Von: luk
Bozen -Landeshauptmann Arno Kompatscher und Landesrat Thomas Widmann informierten heute den Landtag über die Corona-Situation. Die neuesten Zahlen, die Beratungen in der Landesregierung und die Pläne für die Impfkampagne waren Thema.
Zu Beginn der Sitzung informierte die Landesregierung über die Situation im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie. LH Arno Kompatscher berichtete von den diesbezüglichen Besprechungen in der heutigen Sitzung der Landesregierung. Bei den Impfungen komme man, nach einem guten Start, nicht so gut weiter wie erwartet, da gebe es nichts zu beschönigen. Es gebe nicht mehr so viele Leute, die sich impfen lassen wollten. In Südtirol habe es bereits vor Covid eine breite Skepsis zu Impfungen gegeben, mit relative niedrigen Impfraten im europäischen Vergleich. Zurzeit sei man noch nicht weit vom staatlichen Durchschnitt weg, bei den gefährdeten Kategorien und bei den Senioren habe man eine gute Impfrate. Die absoluten Impfgegner seien eine relativ kleine Gruppe, aber viele andere würden noch abwarten, eventuell bis Herbst, um die Situation besser einschätzen zu können. Es gebe verschiedenste Argumente, die anführt würden, aber diese Haltung sei gefährlich. Wenn 50 Prozent der Bevölkerung ungeschützt seien, dann sei die Gefahr groß genug, dass die Intensivstationen wieder unter Druck stehen, dazu gebe es genug Beispiele aus anderen Ländern. Dann müsste man wieder zu drastischen Maßnahmen schreiten. Kompatscher appellierte an die Abgeordneten, dabei mitzuhelfen, die Menschen zu überzeugen. Der Impfstoff sei verfügbar, man könne sich durch die Wahl des Impfdatums den gewünschten aussuchen. Man werde das Impfangebot so nahe wie möglich an der Bevölkerung einrichten. Man werde auch weiter versuchen, gemeinsam mit den Ärzten und Apothekern die Menschen zu erreichen. Letztlich bleibe es eine persönliche Entscheidung, und das sei gut so. Aber jeder müsse sich auch seiner Verantwortung bewusst sein. Man arbeite weiter mit den Unternehmen zusammen, besonders im Tourismus, um Tests zu bieten. Ab 1. Juli gelte ausschließlich der europäische Green Pass. Man habe aber mit dem Südtiroler Pass nicht Geld verschleudert, betonte Kompatscher, denn die damit geschaffenen Daten würden in den europäischen Pass einfließen. Der Pass finde Anwendung, wo es von den staatlichen Bestimmungen vorgesehen sei. Zusätzlich sei er in Südtirol noch für andere Situationen vorgesehen: Wiesenfeste, Hallensport, Hallenschwimmbäder, Übernachten in Gemeinschaftsräumen der Schutzhütten, Kino und Theater bei Belegung über 50 Prozent. Für Jugendliche zwischen 12 und 18 sei alternativ ein Nasenflügeltest möglich. Veranstalter seien zur Kontrolle verpflichtet, seien aber nicht haftbar, wenn sich jemand durch die Kontrollen schwindle. Ziel der Maßnahmen sei ein zusätzlicher Schutz für Veranstalter und Teilnehmer. Er hoffe, viele Menschen würden sich lieber impfen als dauernd testen lassen.
LR Thomas Widmann lieferte noch einige Details. Seit einem Monat habe man nur 1-4 Patienten in Intensivbehandlung, wobei alles eigentlich von einem Infektionsherd ausgehe. Die Situation in den Krankenhäusern habe sich stabilisiert, die Inzidenz sei auf 14 gesunken. Das sei ähnlich wie im letzten Sommer und klinge beruhigend. Aber wenn man die Situation in Europa betrachtet, sehe man die Gefahr durch die Delta-Variante. In Südtirol sei diese durch Mitarbeiter im Gastgewerbe verbreitet worden, und die Situation konnte schnell unter Kontrolle gehalten werden. Man schätze, dass Delta innerhalb einer Woche das Infektionsgeschehen in Europa dominieren werde, in einzelnen Ländern sei das bereits der Fall. In Ländern mit ähnlicher oder höherer Durchimpfungsrate wie Südtirol würden die Infektionen wieder steigen, vor allem bei Jüngeren. Lissabon sei abgeriegelt, Portugal sei RKI-Risikozone. Israel, wo 60 Prozent geimpft seien, führe wegen steigender Infektionen die Maskenpflicht wieder ein. Es sei also Vorsicht geboten, man erinnere sich an den vergangenen Herbst. Der einzige Ausweg sei das Impfen. Man werde nie 100 Prozent erreichen, aber hoffentlich möglichst viele. Die Impfung schütze auch bei Delta vor Krankenhausaufhalt. Bei den Personen unter 40 sei die Impfrate noch sehr niedrig, sie seien nicht so gefährdet wie die Senioren, könnten aber Ansteckungen weitergeben. Wenn man weitere 10.000 Personen erreichen würde, wäre man wieder im Spitzenfeld. Nun wolle man ein unterschwelliges Angebot schaffen, auch in einzelnen Gemeinden. Auch Widmann bat die Abgeordneten, bei der Meinungsbildung zu helfen.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) sah schwarz für den Herbst. Auch letzten Sommer hatte man dieselben niedrigen Werte, und das ohne Impfung. Er fragte, was mit den Gratistests sei. Diese seien wichtig, denn auch die Impfung biete keine hundertprozentige Sicherheit. Viele Eltern könnten es sich nicht leisten, ihre Kinder 2-3-mal die Woche testen zu lassen. Die Argumente, mit dem Impfen noch zu warten, seien sehr individuell, über eine einzige Schiene werde man die Menschen nicht erreichen.
Ulli Mair (Freiheitliche) fragte, wie der Innenbereich der Fitnessstudios ab 1. Juli geregelt sei. Ungeimpfte müssten sich dort zweimal die Woche testen lassen – und die Zeche zahle der Betreiber. Mair berichtete von einer Post-Covid-Patientin, die sich kaum bewegen könne und dadurch arbeitslos geworden sei, aber keine Unterstützung bekomme. Hier brauche es eine Sonderschiene zur Unterstützung solcher Fälle.
Paul Köllensperger (Team K) fragte, ob es Neuigkeiten zu den Geldern aus dem Recovery Fund für Südtirol gebe.
Franz Ploner (Team K) berichtete, dass die erste Impfdosis kaum vor Delta schütze; das sei das aktuelle Problem in England, wo mit AstraZeneca geimpft wurde, das einen großen Abstand zur Zweitimpfung vorsehe. Er schlug vor, jene, die bei den Vax Days mit Astra geimpft wurden, nun möglichst bald mit BioNTech zu impfen, wodurch der Schutz deutlich verbessert werde. Im Green Pass sollten auch die Antikörpertests berücksichtigt werden.
Josef Unterholzner (Enzian) sah es als bezeichnend, dass gerade die Länder mit den höchsten Durchimpfungsraten nun auch die meisten Probleme mit der Delta-Variante und die höchsten Sterberaten hätten. Die Hersteller sagten, dass die Impfung vor schwerer Erkrankung, aber nicht vor Ansteckung schütze.
Brigitte Foppa (Grüne) fand die derzeitige Werbekampagne fürs Impfen sehr gut. Diese könnte auch parteiübergreifend lanciert werden. Die Mitglieder ihrer Fraktion würden als Testimonial zur Verfügung stehen.
Helmut Tauber (SVP) meinte, man finde als Testimonial hoffentlich auch junge Leute, Künstler oder Unternehmer. Er lobte die Initiativen zum niederschwelligen Impfangebot. Es könne nicht sein, dass man im Herbst wieder Schulen und Betriebe schließen müsse. Die Diskotheken seien seit 17 Monaten geschlossen. Wenn man den Eintritt mit Grünem Pass erlauben würde, würden sich vielleicht auch junge Leute zum Impfen überreden lassen.
Maria Elisabeth Rieder (Team K) erinnerte an das Versprechen vom März, die Covid-Hilfen zu verlängern, und fragte, wann mit den Auszahlungen begonnen werde. Viele würden darauf warten.
Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia) stellte eine andere Einstellung zur Impfung gegenüber dem Rest des Staatsgebiets fest. In Südtirol seien die No Vax sehr verbreitet, das habe auch der Landeshauptmann eingeräumt. Vielleicht bräuchte es eine verstärkte Aufklärung zum Impfen allgemein, wobei er damit die Freiwilligkeit in Frage stellen wolle. Diese in Südtirol weit verbreitete Einstellung stelle auch das Gesundheitswesen vor Probleme.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) wies darauf hin, dass die Skilehrer noch ohne Unterstützung seien. Er fragte auch, was bei der Rentenversicherung für die Bauern unternommen wurde.
Die Screenings würden nach wie vor gratis bleiben, erklärte LH Arno Kompatscher, etwa bei Sportveranstaltungen. Die Zeche für die in gewissen Situationen vorgeschriebenen Tests aber sollten nicht die Steuerzahler bezahlen müssen. Es gebe eine günstigere Alternative zu den Tests: sich impfen lassen. Long Covid werde noch länger ein Thema bleiben, sehr viele würden darunter leiden, mit starken Beeinträchtigungen. Diese Menschen brauchten Unterstützung. Die Regierung Draghi habe jetzt das Dokument mit den Zielvorgaben für den Recovery Fund und entwickle jetzt die einzelnen Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen. Südtirol habe klargemacht, dass es spezifische Regeln brauche, da vieles in die Zuständigkeit des Landes falle – sonst würden viele dieser Mittel nicht nach Südtirol kommen. Bei einem Treffen mit dem Finanzminister sei ein Runder Tisch angekündigt worden, um diese Regeln zu erarbeiten. Es werde auch Informationstreffen mit den Unternehmen geben.
Unterholzners Rechnung, dass viele Impfungen zu vielen Toten führten, sei ein Kurzschluss. Auch ein Laie würde dies verstehen. Nach dem Impfen sei die Ansteckungsgefahr nachweislich geringer und eine schwere Erkrankung unwahrscheinlich – beides ein triftiger Grund für eine Impfung. Es sei nichts Neues, dass die Impfskepsis in Südtirol sehr groß sei. Vor Jahren, als die Impflicht ausgedehnt worden sei, sei die Debatte in Südtirol heftiger als anderswo gewesen. Das könne mit dem Einfluss aus Deutschland zu tun haben, wo man nach der NS-Erfahrung gegen jede Bevormundung in ärztlichen Dingen sei. Es brauche hier mehr als nur Appelle von oben, es brauche eine breite Bewusstseinsbildung, auch mit Vorbildern. Man arbeite bereits in diese Richtung. Auch andere Regionen berichteten von wachsender Skepsis. Ein Grund sei auch die wachsende Skepsis gegenüber Institutionen. Wenn man sich nicht einmal mehr auf gemeinsame Standards einigen könne, dann werde jede Lösung schwierig. Man sollte gegen die Beliebigkeit ankämpfen, es gebe nicht nur verschiedene Meinungen, sondern auch verschiedene Meinungsniveaus.
LR Thomas Widmann dankte für das Angebot der Grünen, als Testimonial bei der Kampagne einzuspringen. Er werde das prüfen. Er stimmte auch Ploners Vorschlag zu kürzeren Impfintervallen zu, aber die italienische Arzneimittelbehörde erlaube das noch nicht. Wie Knoll sehe auch er schwarz für den Herbst, wenn sich nicht genügend impfen lassen würden. Wenn man weitere 50.000 Südtiroler impfen könnte, wäre man auf einem guten Punkt. Rom wolle die Nasenflügeltests nicht anerkennen, aber in dieser Phase seien die Selbsttests eine gute Alternative. Im Herbst werde man wieder im großen Stil Screenings durchführen.
LR Arnold Schuler erklärte zu den Rentenzuschüssen, dass die Region einen entsprechenden Passus zum Gesetz vorbereite. Für die Skilehrer würden Beiträge vorgesehen.
Alessandro Urzì schlug vor, öffentlich mitzuteilen, wie viele Abgeordnete bereits geimpft seien. Präsidentin Rita Mattei kündigte an, dies bei der nächsten Fraktionssprechersitzung zu besprechen.
LR Waltraud Deeg erklärte, dass 4.000 Gesuche um die zusätzlichen Covid-Hilfen eingereicht wurden. Noch gebe es Probleme mit der IT-Technik, diese sollten aber bald gelöst sein.