Von: mk
Bozen – Quarantäne-Bestimmungen und Corona-Verordnungen haben auch die jüngste Plenarsitzung im Südtiroler Landtag bestimmt.
Behandelt wurde zunächst der Beschlussantrag Nr. 350/20: Dauer und Abwicklung der Quarantäne (eingebracht vom Abg. Repetto am 16.11.2020). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. dafür zu sorgen, dass auf der Internetseite des Sanitätsbetriebes einfache, schlüssige und erschöpfende Informationen zu Fragen im Zusammenhang mit Diagnostik, Quarantänezeiten, Krankschreibung, Heilung/negativem Testergebnis, Rückkehr an den Arbeitsplatz und Umgang mit engen Kontaktpersonen angeboten werden; 2. schnelle und effiziente Verfahren zur Durchführung diagnostischer Untersuchungen einzuführen; die Testergebnisse sollen direkt den Betroffenen, den Arbeitgebern und dem NISF mitgeteilt und die erforderlichen Bescheinigungen auch direkt vom Dienst für Hygiene ausgestellt werden; 3. den Allgemeinmedizinern unbedingt die Möglichkeit zu gewährleisten, sich direkt und in Echtzeit mit den Fachkräften des Dienstes für Hygiene, die sämtliche Maßnahmen zur Prävention, Erkennung und Überwachung von SARS-COV-2 koordinieren, zu beraten und professionell auszutauschen; dabei soll gewährleistet werden, dass die Kommunikation per E-Mail einwandfrei funktioniert; ebenso wichtig ist, dass die Allgemeinmediziner dem Dienst für Hygiene auch alle von ihm bisher nicht erfassten engen Kontaktpersonen/Risikopersonen melden können; 4. Abkommen mit den privaten Anbietern (eventuell mit Kostenbeteiligung) zur Durchführung diagnostischer Untersuchungen abzuschließen; dabei sollen die akkreditierten Einrichtungen volle offizielle Anerkennung erfahren und den geltenden Kommunikationspflichten unterliegen; 5. die Erfassung aller durchgeführten diagnostischen Untersuchungen (Antigen-Schnelltests, molekulare Schnelltests und Antikörpertests) im digitalen Register verpflichtend einzuführen, wobei auch nicht offiziell bestätigte Tests als solche erfasst werden sollen.
“Zum jetzigen Zeitpunkt ist der Sanitätsbetrieb nicht in der Lage, Abstriche in kurzer Zeit durchzuführen”, erklärte Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) und präzisierte, dass er sich nicht auf die Testreihe vom Wochenende beziehe. “Diese sind nicht nur zum Nachweis einer Neuinfektion notwendig, sondern auch um festzustellen, ob ein bereits infizierter Patient wieder negativ ist. In der Tat werden die durchschnittlichen Wartezeiten immer länger. Das gilt sowohl für die Durchführung der Molekulartests als auch für die Mitteilung der Testergebnisse und gegebenenfalls für die Anordnung der Quarantäne (mit darauffolgender Krankschreibung) an die Patienten und an ihre engen Kontakte. Darüber hinaus kommt es immer häufiger zu Fehlern im Zusammenhang mit den Krankschreibungen und mit der Testung von Covid-Patienten, um festzustellen, ob sie wieder negativ sind und an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können.” Der Antrag stütze sich auf die Arbeit von Experten in seiner Partei, erklärte Repetto. Derzeit sei das Tracing nicht zufriedenstellend, und man müsse alles tun, um eine dritte Welle zu vermeiden.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) berichtete von einer Bürgerin, die bis heute noch kein Ergebnis vom Massentest am Wochenende erhalten habe, und von einem Bürger, der trotz negativem PCR-Testbescheid in die Quarantäne musste. Er fragte, was geplant sei um das Contact Tracing wieder hochzufahren.
Franz Ploner (Team K) kritisierte ebenfalls die nicht einheitliche Handhabung der Quarantäne. Das schaffe Unverständnis, Missmut und Verweigerung. Mängel sehe er auch bei der Nachverfolgung, wenn der PCR-Test erst nach 48 Stunden erfolge. Es brauche einen niederschwelligen Zugang zum Test. Alle, die Zugang zum System hätten, müssten die Ergebnisse in das zentrale Register eintragen. Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) unterstützte viele Punkte des Antrags und beantragte eine separate Abstimmung zu den einzelnen Punkten. Beim Massentext seien manche Ergebnisse anscheinend an die falschen Personen übermittelt worden. Wie beim österreichischen Gesundheitsministerium sollte auch in Südtirol nicht nur über die gesundheitlichen Aspekte informiert werden, sondern auch über wirtschaftliche Unterstützung und andere Aspekte. Die FAQ-Seite des Landes sollte demgemäß besser strukturiert sein. Für manche sei der Test sehr unangenehm gewesen. Atz Tammerle fragte, warum das nicht für alle gleich sein könne.
Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia) unterstützte den Antrag. Wie für die Impfungen sollte es auch für die Tests ein zentrales Register geben. Der Antrag stamme aus einer Zeit mit einer ganz anderen Situation, bemerkte Gerhard Lanz (SVP), daher könne man in dieser Form nicht annehmen. Was den Massentest betreffe: Man spreche von einem Test, an dem sich über 350.000 Personen beteiligt hätten und der innerhalb von zehn Tagen organisiert wurde – da könne es natürlich zu Fehlern kommen.
Man habe sehr lange auf die Nachverfolgung gesetzt, erklärte LR Thomas Widmann. Die Schweiz und Österreich hätten das schon lange aufgegeben. Südtirol habe 110 Personen für die Rückverfolgung angestellt. Bei 20-30 Kontakten pro Infiziertem habe man bald Tausende zu kontaktieren. Eine elektronische Mitteilung sei für die Nachverfolgung nicht möglich, man würde keine verlässlichen Rückmeldungen bekommen. Von den 361.000 beim Screening Getesteten seien nur 12.000 nicht am selben Tag informiert worden, das sei im Rahmen des Tolerierbaren. Italien habe die starrsten Protokolle Europas, man habe z.B. bis vor kurzem 2 negative Tests für das Ende der Quarantäne verlangt, was die Testkapazität einschränke. Nun komme man nach maximal 21 Tagen aus der Quarantäne, der Asymptomatische (ca. 80 Prozent der Betroffenen) könne das Haus nach 10 Tagen und ohne Test verlassen. Das Contact Tracing sei das Um und Auf der epidemiologischen Rückverfolgung. Man werde eine neue Form der Kontaktaufnahme versuchen, wie in der Schweiz, wo nicht mehr so viele Telefonate nötig seien. Die Kinder- und Hausärzte hätten reservierte Telefonnummern für die Meldung der Testergebnisse, durch ein Missverständnis sei es Anfangs bei einigen nicht dazu gekommen. Nicht überall würden akkreditierte Tests geboten, das könne dazu führen, dass z.B. Urlaubsrückkehrer dennoch in Quarantäne müssten. Der Antrag sei überholt, die Forderungen erfüllt. Sandro Repetto sah Widersprüche in den Ausführungen Widmanns zur Nachverfolgung, einerseits unumgänglich, andererseits unmöglich. Das Screening sei sinnvoll gewesen, nun brauche es klare, einheitliche Bestimmungen zur Quarantäne. Daher sei der Antrag noch aktuell. Der Antrag wurde in Abstimmungen zu den einzelnen Punkten mehrheitlich abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 355/20: Corona-Verordnungen (eingebracht von den Abg. Knoll und Atz Tammerle am 18.11.2020). • Der Südtiroler Landtag unterstützt die Resolution des EU-Parlaments und schließt sich dessen Forderung an, dass Bürger aus Grenzregionen und Grenzgänger von den staatlichen Grenz-Einschränkungen ausgenommen werden sollen. • Der Landtag beauftragt die Landesregierung, die Corona-Verordnungen des Landes dahingehend anzupassen dass: 1. Treffen mit engen Familienangehörigen (Eltern/Kinder, Geschwister und Großeltern) ─ die nicht im selben Haushalt leben ─ erlaubt werden. 2. In Einhaltung des EU-Rechts all jene Treffen, die in Südtirol durch die Ausnahmebestimmungen der Corona-Verordnungen erlaubt sind, auch grenzüberschreitend zugelassen werden. 3. Für alleinstehende Menschen eine Regelung getroffen wird, damit sich diese mit wenigstens einer haushaltsfremden Bezugsperson treffen können. 4. Die nächtlichen Ausgangssperren aufgehoben werden und ein Aufenthalt im Freien zur körperlichen und psychischen Erholung jederzeit zugelassen wird. 5. Die Beschränkungen auf das Gemeindegebiet aufgehoben werden. 6. Zusätzliche Einschränkungen durch innergemeindliche Bewegungsradien aufgehoben werden.
“Die aktuelle Corona-Krise stellt nicht nur das Gesundheitswesen und die Politik vor große Herausforderungen, sondern ist auch für die Gesellschaft und die zwischenmenschlichen Beziehungen eine enorme Belastung”, erklärte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). “Es steht außer Frage, dass es aufgrund der hohen Infektionszahlen Maßnahmen braucht, um die Zahl der Neuinfektionen zu senken und dadurch einen Zusammenbruch der Gesundheitsversorgung zu verhindern. Auch in dieser Krisensituation muss jedoch Rechtsstaatlichkeit gewahrt bleiben und Rücksicht auf die grundlegenden Bürgerrechte genommen werden. Viele Bürger aber auch Vertreter der Ordnungskräfte machen darauf aufmerksam, dass die aktuellen Corona-Verordnungen in einigen Bereichen unklar bzw. widersprüchlich sind. Um den Bürgern das Leben nicht unnötig zu erschweren, bedarf es daher einiger Anpassungen, zumal die Corona-Bestimmungen anderer Länder aufzeigen, wie man diese Bereiche einfacher regeln könnte.” Knoll nannte als Problembereiche die Treffen mit engen Familienangehörigen (die in Österreich erlaubt seien), grenzüberschreitende Treffen mit engen Angehörigen, die soziale Vereinsamung, die Gemeindegrenzen, den Bewegungsradius in der Gemeinde, die Eigenerklärung (die in anderen Ländern nicht nötig sei), Überwachung und Strafen, die vielen Überzogen erschienen. Interpretationsschwierigkeiten würden sich auch bei den anstehenden Öffnungen geben, da man nicht wisse, was von den alten Verordnungen noch gelte.
Brigitte Foppa (Grüne) bezeichnete die Vorschläge des Antrags als schön, allerdings sollten alle Maßnahmen eine wissenschaftliche Begründung haben. Grenzüberschreitende Treffen sollten möglich sein, da derzeit die Nachbarländer ungefähr dieselben Zahlen hätten. Aber wenn sich die Fallzahlen änderten, könne eine Schließung wieder sinnvoll sein.
Der Antrag umfasse die gesamte persönliche Situation, die sich durch die Maßnahmen ergebe, erklärte Franz Ploner (Team K). Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit sei berechtigt. In Deutschland gebe es eine stärkere Einbindung der Parlamente, und die Gerichte würden viele Bestimmung wegen Verfassungswidrigkeit kippen. Grundrechte könnten vom Staat nicht grundlos außer Kraft gesetzt werden, daher müssten sie auch auf ihre Verhältnismäßigkeit geprüft werden. Es verbreite sich immer mehr die Meinung, dass der Gesundheitsschutz nicht über allem stehe. Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia) meinte, dass auch das Land sich an die staatlichen Rahmenbedingungen halten müsse. Südtirol habe anfangs einen eigenen Weg versucht, sei dann aber den staatlichen Vorgaben gefolgt, auch um Anfechtungen zu vermeiden. Der Antrag betreffe auch Themen, für die das Land nicht zuständig sei, etwa die grenzüberschreitenden Treffen. Andere erwähnte Maßnahmen seien bereits aufgehoben, wie etwa die Kilometergrenze in Bozen.
Josef Unterholzner (Enzian) plädierte dafür, die Maßnahmen nüchtern auf Ursachen und Wirkungen zu hinterfragen. Es entstehe die Frage, ob die Maßnahmen nicht größere Schäden verursachten als die Epidemie. Er sei kein Coronaleugner, aber durch die Einschränkungen seit Frühjahr seien große Schäden entstanden. Vieles sei nicht nachvollziehbar, etwa die Maskenpflicht überall, auch im Wald.
Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) pflichtete Unterholzner bei. Klarheit bei den Bestimmungen sei unbedingt notwendig. Man finde im Internet genug seriöse und auch offizielle Quellen, die z.B. eine Grenzüberschreitung für unbedenklich hielten. Während am Montag die Läden öffnen dürften, blieben Verwandtenbesuche verboten – das sei nicht nachvollziehbar. Alle Verordnungen sollten wissenschaftlich begründet und erklärt werden.
Gerhard Lanz (SVP) verwies auf die gestrige Debatte, in der die Einbindung der Experten gefordert wurde. Heute stelle man Forderungen, die den Empfehlungen der Experten widersprächen. Mit solchen Anträgen wie dem heutigen werde ständig Angst geschürt. Mit der geltenden Verordnung seien Besuche bei den alten Eltern oder zur Betreuung von Kindern möglich, Paare dürften sich treffen. Für die grenzüberschreitenden Besuche sei nicht das Land zuständig. Die Abgeordneten sollten an ihre Verantwortung denken und nicht Verwirrung stiften.
LH Arno Kompatscher widersprach Urzì: Regionen dürften mittlerweile auch lockerere Bestimmungen als der Staat vorsehen. In den Dekreten des Ministerpräsidenten sei stets auch die Klausel zu unserer Autonomie enthalten. Knoll gehe davon aus, dass die Verordnung des Landes nicht EU-konform sei, das Gegenteil sei der Fall. Das Land könne aber nicht die Beziehungen zu anderen Staaten oder die Reisen zwischen italienischen Regionen regeln. Die Verordnung des Ministerpräsidenten sei möglicherweise bezüglich Grenzüberschreitungen nicht EU-konform, aber das könne nicht das Land lösen. Jeder habe eine besondere Situation, aber eine Verordnung könne nicht auf jede einzelne eingehen. Es werde nun eine neue Verordnung für die nächsten Wochen geben, mit zusätzlichen Bewegungsfreiheiten, aber weiter mit AHA-Regeln und Versammlungsverbot. Man werde versuchen, das klar zu kommunizieren, aber es werde auch dazu wieder Fragen geben. Wichtig sei, dass man gemeinsam versuche, aufzuklären. Selbstverständlich müsse man immer abwägen, was notwendig für Gesundheit und Gesundheitssystem und was verkraftbar für Personen und Betriebe sei. Der Antrag gehe von falschen Voraussetzungen aus, daher könne man ihm nicht zustimmen.
Sven Knoll bat darum, wenigstens den Punkt zur Resolution des EU-Parlaments anzunehmen. Was man im Antrag fordere, sei in Österreich schon Realität, mitgetragen von grünen Ministern. Das Landesgesetz vom Mai, das nicht angefochten wurde, besage, dass die Region verlassen werden dürfe. Das Land sollte sich in seinen Verordnungen auf die EU-Verordnungen beziehen – dann solle der Staat diese anfechten. LH Kompatscher sollte in der nächsten Verordnung präzisieren, ob z.B. die Friseure, die am nächsten Montag öffnen dürften, auch Kunden aus anderen Gemeinden empfangen dürften. Nach einer Unterbrechung für eine Beratung unter der SVP-Fraktion erklärte Gerhard Lanz, dass man Punkt 1 zur EU-Resolution annehmen werde. Der erste Punkt des Antrags (EU-Resolution) wurde mit 27 Ja und fünf Enthaltungen angenommen, die anderen Punkte wurden mehrheitlich abgelehnt.