die gleich geblieben seien. Die Grünen stimmten der neuen Fassung ebenfalls zu, wiesen aber darauf hin, dass es Steuerhinterziehung auch in Südtirol gebe. Schwarzarbeit gebe es hier sogar mehr als in der Lombardei oder im Veneto. Die Demokratische Partei beantragte getrennte Abstimmung zu den Prämissen, die er nicht teile. Die Fünf Sterne Bewegung kündigte ihr Nein an. Die Regierung habe bereits gesagt, dass sie die Mehrwertsteuer nicht erhöhen werde. Der Antrag gebe ein falsches Bild wieder. Es sei schwer, dieser Regierung zu glauben, meinte die SVP. Eine Erklärung gegen die MwSt.-Erhöhung könne man jedenfalls mittragen. In Südtirol werde mehr kontrolliert, daher scheine auch mehr Steuerhinterziehung auf, meinte die Süd-Tiroler Freiheit. Die allgemeinen Prämissen des Antrags wurden mit 18 Ja, fünf Nein und zehn Enthaltungen angenommen. Der Teil der Prämissen über eine Sonderregelung für Südtirol wurde mit drei Ja, 22 und acht Enthaltungen abgelehnt. Der beschließende Teil (Nein zur Erhöhung) wurde mit 27 Ja, zwei Nein und vier Enthaltungen angenommen.
Beschlussantrag Nr. 93/19: Motorräder auf den Dolomitenpässen (eingebracht von den Grünen am 29.04.2019). Der Landtag solle die Landesregierung verpflichten, 1. In Absprache mit der Gemeinde- und Straßenpolizei, gezielte und immer wiederkehrende Verkehrskontrollen vor allem auf den Dolomitenpässen vornehmen zu lassen, um Manipulationen der Auspuffanlagen an den Motorrädern und gefährliche Geschwindigkeiten zu ahnden. 2. Die gezielten Verkehrskontrollen auf Südtirols Pässen in einschlägigen Foren wie www.motorradonline.de anzukündigen. “Auf den Dolomitenpässen verkehren vor allem im Sommer sehr viele Motorräder”, bemerkten die Grünen. “Auf dem Grödnerjoch wurden sie im Juli und August 2017 jeweils zwischen 9 und 16 Uhr gezählt. Täglich fuhren demnach zwischen 553 (geringste Zahl, gemessen an einem Mittwoch, an dem das Sellajoch für den Verkehr gesperrt war) und 1138 Motorräder über das Grödnerjoch. Dies entspricht im Durchschnitt zwischen 1,2 und 2,7 Motorrädern in der Minute! Wer mit der Lärmkurve eines sich nähernden bzw. sich entfernenden Motorrades vertraut ist, der weiß, dass diese Zahlen einem nie abschwellenden, kontinuierlich hohen Lärmpegel entsprechen.” Viele Motorradfahrer würden sogar beim Grenzübertritt die Schalldämmung entfernen. Es sei schade, dass das Projekt #Dolomitesvives heuer ausgesetzt wurde. Die Landesregierung wolle ein Gesamtkonzept vorlegen. Bis dahin sollte eine gute Polizeipräsenz für Erleichterung sorgen. Es gehe nicht nur um Belästigung, sondern um die Gesundheitsbelastung.
Das Team Köllensperger bezweifelte, dass viele den Auspuff manipulieren würden, und wies darauf hin, dass sich in den letzten Jahrzehnten der Fuhrpark verdreifacht, aber der Ausstoß halbiert hätten. Man sei aber sehr wohl für ein Gesamtkonzept zur Reduzierung der Verkehrsbelastung auf den Pässen und werde für den Antrag stimmen.
Die Demokratische Partei erklärte ihre Zustimmung zum beschließenden Teil des Antrags. Das Problem betreffe überdies nicht nur die Dolomitenpässe. Man müsse in der Sache auch die Zusammenarbeit mit dem Trentino suchen. Laut L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia geht es nicht nur um die Pässe, sondern insgesamt um die Bergstraßen, die oft als Rennstrecken verwendet würden. Das Land sollte auf den einschlägigen Portalen in Deutschland und Österreich eine Sensibilisierungskampagne starten.
Die Süd-Tiroler Freiheit meinte, die Situation wäre lösbar, wenn die geltenden Gesetze eingehalten würden. Es sei zu definieren, was man den Anrainern, deren Interessen primär sein, zumuten könne. Die SVP plädierte für eine Vereinbarkeit zwischen Interessen der Touristen und der Anrainer. Man könne ganz gut Motorrad fahren, wenn man die Regeln einhalte. Es gebe dazu bereits einen Beschluss der Landesregierung. Man müsse kontrollieren, dass die Regeln eingehalten werden.
Die Landesregierung betonte, dass es vor allem um die Sicherheit auf Südtirols Straßen gehe, nicht nur auf den Pässen. Das Datenmaterial sei noch lückenhaft, da wolle man nachbessern. Dem Antrag werde man nicht zustimmen, da man die geforderten Maßnahmen bereits umsetze. Man sei mit den Gemeinden in Verbindung, um ihnen die nötigen Mittel für eine bessere Überwachung zu geben. Man werde auch die Gäste für das Thema sensibilisieren. Für eine definitive Sperre fehle die rechtliche Voraussetzung, man bemühe sich aber um die rechtlichen Rahmenbedingungen, um Verkehrsregulierungen effektiv umsetzen zu können: Sperren, Beschränkungen usw. Zu erheben sei auch, welchen Verkehr man habe und woher er komme. Problematisch seien z.B. Tagesausflüge, die in Rennen ausarteten – das sei nicht tolerierbar. Alle Entscheidungen wolle man jedenfalls gemeinsam mit Trient und Belluno treffen. Mit den genannten Maßnahmenpakete wolle man bereits im Sommer beginnen. Die Grünen erklärten, dass man gefährliche Geschwindigkeit auch ohne Messungen bestrafen könne. Die Schließung des Sellapasses sei möglich gewesen und habe positive Ergebnisse gezeigt, ohne Auswirkungen auf andere Pässe.
Jene Schließung sei mit einer Durchführungsbestimmung für genau diese Straße erfolgt, antwortete die Landesregierung. Der Antrag wurde mit 14 Ja, 17 Nein und einer Enthaltung abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 96/19: Maßnahmen zugunsten der Pflegezentren für die Vogelwelt (eingebracht vom Team Köllensperger am 29.04.2019). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, einen Diskussionstisch mit den Leitern der Vereinigung C.R.A.B. einzurichten, um eine kontinuierliche Fortsetzung der Tätigkeit dieser Vereinigung zu gewährleisten sowie angemessene Örtlichkeiten und Ressourcen für ein langfristiges Projekt ausfindig zu machen, mit dem nicht nur für die Einhaltung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen gesorgt wird, sondern – entsprechend dem Bild unseres Landes, mit dem wir uns identifizieren möchten – auch den Erwartungen unserer Gesellschaft entsprochen werden kann und dabei der nachgewiesenen wissenschaftlichen, medizinischen, sanitären, didaktischen und umweltbezogenen Rolle einer Vereinigung, wie sie in den Prämissen dieses Beschlussantrags beschrieben wurde, gebührend Rechnung getragen wird.
“Seit seiner Gründung hat das Pflegezentrum seinen Sitz bei der Stadtgärtnerei in der Mühlbachpromenade, wo von der Gemeinde Bozen Räumlichkeiten mittels Überlassung zur Verfügung gestellt wurden, die ursprünglich für andere Zwecke bestimmt waren”, erklärte das Team Köllensperger. “Dort herrschen jedoch schwerwiegende Mängel (Sanitäranlagen, Heizung, Warmwasser usw.), die sich im Laufe der Zeit verschlimmert haben und mittlerweile dazu geführt haben, dass der Dienst nicht mehr fachgerecht und den gesetzlichen Vorgaben entsprechend erfolgen kann. Das Amt für Vermögen der Gemeinde, das miteinbezogen wurde, um zumindest die notwendigsten Sanierungsmaßnahmen und den Abschluss eines Mietvertrags zu erwirken, hat jegliche Intervention ausgeschlossen und darauf hingewiesen, dass es in Zukunft nicht mehr möglich sein werde, den derzeitigen Sitz zu nutzen, wodurch es de facto die Schließung des Zentrums besiegelt hat. Es besteht außerdem ein Finanzierungsproblem, da wie bereits erwähnt ausschließlich die unregelmäßig und nicht verlässlich ausbezahlten Beiträge genutzt werden können, während eine entsprechende Vereinbarung fehlt.”
Die Landesregierung stellte fest, dass es lange Zeit keine gesetzlichen Regelungen zu den Vogelzentren gegeben habe. In Südtirol gebe es zwei solcher Zentren, deren Arbeit sehr geschätzt werde. Die Struktur in Bozen sei veraltet, daher müsse man eine Lösung finden, und zwar im Respekt jener, die sich diese Arbeit antun. Den Antrag könne man in dieser Form nicht annehmen, aber man werde den genannten Runden Tisch sicher einrichten. Das Team Köllensperger kündigte eine Überarbeitung des Antrags an und bat um Vertagung.
Die Sitzung wird morgen um 10.0 Uhr mit der Anhörung von Mitgliedern der Sechserkommission wieder aufgenommen.