Landtag verabschiedet "Netiquette"-Beschlussantrag

Regeln gelten auch im Netz

Donnerstag, 17. September 2020 | 15:59 Uhr

Bozen – Im Südtiroler Landtag wurden heute zwei Anträge der SVP angenommen. Diese hatten neue Arbeitsmodelle sowie die “Netiquette” in Südtirols Onlineportalen zum Inhalt.

Beschlussantrag Nr. 306/20: #erfahren.bewerten.verbessern: Neue Arbeitsmodelle fördern (eingebracht von der SVP am 11.06.2020). Der Landtag möge die Landesregierung beauftragen, • sinnvolle, praktikable Arbeitsmodelle in der öffentlichen Verwaltung, die während der Krise eingeführt worden sind, beizubehalten, in den Verträgen zu verankern und weiter zu verbessern; • Kriterien für familienfreundliche Home- und Smartworking-Formen in das „Audit familieundberuf“ aufzunehmen, durch welche die Betriebe mit alternativen Arbeitsmodellen zusätzliche Punkte erhalten; • aufbauend auf den Beschlussantrag zu den „Coworking-Spaces für Südtirols Dörfer“ aus dem letzten Jahr, die Errichtung von „Coworking-Spaces“ und Gemeinschaftsbüros im Leerstand oder auf verfügbaren Flächen bestehender Betriebe in ländlichen Gemeinden Südtirols durch einen durch die Landesregierung zu definierenden Startbeitrag finanziell zu unterstützen.

Der Antrag war bereits am Vormittag andiskutiert worden.

Die Landesregierung erinnerte an die Ansätze in den letzten Jahren zu diesem Thema. Zum Glück sei man das Thema frühzeitig angegangen, sonst wäre es unter dem Lockdown schwieriger gewesen. Man werde auch die Vorgaben des vorliegenden Antrags umsetzen.

Die SVP stellte klar, dass das Coworking als Rahmenbedingung für das Smartworking gedacht sei. Sie habe eine Zusammenlegung der beiden vorliegenden Anträge vorgeschlagen, aber das habe leider nicht geklappt.

Der Antrag wurde mit 30 Ja und einer Enthaltung angenommen.

Beschlussantrag Nr. 319/20: “Netiquette” in Südtirols Onlineportalen (eingebracht von SVP, Team K, Grünen, Alto Adige Autonomia, L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia, Süd-Tiroler Freiheit, 5 Sterne Bewegung und Lega Salvini Alto Adige Südtirol). Der Landtag möge die Landesregierung beauftragen, • eine dahingehende Abänderung des Landesgesetztes vom 18. März 2002, Nr. 6 „Bestimmungen zum Kommunikationswesen und zur Rundfunkförderung“ in die Wege zu leiten und festzuschreiben, dass Medien, die einen Förderbeitrag des Landes erhalten, eine Registrierungspflicht der User mit echtem Namen vorsehen müssen, und die Kommentare in ihren Portalen pflichtbewusst moderieren und sorgfältig kontrollieren, wobei für die dafür anfallenden Spesen ein Förderbeitrag vorgesehen werden soll; • in Zusammenarbeit mit dem Landesbeirat für das Kommunikationswesen eine „Musternetiquette“ bzw. einen einheitlichen Rahmen mit den Mindestangaben für die Verhaltensregeln im Netz auszuarbeiten, an der sich alle beitragsbeziehenden Medien mit Onlineforen orientieren sollen; • eine Ombudsstelle für alle beitragsbeziehenden Medien einzurichten, welche Klagen und Beanstandungen entgegennimmt und diese bearbeitet. Als Ombudsstelle soll der Landesbeirat für das Kommunikationswesen fungieren.

Das Land fördere die Medien und habe dadurch auch Verantwortung dafür, wie darin mit Menschen umgegangen werde, erklärte die SVP. Manche würden die normalen Verhaltensregeln vergessen, wenn sie online seien. “Der Südtiroler Landtag hat im Oktober 2015 eine Änderung zum Landesgesetz vom 18. März 2002, Nr. 6 „Bestimmungen zum Kommunikationswesen und zur Rundfunkförderung“ beschlossen, mit welcher nur jenen Online-Nachrichtenportalen Ausgleichszahlungen gewährt werden, die für die Teilnahme an ihren Foren klare Nutzungsbedingungen veröffentlichen, die Einrichtung eines persönlichen, nicht übertragbaren und passwortgeschützten Benutzerkontos vorsehen und dem Kommunikationsbeirat einen für die Foren Verantwortlichen nennen. Damit wollte man dem Freibrief, im Internet andere zu verletzen und zu beschimpfen, ein Ende bereiten. Trotz dieser Bestimmung werden diverse Onlineportale, die öffentlich gefördert werden, immer noch mit beleidigenden, diskriminierenden und inakzeptablen Kommentaren gefüllt. Durch eine Registrierungspflicht der User mit echtem Namen (Angabe von Handynummer und eventuelle Identitätskarte) und vor allem durch Moderation, Kontrolle und Löschung könnte dies vielfach unterbunden werden. Denn auch in der freien Meinungsäußerung muss es Grenzen geben, die dafür sorgen, dass niemandem Schaden zugefügt wird.”

L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia sah ihre Zustimmung als Vertrauensvorschuss. Alle hier seien Zeugen und Opfer von verbaler Gewalt im Internet. Man wolle nicht die Meinungsfreiheit einschränken, aber gewisse Regeln müssten auch im Netz eingehalten werden. Von diesem Antrag seien nur die vom Land geförderten Medien betroffen, und das berge die Gefahr, dass bei der Aufsicht die Objektivität verloren gehe.

Die Meinungsfreiheit sei eine Säule der Demokratie, erklärte die SVP, aber das schließe Beleidigungen und Drohungen nicht mit ein. Die Registrierungspflicht könne beitragen, damit gewisse Äußerungen gar nicht fallen.

Die Süd-Tiroler Freiheit bedauerte, dass nur zwei Online-Medien sich der Diskussion zum Antrag gestellt hätten. Wenn die Beiträge der Onlineportale auch auf den sozialen Netzwerken gepostet würden, dann habe das Land keine Kontrolle mehr darüber. Gewisse Leute wollten sich einfach ihren Frust vom Leib schreiben, aber die Medien könnten nicht dauernd Polizei spielen. Auch auf die Postpolizei könne man nicht immer vertrauen. Es seien schließlich auch manche Medienberichte, die den Hass schürten.
Die Grünen sahen im Antrag ein wichtiges Signal, dass man nicht bereits sei, sich auf eine gewisse Ebene zu begeben und dass man den Hass verurteile. Man wolle nicht die Meinungsfreiheit einschränken, aber es gebe eine Grenze für alles.

Das Team K trug den Antrag mit, der nun nicht mehr in der Klarnamenpflicht die Lösung sehe. Die Moderation und Löschung von Beiträgen sei wichtiger, sei aber ein großer Aufwand für die Medien. Die Klarnamenpflicht löse nichts. Was die Hemmschwelle für Hassbotschaften senke, sei die Distanz. Gerade Frauen oder LGBT würden angegriffen, wenn man sie zum Klarnamen zwinge.

Der Antrag setze ein Zeichen ab einem gewissen Punkt, meinte die SVP. In den letzten Wochen sei wieder eine Welle von Hassbotschaften zu sehen gewesen, und niemand rühre einen Finger zur Verteidigung, vielleicht aus Selbstschutz. Es wurde auch ein Antrag für ein Regelwerk für die Abgeordneten angekündigt.

Die Debatte degeneriere, wenn sie nicht oder schlecht moderiert werde, das sehe man auch im Fernsehen, meinten die Grünen. Die vorgeschlagenen Regeln brächten einen Mehraufwand für die Medien, aber sie seien nötig, um überhaupt eine Diskussion zu ermöglichen, denn wenn sich immer die gleichen beschimpften, dann würden sich die anderen zurückziehen.

Die Freiheitlichen, die den Antrag nicht unterschrieben haben, sprachen sich deutlich gegen den Hass im Netz aus, aber es sei schwer zu entscheiden, was die Grenze überschreite. Die Bürger hätten das Recht, Fehltritte der Politiker zu kritisieren. Der Antrag betreffe nur die vom Land geförderten Medien, auf die großen Netzwerke habe man keinen Einfluss. Bei den Südtiroler Problemfällen handle es sich um fünf “Hansln”, die sich mehrere Nicknames zugelegt hätten; diesen sollte man nicht so viel Aufmerksamkeit schenken. Punkt 1 des Antrags könne man zustimmen, den anderen nicht. Man müsse mehr an das Verantwortungsbewusstsein appellieren. Und es sollte, wenn nötig, leichter sein, Hassbotschaften zu verfolgen.

Das Land setze zur Medienförderung Steuermittel ein und dürfe damit nicht Fehlverhalten fördern, erklärte die Landesregierung. Beleidigen, Drohen, Herabwürdigen hätten nichts mit Meinungsfreiheit zu tun, das seien Straftaten. Es gehe hier nicht um die Politiker und den Landtag, die natürlich auch betroffen seien. Es betreffe die ganze Gesellschaft. Kritik müsse man aushalten, Beleidigung nicht. Der Kommunikationsbeirat werde eine Muster-Netiquette ausarbeiten. Die Unzufriedenheit vieler Menschen, die sich beleidigend im Netz äußerten, habe auch mit dem aktuellen Gesprächsklima zu tun, das auch Beleidigungen umfasse.

Der Antrag werde nicht die Welt ändern, meinte die SVP, aber er sei ein kleiner Schritt, um zu einer besseren Gesprächskultur zu kommen, ein Thema, mit dem sich ganz Europa beschäftige. Beleidigungen und Drohungen seien Straftaten, und müsse auch konsequent den Rechtsweg beschreiten.

Der Antrag wurde mit 30 Ja und zwei Enthaltungen angenommen.

Von: luk

Bezirk: Bozen