Von: luk
Bozen – Im Südtiroler Landtag standen heute der Brixner Auwald und das Catcalling zur Debatte.
Zunächst brachte das Team K einen Beschlussantrag zur Erhaltung der Auwälder ein. “Der Brixner Stadtrat hat mit Beschluss Nr. 27 vom 22. Jänner 2020 die Umwidmung des Bauleitplanes in der Industriezone Brixen betreffend Auwald in Gewerbezone mehrheitlich beschlossen”, erklärte Franz Ploner (Team K). “Als Ausgleichsmaßnahme für die Rodung des Auwaldes soll das bestehende Biotop in der Millander Au nach Süden erweitert werden. Nun sind Rodungen von Auwäldern durch das Landes-Naturschutzgesetz vom 12. Mai 2010, Nr. 6, Art. 17 verboten und würden den Schutzzielen des Landschaftsplanes widersprechen.“ Es sei fraglich, ob man die Zerstörung von Naturschutzgebieten überhaupt kompensieren könne, die gewachsene Artenvielfalt in dem Gebiet lasse sich nicht ersetzen. Die Umweltagentur habe sich gegen die Rodung ausgesprochen, solange es für die Wasserversorgung nicht einen Ersatz durch den geplanten Tiefbrunnen in der Sportzone Milland gebe. Diese Voraussetzung sei noch nicht erfüllt.
Paula Bacher (SVP) erinnerte daran, dass sich der ehemalige Obmann des Dachverbandes für Naturschutz Dissinger für diese Kompensationsmaßnahme ausgesprochen habe. Der Bereich zwischen den Straßen, rund 1,6 Hektar, werde auf die andere Seite verlegt und mit dem dortigen Auwald zusammengeschlossen.
Die entscheidende Frage sei, ob es sich um einen Auwald handle, meinte Hanspeter Staffler (Grüne). Zum Auwald gehöre es, dass er regelmäßig überschwemmt werde, sonst sei es kein Auwald. Ploners Argumentation baue auf den Auwald auf, aber diese Frage könne man nicht im Landtag entscheiden. Er schlug vor, eine Anhörung mit Fachleuten im zuständigen Gesetzgebungsausschuss abzuhalten.
Der Wald stehe mitten in der Gewerbezone und sei von Straßen gesäumt, erklärte Josef Unterholzner (Enzian), Tiere würde daran keine echte Freude haben. Im neuen Areal, das der Unternehmer in weiser Voraussicht gekauft habe, werde es ihnen deutlich besser gehen.
Gerhard Lanz (SVP) bezeichnete es als Dilemma, dass der Landtag oft über Themen entscheiden müsse, die mehr technische Expertise erforderten. Das gegenständliche Thema falle in die Zuständigkeit der Gemeinde, ihr sollte man die Entscheidung überlassen. Es sei nicht nachhaltig, an Dingen festzuhalten, die praktisch nicht mehr existierten. Viele Gewerbegebiete hätten den Namen “in der Au” oder “an der Au”, ein Zeichen, dass dort ein Auwald war, aber nun nicht mehr. Man könne auch im gegenständlichen Fall nicht zurück, man müsse von den aktuellen Gegebenheiten ausgehen.
Der Wald sei der Rest eines Eisackmäanders, den es inzwischen nicht mehr gebe, erklärte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Man könne sich nun überlegen, ob eine Renaturierung der ursprünglichen Fläche sinnvoll wäre. Aber der kleine Restwald sei zu klein für ein Schutzgebiet. Er kündigte Unterstützung für den Antrag an.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) dankte Staffler für den pragmatischen Ansatz. Das zuständige Landesamt für Landschaftsökologie habe festgestellt, dass es sich um keinen Auwald mehr handle. Es sei der Rest eines Waldstücks. Tier- und Pflanzenarten könnten auch mit der Kompensationsmaßnahme geschützt werden.
Helmut Tauber (SVP) stimmte dem Vorschlag Stafflers zur Expertenanhörung zu. Das Thema werde schon seit 2012 diskutiert, und es habe eine breite Beteiligung gegeben. Auch die Umweltverbände seien mittlerweile der Ansicht, dass die Kompensationsmaßnahme vernünftig sei.
Die Umsiedelung der Vogelbestände in den neuen Wald sei bereits im Gange, berichtete Magdalena Amhof (SVP). Mit der Begradigung des Eisacks Ende des 19. Jahrhunderts sei die regelmäßige Überflutung des Auwalds gekappt worden. Die heutige, unregelmäßige Überflutung komme von unten. Der ursprüngliche Auwald sei nur mehr sehr klein und es sei fraglich, ob es noch ein Auwald sei, die Artenvielfalt halte sich in Grenzen. Sie könne sich durchaus eine Anhörung zum Thema im Gesetzgebungsausschuss vorstellen.
Das Waldstück sei im Landschaftsplan als Auwald eingetragen und dadurch geschützt, erklärte LR Maria Hochgruber Kuenzer. Man habe vor über hundert Jahren der Natur etwas abgerungen, heute sei man eher darauf bedacht, der Natur etwas zurückzugeben. Das Trinkwasserschutzgebiet in der Sportzone sei mittlerweile ausgewiesen. Es sei bisher kein Änderungsantrag zum Landschaftsplan eingegangen, daher gebe es auch keinen Grund für den Landtag, sich damit zu befassen. Man müsse sich fragen, ob die Artenvielfalt nicht auch durch Ausgleichsmaßnahmen erhalten werden könne. Kuenzer plädierte für einen Vertragsnaturschutz, um die Artenvielfalt zu sichern, auch mit einer Eintragung im Grundbuch. Sie sprach sich schließlich gegen den Antrag aus.
Auch die Millander Au habe keine Verbindung zum Eisack mehr, gab Franz Ploner in seiner Replik zu bedenken. Vor hundert Jahren seien Auwälder auch aus hygienischen Gründen gerodet worden. Es gehe nicht nur um die Rettung des Auwaldes, sondern auch darum, eine weitere Bodenversiegelung zu verhindern. Ploner wunderte sich, dass die Abg. Amhof und Bacher über ein gemeindeinternes Gutachten verfügten. Er nahm den Vorschlag Stafflers zu einer Anhörung auf und bat um Vertagung.
Danach kam das Thema Catcalling, ein Beschlussantrag der Grünen, zur Sprache.
Beschlussantrag Nr. 637/22: Stop Catcalling (eingebracht von den Abg. Foppa, Dello Sbarba und Staffler am 26.10.2022). Dazu wurde heute ein parteienübergreifender Änderungsantrag vorgelegt (Brigitte Foppa, Magdalena Amhof, Maria Elisabeth Rieder, Ulli Mair, Peter Faistnauer, Myriam Atz Tammerle, Rita Mattei, Sandro Repetto, Marco Galateo, Carlo Vettori, Diego Nicolini): Der Landtag möge die Landesregierung beauftragen, 1) sämtliche Formen verbaler/sexueller Gewalt anzuerkennen und verstärkt auf diese Probleme aufmerksam zu machen; 2) den Internetauftritt „Gewalt hat viele Gesichter“ um neue Formen verbaler/sexueller Gewalt zu ergänzen; 3) gemeinsam mit Kooperationspartnern (Frauen-büro, Frauenorganisationen, Polizei, Justiz …) und Schulen Sensibilisierungsaktionen und Aufklärungskampagnen zu starten bzw. weiterzuführen.
LH Arno Kompatscher erklärte die Zustimmung der Landesregierung zum Antrag. Es gebe auch psychische Gewalt, auch Worte könnten verletzen. Man wolle deswegen aber nicht eine Sprachregelung einführen, daher der neue Wortlaut des Antrags.
Es gehe darum, dass der öffentliche Raum für beide Geschlechter gleichermaßen zugänglich sei, erklärte Brigitte Foppa (Grüne), die auch die gestrige Aussage Unterholzners kritisierte, dass Frauen oft durch ihre Kleidung provozierten. Anzügliche “Komplimente” gebe es nicht nur im Bahnhofspark, sondern auch auf dem Wiesenfest.
Der Antrag wurde mit 32 Ja einstimmig angenommen.