Von: luk
Bozen – Im Südtiroler Landtag wurden heute auch Anträge von Grünen und Demokratischer Partei diskutiert.
Beschlussantrag Nr. 269/20: Posttraumatische Folgen von Corona (eingebracht von den Abg. Foppa, Dello Sbarba und Staffler am 20.04.2020); der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. die Dienste der mentalen und psychischen Gesundheit vorbereitend auszubauen und verstärkt flächendeckend auf dem Territorium anzubieten, auch um mehr Menschen zu erreichen und die Wartezeiten zu verringern, wobei die Angebote auch mit geeigneten Mitteln bekannt gemacht werden müssen; 2. den betroffenen Arbeitenden, auch den Freiwilligen, im Gesundheitssystem und den sozialen Einrichtungen unterstützende Maßnahmen zur Seite zu stellen, damit sie bei der Bewältigung der traumatischen Erfahrungen Hilfe erfahren können; 3. den im Bildungssystem Arbeitenden ebenfalls Hilfe, Intervision und Supervision in verstärktem Maße anzubieten; 4. das Angebot der Psychologischen Ersten Hilfe unmittelbar und niederschwellig zugänglich einzurichten und zu promoten.
“Einmal betrifft das Trauma all jene, die direkt mit der Krankheit zu tun haben: Erkrankte, Familienangehörige, insbesondere von Verstorbenen, sanitäres und pflegendes Personal und Freiwillige etc.”, erklärte Brigitte Foppa (Grüne). “Sie alle machen in diesen Wochen Erfahrungen, die an die Grenze des Zumutbaren gehen oder diese Grenze überschreiten, und dies oft auch dauerhaft. Eine Traumatisierung erleben zweitens Menschen aufgrund der andauernden sozialen und räumlichen Isolierung, unmittelbare Folge des notwendigen Lockdowns. Hier gibt es je nach Lebens- und Wohnsituation und auch nach psychischer Veranlagung große individuelle Unterschiede. Es gibt Menschen, für die die Verpflichtung des Daheim-bleibens an sich schon einen großen Stress darstellt. Durch die soziale Isolierung fallen Abfederungsmechanismen weg, was besonders problematisch für jene ist, die mit aggressiven oder depressiven Familienmitgliedern zusammenleben müssen. Isolation und Bewegungsarmut können die Situation weiter verschärfen. Kleinkinder, Menschen mit psychischer Instabilität, Menschen, die einsam oder alt sind, Suchtkranke etc. können aus der anhaltenden Isolation nachhaltig geprägt, auch geschädigt hervorgehen. Gefährdet sind auch Menschen, auf denen ein mehrfacher Druck lastet (etwa arbeitende Frauen, die zugleich Betreuungsleistungen erbringen oder Menschen, die dauerhaft um ihre Existenz bangen müssen) und die aus dieser Dauerbelastung nicht gestärkt herausgehen werden, sondern ausgelaugt und geschwächt. Die Suizidwelle nach der Krise 2008 muss zu denken geben. Dieser Situation müssen wir rechtzeitig entgegnen.” Foppa erinnerte auch an die gestrige Anhörung von Gleichstellungsrätin, Jugendanwältin und Volksanwältin, bei denen man mehr von solchen Fällen gehört habe.
Franz Ploner (Team K) sah das Problem als Kollateralschaden der Krise. Die Kinderarmut werde zunehmen, das soziale Gefüge werde aus dem Gleichgewicht kommen, vor allem bei Alleinerziehern. Die Eltern seien gereizt, alte Menschen würden allein gelassen. Das Bedürfnis nach Nähe und Zuwendung sei das gleiche geblieben. Ein niederschwelliger Zugang im ambulanten Bereich wäre wesentlich, um die Folgen zu mindern, daher werde man dem Antrag zustimmen.
Auch Maria Elisabeth Rieder (Team K) kündigte Zustimmung an. Die Hausärzte würden all diese Probleme nicht auffangen können. Menschen bräuchten eine Anlaufstelle, und es sei auch wichtig, wie diese benannt werde, um Hemmungen abzubauen. Auch die Mitarbeiter im Gesundheitswesen bräuchten Hilfe, neben einem Erholungsurlaub.
Sven Knoll kündigte die Zustimmung der Süd-Tiroler Freiheit an. Auch er sei von Menschen in Notlagen kontaktiert worden. Es sei schlimm, wenn man sich von verstorbenen Angehörigen nicht verabschieden könne, ebenso, dies den Kindern zu erklären. Auch Ärzte würden stark belastet, wenn sie zusehen müssten, wenn ihnen ein Patient wegstirbt. Solche Traumata wie jetzt würden nie spurlos an einer Gesellschaft vorbeigehen. Einrichtungen, an die sie sich in ihrem Kummer wenden könnten, seien da sehr wichtig.
LR Thomas Widmann bestätigte die Analyse zu den psychischen Folgen. Es sei noch während des Notstands ein Netzwerk der psychologischen Hilfen entstanden. Es gebe Anlaufstellen im Sanitätsbetrieb und im Zivilschutz, auch entsprechende Kurse für das Personal. Das Notfallnetzwerk “psychische Hilfe-Covid-19”, das eine Reihe von Diensten bündle, sei bereits aktiv, werde stark in Anspruch genommen und werde noch mehr bekannt gemacht werden. Es sei also bereits einiges im Laufen, das sich mit dem Antrag decke.
Brigitte Foppa meinte, dass sich vor allem für Männer eine psychische Krise abzeichne, als Folge der Wirtschaftskrise. Männer hätten mehr als Frauen Probleme, eine psychische Belastung abzubauen.
Der Antrag wurde mit 14 Ja und 18 Nein abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 271/20: COVID-19 Abteilungen auf Landesebene (eingebracht vom Abg. Repetto am 20.04.2020); der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, a) die Maßnahme zu überdenken, die auf eine Konzentration der Intensivbetten in einem einzigen Krankenhaus abzielt; b) für die Betreuung von COVID-19-Patienten mit leichtem Krankheitsverlauf auf Landesebene zusätzliches Gesundheitspersonal einzusetzen.
“Der Vorschlag, in Bozen das einzige COVID-19-Zentrum Südtirols zu schaffen und dieses im neuen Krankenhaus unterzubringen, wird die weitere Entwicklung des Südtiroler Gesundheitswesens zunichte machen”, meinte Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten). “Die Lösung, die sich nun abzeichnet, bestünde darin, ausschließlich in Bozen eine Covid-19 Intensivstation einzurichten und zu diesem Zweck 90 Betten im neuen Krankenhaus vorzusehen, während weitere 30 Betten auf die drei Gesundheitsbezirke aufgeteilt werden sollten. Somit würde man jedoch dem wichtigsten Krankenhaus Südtirols personelle und finanzielle Ressourcen entziehen und eine Weiterentwicklung unterbinden. Der Grund unserer ablehnenden Haltung diesem Vorhaben gegenüber liegt auf der Hand: Damit bliebe der Stadt Bozen und dem Gesundheitsbetrieb eine lang ersehnte Einrichtung verwehrt. Der Vorschlag der Führungsspitze des Gesundheitsbetriebes ist für das Bozner Krankenhaus nachteilig, zumal Letzteres das einzige medizinisch hochqualitative und zertifizierte medizinische Zentrum für Onkologie ist, mit Abteilungen, die es sonst nirgendwo auf Landesebene gibt. Im Hinblick auf die Pandemie, hat sich zudem herausgestellt, dass eine derartige Konzentration aus epidemiologischer Sicht ein Nonsens ist. Dies wurde auch von der Region Venetien erkannt, die jetzt in die entgegengesetzte Richtung steuert: Dort werden Patienten mit leichtem Krankheitsverlauf zu Hause und nicht gezwungenermaßen im Krankenhaus gepflegt.”
Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia) berichtete, dass auch Ärzte und Pfleger über das Vorhaben besorgt seien. Das neue Gebäude, auf das man schon lange gehofft habe, werde nun für einen einzigen Zweck reserviert.
Sven Knoll (STF) lehnte den ersten Punkt des Antrag ab, stimmte aber dem zweiten zu. In anderen Regionen sei die Ansteckung innerhalb der Spitäler aufgefallen. Bei den aktuellen Fallzahlen sei es sinnvoll, Covid-Patienten von anderen Patienten strikt zu trennen und in einer einzigen Struktur unterzubringen, egal ob in Bozen oder anderswo.
Der Großteil der Covid-Patienten könnte daheim betreut werden, wie es anderswo bereits geschehe, erklärte Franz Ploner (Team K). Für Intensivpatienten brauche es hingegen hochspezialisiertes Personal, sodass eine Zentralisierung in einer Struktur sinnvoll sei, auch mit eigenen Zugangs- und Sicherheitsregeln.
Riccardo Dello Sbarba (Grüne) wunderte sich, dass die STF jetzt zentralistisch werde und der PD dezentral. Wenn sich die zweite Welle entwickle wie die erste, dann habe man in Bozen einen Stau. Andererseits habe die Isolierung der Akutpatienten einen Sinn, allerdings nur, wenn deren Zahl überschaubar sei. Daher müsse die Behandlung im Vorfeld besser ausgebaut werden.
Das ISS gebe vor, das man, wo möglich, ein isoliertes Spital für Covid-Patienten einrichte, erklärte LR Thomas Widmann. Die Task-Force des Sanitätsbetriebes habe nur Erfolg gehabt, weil sie entscheiden konnte, was wo passiert. Zur eigenen Covid-Station, die 15 Ärzte und mehrere Pfleger umfasse, gebe es mittlerweile breite Zustimmung. Aber bei einer großen zweiten Welle müsste man genauso wie in diesen Wochen auch die anderen Krankenhäuser in Anspruch nehmen. Es gebe auch konventionierte Intensivbetten in Privatkliniken.
Sandro Repetto bemängelte, dass er auf die Frage der Notaufnahme keine Antwort bekommen habe.
Der Antrag wurde in drei Teilabstimmungen mehrheitlich abgelehnt.