Von: mk
Bozen – Der Südtiroler Landtag hat sich heute mit dem Beschlussantrag Nr. 251/20: Unterrichtsfach Autonomiestatut in den Grund- und Mittelschulen (eingebracht von Alto Adige Autonomia am 14.02.2020) befasst. Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, im Sinne der bestehenden Rechtsbestimmungen in den Schulen jeder Art und Stufe des Landes (Grund-, Mittel- und Oberschulen, genauso wie in der Ausbildung und an Berufsschulen) den verpflichtenden Unterricht zum Thema Autonomiestatut als sinnvolles und notwendiges Instrument des lebenslangen Lernens im Fach Bürgerkunde einzuführen.
Unsere Autonomie werde oft angefeindet und als Privileg hingestellt, auch durch Vertreter in den höchsten Institutionen des Staates, bemerkte Alto Adige Autonomia. Die Autonomie sei auch hierzulande nicht allen bekannt. Unsere Jugend sollte erfahren, was dieses Land so besonders macht, daher sollte die Autonomie Pflichtfach werden. Die Fünf Sterne Bewegung sah einen Autonomieunterricht in der Grundschule als verfrüht. Der Antrag bringe darüber hinaus nichts, wenn es um das Ansehen der Autonomie außerhalb Südtirols gehe.
Mit dem Autonomieunterricht könne man durchaus in der Grundschule unterrichten, wenn man die richtige Unterrichtsmethode anwende, meinte hingegen die Grünen. Aber es sei allen klar, dass das Fach Bürgerkunde in Südtirol auch die Autonomie einschließe. Die Demokratische Partei – Bürgerlisten kritisierte, dass in den Prämissen des Antrags nur ein römischer PD-Vertreter als Autonomiefeind zitiert werde und nicht auch anderer Parteien, z.B. der Lega. Das Bildungsressort habe in den letzten Jahren viel Material auch zur neueren Landesgeschichte herausgegeben, das im Unterricht verwendet werde. Daher sei der Antrag nicht nachvollziehbar.
L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia sah ebenfalls keinen Sinn in dem Antrag. Die Autonomie sei eine Bestimmung auf Verfassungsniveau, aber man dürfe daraus keine Religion machen. Besser wäre es, den Schülern den Respekt vor den Institutionen beizubringen. Im Landtag tue man immer so, als ob Staatsgesetze nichts wert seien. Die Süd-Tiroler Freiheit sah das Hauptproblem in der Unkenntnis über die Autonomie in Italien, nicht in Südtirol. In der italienischen Schule würden die Hintergründe zur Autonomie anders unterrichtet als in der deutschen. Das Warum werde unterschlagen, die Tatsache, dass man eine ethnische Autonomie habe.
Das Team K sprach sich dafür aus, dass Autonomie als Teil eines Fachs unterrichtet wird. Die Bürgerkunde stehe ja vor der Einführung. In dieser Form sei der Antrag nicht zielführend. Daher werde man sich der Stimme enthalten. Es sei eine Debatte über das Geschlecht der Engel, meinten die Grünen. Die Autonomie sei bereits Unterrichtsgegenstand in den Lehrplänen aller Schulstufen. Die Freiheitlichen sahen die Autonomie überbewertet. Man sollte der Jugend nicht vorgaukeln, dass man schon eine Vollautonomie habe.
Eine verpflichtende Einführung in allen Schulstufen gehe zu weit, meinte die SVP und bat, den Antrag zurückzuziehen. Man wolle die staatliche Einführung der Bürgerkunde abwarten. Die Landesregierung verwies auf die Schulautonomie und auf die Lernziele, die auch die Zeitgeschichte des Landes umfassten. Die Autonomiegeschichte im Rahmen der Bürgerkunde sei im Landesgesetz bereits angepeilt. Bereits heute sei die Autonomie Thema im Geschichteunterricht, und dafür stünden ausreichend Materialien zur Verfügung. Bezüglich des Unterrichts im Rahmen der Bürgerkunde sei zu überlegen, in welcher Schulstufe was sinnvoll sei. Das Ansinnen des Antrags sei richtig, aber das Thema sei besser zu differenzieren.
Bücher müsse man nicht lesen, ein Pflichtfach sei etwas anderes, meinte Alto Adige Autonomia. Im Unterschied zu anderen Autonomien habe unsere kulturelle Hintergründe, dennoch gehöre sie allen drei Sprachgruppen. Die Schulautonomie werde leider oft auch genutzt, um bestimmten Themen auszuweichen. Der Einbringer zeigte sich bereit, den Antrag zu überarbeiten und bat um Vertagung.
Beschlussantrag Nr. 241/20: Unterzeichnung des Manifestes “Parole Ostili” – Projekt zur Sensibilisierung gegen verbale Gewalt (eingebracht von Alto Adige Autonomia am 30.01.2020). Der Landtag möge sich verpflichten, 1. das Manifest zu unterzeichnen und die Beteiligung an der Kampagne #cambiostile – gegebenenfalls auch seitens einzelner Personen – zu fördern; 2. spezifische Initiativen zu fördern, die bei Wählern und Politikern ein Bewusstsein dafür schaffen, was faire Kommunikation bedeutet und welche Verantwortung sie beim Sprechen, Schreiben und Posten im Internet tragen; 3. sich auf Landesebene für die Verbreitung der Inhalte des Manifestes einzusetzen, damit Wörter wieder in ihrer ursprünglichen Wortbedeutung verwendet werden und somit eine Gemeinschaft mit Bildungsauftrag entsteht.
“Herkömmliche wie soziale Medien zeichnen jedes Wort auf und vervielfältigen es; mediale Hetze, öffentliche Hassbotschaften und Fake News sind Phänomene, die sich immer weiter ausbreiten”, erklärte Alto Adige Autonomia. “Aus diesem Grund muss die Sprache der Politik – heute mehr denn je – eine Vorbildfunktion einnehmen und sich für eine Diskussionskultur einsetzen, die Inhalte und eben nicht die Diskreditierung der Gegenseite in den Mittelpunkt stellt. In diesem Kontext ist die Initiative des „Manifestes der nicht-feindseligen Kommunikation“ von Bedeutung, denn sie trifft genau den Nerv der Zeit. Die Kampagne stammt aus dem Jahr 2017 und wird von der Vereinigung „Parole Ostili“ in Zusammenarbeit mit der Universität Cattolica del Sacro Cuore unterstützt. Seit diese im Senat vorgestellt wurde, sind ihr bereits über 200 Parlamentarier aller Fraktionen und verschiedene Minister beigetreten.”
Die Grünen unterstützten den Antrag. Alle sollten bei sich selbst anfangen. Auch die Art, wie Abgeordnete über ihre Kollegen sprächen, sei nicht immer korrekt. Das Team K sprach von einem Virus, das Geist und Seele befallen habe. Man stelle eine Verrohung der Sprache fest, auch bei der Jugend. Vor allem Politikerinnen müssten sich viel gefallen lassen. Die Lega sollte bei sich selbst anfangen; für sie kandidiere in Meran ein Mann, der einer Journalistin hundertfache Vergewaltigung gewünscht habe.
Äußerungen mit strafrechtlicher Relevanz müssten zweifelsfrei geahndet werden, meinte die Freiheitlichen. Andererseits müsse man mit Regelungen aufpassen; wer die Sprache der Menschen kontrolliere, kontrolliere auch die Menschen. Das Manifest gehe bezeichnenderweise von Opus Dei aus.
Die Lega Salvini Alto Adige wollte nicht mit den Äußerungen eines Meraner Gemeinderats vor sechs Jahren identifiziert werden. Es sei übrigens klar, dass er niemandem eine Vergewaltigung wünsche. Aber von der Äußerung distanziere man sich, auch angesichts der oft beklagten Gewalt an Frauen. Es scheine heute Mode geworden sein, Manifeste zu unterzeichnen. Dass die Debatte im Landtag nicht ausarte, dafür sorge schon der Präsident. Die Äußerungen der Abgeordneten in den sozialen Netzwerken könnten nicht durch ein Manifest geregelt werden. L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia berief sich auf das Manifest der eigenen Überzeugungen, des eigenen Gewissens, der Verfassung, des Statuts und der Verantwortung gegenüber anderen. Die SVP wies auf die Änderung des Antrags hin, wonach sich die Abgeordneten selbst dazu verpflichteten. Sie hätten die Vorbildrolle und sollten deshalb das Manifest unterschreiben.
Eine Initiative der Kirche, die Feinde oft mit mehr als mit Weihwasser bekämpft habe, mache immer etwas skeptisch, meinte die Süd-Tiroler Freiheit. Anstatt ein Manifest unterschrieben, sollte jeder seine Verantwortung übernehmen. Bestimmte Äußerungen seien ein Ventil für Missstände, und es sei oft besser, etwas werde gesagt statt verschwiegen. Im Landtag dürfe die Debatte durchaus auch hart werden, wichtig sei, dass man sich danach noch mit Respekt begegne. Man werde sich der Stimme enthalten.
Auf Nachfrage erklärte der Landtagspräsident, dass nicht klar sei, wer das Manifest unterschreiben sollte – der Landtag bzw. für ihn der Präsident oder jeder Abgeordnete. Die Kirche habe mit dem Manifest nichts zu tun, auch wenn der Papst es unterstütze, betonte Alto Adige Autonomia. Mit dem Manifest wolle man Werte vermitteln. Man dürfe sich nicht darauf hinausreden, dass auf Facebook halt deutlicher geredet werde als im Landtag. Für die Bürger mache das keinen Unterschied. Man werde den Antrag neu vorlegen und bat um Vertagung.
Begehrensantrag Nr. 13/20: “Anti Abbandono” – Gesetz des Irrsinns (eingebracht von der SVP am 14.02.2020). Der Landtag fordert die italienische Regierung und das italienische Parlament auf, umgehend die Überarbeitung des Artikels „Anti Abbandono“ in die Wege zu leiten und diesen unter Berücksichtigung des Gesundheits-, Organisations- und Finanzierungsaspektes abzuändern sowie begleitend dazu eine staatsweite Sensibilisierungskampagne zu starten, welche auf mehr Eigenverantwortung der Eltern abzielt.
Der Schutz von Kindern sei ein Anliegen aller, betonte die SVP, aber mit diesem Gesetz sei überzogen. “Mit dem Artikel „Anti Abbandono“ wurden die Eltern vor vollendete Tatsachen gestellt. Sie mussten sich innerhalb kürzester Zeit mit der Einhaltung eines irrsinnig erscheinenden, nicht nachvollziehbaren und interpretationsbedürftigen Gesetzes befassen. Gesundheitliche Folgen der Kinder werden darin ebenso wenig berücksichtigt, wie die Aspekte Zeit und Geld. Das Gesetz gleicht einem „Schnellschuss“ mit unbedachten Folgen für die Bürgerinnen und Bürger. Wer bis dahin keinen Kindersitz mit vorgeschriebenen Alarmierungssystem hat, muss mit Geldstrafen zwischen 83 und 323 Euro rechnen, noch dazu werden fünf Führerscheinpunkte abgezogen. Der vom Staat zugesicherte Beitrag von 30 Euro pro Kind ist mickrig und die im Staatshaushalt vorgesehenen 20 Mio. Euro (für 2019 und 2020) reichen für die 1,8 Mio. betroffenen Kinder bei weitem nicht aus.”
Die Freiheitlichen bezeichneten das Gesetz ebenfalls als absurd. Es sei eine Schnellreaktion auf Einzelfälle. Sinnvoller wären Kontrollen bei jedem Unfall, bei dem Kinder verwickelt seien. Man hätte wenigstens eine angemessene Frist einräumen können. L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia kritisierte die Verwendung des Wortes “absurd” in diesem Zusammenhang, als hätte das Leben der Kinder keinen Wert. Das Gesetz schütze die Kinder, die das Pech hätten, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Deplatziert sei auch die Bemerkung in den Prämissen, dass in Italien Gesetze eingeführt würden, die dann nur in Südtirol eingehalten würden.
Die Grünen warnten vor einer Verharmlosung des Themas. Es sei passiert, dass Kinder in Autos vergessen wurden. Aber man dürfe nicht glauben, dass man mit diesem Gesetz etwas löse; das sei kopflose Gesetzgebung. Es sei, als ob man den Alkoholmissbrauch unterbinden könne, indem man Gläser verbiete. Wenn Kinder im Auto vergessen würden, dann sei mehr zu hinterfragen.
Die Demokratische Partei wandte sich gegen den Antrag. 40 Kinder würden jedes Jahr sterben, weil etwas mit dem Kindersitz nicht stimme. Italien sei das erste Land in Europa, das dazu ein Gesetz eingeführt habe. Dieses Gesetz sei nicht absurd, daher werde er gegen den Antrag stimmen. Die 5 Sterne Bewegung kündigte ebenfalls ihre Gegenstimme an. Wenn es eine Vorrichtung gebe, die eine Gefahr vermeiden helfe, dann sollte man diese vorschreiben. Es sei nicht nachvollziehbar, wenn man ein solches Gesetz als unseriös bezeichne. Es werde schrittweise eingeführt, bis jetzt habe es noch keine Strafen gegeben.
Gesetze sollten nicht aus Panik gemacht werden, meinte hingegen die Süd-Tiroler Freiheit. In Deutschland würden jährlich 70.000 Kinder durch Verbrühungen verletzt. Solche Zahlen würden schon eher ein Gesetz rechtfertigen. Mit einer Sensibilisierungskampagne würde man mehr erreichen. Wer in Italien unterwegs sei, merke schnell, dass die Verkehrsordnung nicht beachtet werde. Italien solle solche Gesetze für sich machen, aber nicht für die Südtiroler Eltern.
Die heutige Technik könne die Sicherheit gewährleisten, aber es brauche mehr Eigenverantwortung, meinte das Team K. Hier habe man es mit einem Schnellschussgesetz zu tun. Man könne nicht alles mit einem Gesetz regeln. Mehr Eigenverantwortung sei nötig, und dafür wäre auch eine Sensibilisierungskampagne gerechtfertigt. Auch die SVP war der Meinung, dass die Eigenverantwortung steigen müsse. Jeder Fall sei ein Fall zu viel. Aber wenn die Technik beim Einparken helfe, dann könne sie auch warnen, wenn auf den Kindersitzen etwas nicht stimme. Vor allem aber sollten die Eltern nachschauen, ob ihr Kind noch drin ist. Das Team K wies darauf hin, dass diese Initiative von Müttern ausgehe. Es sei ein Beispiel für gelebte direkte Demokratie.
Die SVP dankte für die breite Unterstützung und verwahrte sich gegen die Unterstellung, ihr sei das Leben eines Kindes nichts wert. Es gehe darum, dass man sinnvolle und umsetzbare Maßnahmen beschließe. Es würden auch zig Kinder ertrinken, ohne dass es dazu ein Gesetz gebe. Ein Kindersitz mit Bluetoothausrüstung nütze nichts, wenn man das Handy vergesse. Die Prämissen des Antrags wurden mit 27 Ja, drei Nein und zwei Enthaltungen angenommen, der erste Punkt mit 29 Ja und drei Nein, der zweite Punkt mit 28 Ja und vier Enthaltungen.
Vor Ende der Sitzung nahm ein Vertreter des Team K zur Corona-Epidemie Stellung. Unser Land sei von der WHO als Risikogebiet eingestuft worden. Das Robert-Koch-Institut sehe Südtirol als Risikozone und es gebe Reisewarnungen. In dieser Situation sollten die Abgeordneten zusammenrücken und überlegen, was sie tun könnten. Der Landeshauptmann sah es als gutes Zeichen, wenn auch die Opposition den Zusammenhalt unterstütze. Man nehme das Angebot zur Zusammenarbeit gerne an. Man versuche, wirtschaftlichen Schaden abzuwenden, aber im Zweifelsfall habe die Gesundheit Vorrang. Man rechne damit, dass sich das Virus in den nächsten Wochen noch weiter verbreite. Es sei wichtig, die Vorsichtsmaßnahmen ernst zu nehmen. Südtirol sei ein starkes Land und in der Lage, die Situation so gut wie möglich zu bewältigen.
Die Sitzung wurde um 16.58 Uhr beendet.