Macron beauftragte Lecornu mit Verhandlungsführung

Macron will sich “seiner Verantwortung stellen”

Montag, 06. Oktober 2025 | 21:38 Uhr

Von: APA/AFP

Die Regierungskrise in Frankreich wird immer unübersichtlicher. Präsident Emmanuel Macron ernannte innerhalb von 24 Stunden eine neue Regierung, nahm den Rücktritt von Premierminister Sébastien Lecornu an und beauftragte denselben dann mit einem letzten Verhandlungsversuch. Zugleich erklärte Macron nach Angaben aus seinem Umfeld am Montag, sich seiner “Verantwortung zu stellen”, sollte dieser Versuch scheitern. Unklar blieb, was das konkret bedeuten könnte.

Es gebe “zahlreiche Möglichkeiten”, hieß es. Auf die Nachfrage, ob dazu auch der mögliche Rücktritt Macrons zähle, verwies das Umfeld auf dessen bisherige Erklärungen, dass er sein Mandat bis zum Ende ausüben wolle. Der Präsident scheint mit seiner Aussage jedoch die Option von Neuwahlen angedeutet zu haben, die er bisher immer ausgeschlossen hatte.

Den zurückgetretenen Regierungschef Lecornu beauftragte Macron, bis Mittwochabend “letzte Verhandlungen zu führen, um eine Grundlage für das Handeln und die Stabilität des Landes festzulegen”, wie das Präsidialamt mitteilte. Dies bedeute nicht, dass Lecornu wieder als Premierminister eingesetzt werde, sondern es gehe eher um Grundzüge eines Regierungsprogramms, hieß es im Umfeld des Präsidenten.

Lecornu stimmte dem Verhandlungsauftrag zu: “Ich werde dem Staatschef am Mittwochabend sagen, ob es möglich ist oder nicht, damit er dann alle nötigen Konsequenzen ziehen kann”, schrieb er im Onlinedienst X. Für Dienstagfrüh berief er bereits eine neue Beratungsrunde mit Vertretern des bisherigen Regierungslagers ein.

Streit wegen Le Maire

Lecornu hatte Montagfrüh seinen Rücktritt eingereicht – nur wenige Stunden nachdem seine Regierung am Vorabend vorgestellt worden war. Auslöser dafür war ein Streit um die Ernennung des früheren Wirtschaftsministers Bruno Le Maire zum Verteidigungsminister. Der konservative Innenminister Bruno Retailleau hatte dies scharf kritisiert und mit seinem Rücktritt gedroht. Dies hatte wiederum Lecornu bewogen, sein Amt aufzugeben.

Unterdessen erklärte Le Maire selber, dass er auf sein Regierungsamt – das er noch gar nicht angetreten hatte – verzichten wolle. Macron habe dies akzeptiert, schrieb er Montagabend auf X. Seine Zuständigkeit gehe wieder an den Premierminister über – der ohnehin bisher zudem Verteidigungsminister gewesen war.

Der überraschende Rücktritt Lecornus hatte heftige Reaktionen ausgelöst. Die Opposition forderte umgehend Neuwahlen und – bis ins Lager der Konservativen hinein – auch den Rücktritt Macrons. Die Krise machte sich auch an der Börse bemerkbar. Der französische Leitindex CAC 40 schloss mit 1,36 Prozent im Minus. Zugleich verteuerten sich an den Anleihemärkten die Kreditkosten des Landes.

Lecornu hatte nach seinem Rücktritt erklärt, dass ein Kompromiss im Haushaltsstreit greifbar gewesen sei, “wenn manche darauf verzichtet hätten, ihre eigenen Interessen zu verfolgen”. Offensichtlich setzt Macron nun darauf, dass 48 Stunden zusätzliche Verhandlungszeit ausreichen könnten, um diesen Kompromiss noch zu finden.

Harte Einschnitte notwendig

Im Kern geht es darum, den Haushalt für das kommende Jahr zu verabschieden, in dem angesichts der maroden Staatsfinanzen harte Einschnitte nötig sein werden. Da die Nationalversammlung in drei miteinander verfeindete Blöcke gespalten ist, erschien eine Einigung jedoch weiterhin sehr kompliziert.

Sowohl die linkspopulistische als auch die rechtspopulistische Opposition rief am Montag zum Rücktritt des Präsidenten auf. “Wir fordern die sofortige Debatte über unseren Antrag auf die Absetzung von Macron”, erklärte der Chef der linkspopulistischen Partei La France Insoumise (LFI), Jean-Luc Mélenchon. Das Präsidium der Nationalversammlung will sich am Mittwoch damit befassen, ob über den – seit längerem eingereichten – Antrag debattiert wird.

Die Rechtspopulisten forderten eine Entscheidung des Präsidenten: “Auflösung des Parlaments oder Rücktritt”, verlangte die Partei Rassemblement National (RN). Fraktionschefin Marine Le Pen nannte Neuwahlen “die einzige vernünftige Lösung”.

Wahlen 2027

Lecornus Amtszeit ist mit 27 Tagen die kürzeste eines französischen Premierministers der jüngeren Zeit. Die nächsten Präsidentschaftswahlen stehen 2027 an, Macron kann nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten.

In Brüssel verfolgten EU-Politiker die Lage in Frankreich mit Spannung. “Ich hatte den Eindruck, eine Seifenoper zu sehen”, sagte eine europäische Diplomatin, die anonym bleiben wollte.

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