Offener Brief

Schützen kritisieren EU-Parlamentarier Dorfmann

Freitag, 14. Mai 2021 | 12:16 Uhr

Bozen – Die Bundesleitung des Südtiroler Schützenbundes drückt in einem offenen Brief ihre Unverständnis betreffend der Vorgehensweise und Haltung des Südtiroler Abgeordneten im Europäischen Parlament Dr. Herbert Dorfmann zur Aufhebung der Immunität für die im Exil lebenden Volksvertreter Kataloniens aus. Neben Dorfmann gehört Landeshauptmann Arno Kompatscher, die Südtiroler Landesabgebordneten und die SVP-Parlamentarier in Rom zu den Adressaten. Wörtlich heißt es in dem Brief:

Die katalanische Autonomieregierung unter Präsident Carles Puigdemont hatte bekanntlich im Jahr 2017 ein Unabhängigkeitsreferendum für Katalonien abgehalten. Die Verantwortlichen wurden dafür von den spanischen Gerichten des Vergehens der Rebellion überführt und zu Haftstrafen verurteilt. Einige der katalanischen Volksvertreter – wie Carles Puigdemont – entzogen sich aber der Verhaftung, indem sie sich ins Ausland nach Brüssel abgesetzt und somit ein Leben im Exil gewählt haben. Die europäischen Mitgliedsstaaten, aber auch alle anderen Minderheiten in der Europäischen Union unternahmen nichts gegen diese grobe Missachtung demokratischer Grundrechte seitens der spanischen Zentralregierung.

Bezogen auf diese in Brüssel im Exil lebenden Volksvertreter Kataloniens kam es erst kürzlich im Europaparlament zur Annahme des Antrags auf Aufhebung der Immunität. Dadurch ist der Weg für die Inhaftierung und Auslieferung dieser Personen an Spanien geebnet worden. Auch in Südtirol wurde dieser Vorfall diskutiert. Viele Mitbürger haben nicht verstanden, wie es dazu kommen konnte, dass der Südtiroler Europaparlamentarier Dr. Herbert Dorfmann als Vertreter einer Minderheit sich nicht klar gegen diesen Antrag ausgesprochen hat. Er hätte im Europaparlament mit anderen Minderheitenvertretern seine Stimme erheben müssen.

Fehlt uns Südtirolern mittlerweile auch der politische Weitblick? Die Frage scheint berechtigt zu sein, wenn man bedenkt, dass die Südtiroler Geschichte nicht wegzudiskutierende Parallelen zur Geschichte Kataloniens aufweist. Denn das faschistische Franco-Regime hat genauso Minderheiten und Andersdenkende verfolgt wie die italienischen Gesinnungsgenossen von Benito Mussolini. Und die den beiden Diktaturen nachfolgenden demokratischen Zentralstaaten hatten in der Repression Andersdenkender vielfach dort weitergemacht, wo ihre Vorgänger aufgehört haben. Oft mit Hilfe faschistischer Gesetzesparagraphen, die einfach von den „Demokraten“ übernommen worden sind. Oder hat man in Südtirol keine Kenntnisse mehr zum „Codice Rocco“? Und ist es nicht purer Faschismus, Volksvertreter der Rebellion anzuklagen, wenn sie – wie die Katalanen – mit friedlichen und demokratischen Mitteln die Unabhängigkeit eines Gebietes von einem Staat anstreben und durchzusetzen versuchen?

Wie soll das in den Statuten von Südtiroler Parteien verankerte Recht auf Selbstbestimmung umgesetzt werden, wenn Südtiroler Volksvertreter dieses Recht nicht einmal Volksvertretern anderer Minderheiten zubilligen, indem sie durch die Aufhebung der Immunität diese Demokraten der Verfolgung durch einen fremden Staat ausliefern?

Haben die Südtiroler Volksvertreter schon vergessen, wie es ihren Freiheitskämpfern in den 1960er Jahren ergangen ist? Die einen wurden in Südtirol verhaftet, gefoltert und eingesperrt, andere im österreichischen Exil verfolgt und in Schubhaft für eine eventuelle Auslieferung genommen. Nur durch die konsequente Haltung des damaligen Justizministers Univ. Prof. Dr. Hans Klecatsky wurde die Auslieferung von Klotz, Amplatz, den Pusterer Buam und anderer verhindert, weil das österreichische Recht eine Auslieferung an einen anderen Staat wegen politisch motivierter Vergehen nicht vorsah. Dieses Recht sollte auch für die im Exil lebenden Katalanen gelten. Nämlich keine Aufhebung der politischen Immunität, wenn das „Vergehen“ darin bestanden hat, mit demokratischen Mitteln die Unabhängigkeit Kataloniens vom spanischen Staat einzufordern.

Die Bundesleitung des Südtiroler Schützenbundes fordert deshalb von allen Südtiroler Volksvertretern eine klare Stellungnahme und eine klare Positionierung für die Minderheiten, die für die Südtiroler Bevölkerung wegweisend sein sollte.

Von: mk

Bezirk: Bozen