Von: mk
Bozen – Der Südtiroler Landtag hat sich heute unter anderem mit dem Beschlussantrag Nr. 90/19 „Sofortige Rücknahme der Liste der in den Trinkwasserschutzgebieten zugelassenen Pflanzenschutzmittel. Werden wirtschaftliche Interessen über die Gesundheit der Menschen gestellt? Das Image Südtirols als Land mit einer nachhaltigen Landwirtschaft ist angekratzt“ befasst. Der Antrag wurde von von L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia am 17.04.2019 eingebracht. Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. ihren Beschluss vom 12.3.2019, Nr. 142, mit sofortiger Wirkung aufzuheben; 2. den Einsatz von Glyphosaten in den Trinkwasserschutzgebieten des Landes bis zum Jahr 2020 auf jeden Fall auszuschließen; 3. die Liste der Pflanzenschutzmittel, die in den Trinkwasserschutzgebieten angewendet werden können, drastisch zu reduzieren, wobei in den Gebieten, wo Grundwasservorkommen bestehen, aus denen Wasser für die Wasserleitungen entnommen wird, eine absolute Einschränkung eingeführt wird; 4. umgehend einen Dialog mit den Interessenvertretungen der Landwirtschaft, einschließlich der Vertreter der biologischen Landwirtschaft, sowie mit den Umwelt- und Konsumentenvereinigungen in die Wege zu leiten, um über die erforderlichen Maßnahmen im Bereich der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, insbesondere in den Wasserschutzgebieten, zu beraten.
Die Debatte zum Antrag hatte bereits am Vormittag begonnen. Die SVP sah bereits den Titel des Antrags als Unterstellung, hier werde mit Ängsten Politik gemacht. Es gebe ein europaweit einheitliches Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel, es seien Abstandsregelungen und andere Schutzmaßnahmen erlassen worden. Die Beispiele im Antrag seien nicht zielführend. Man müsste 14 Liter Captanbrühe trinken, um die Toxizität einer Tachipyrintablette zu erreichen. Im Bozner Friedhof würden Mittel eingesetzt, die weit giftiger seien. Keiner der im Antrag genannten Wirkstoffe sei jemals im Trinkwasser nachgewiesen worden.
Die Freiheitlichen stimmten dem zu. Wenn gewisse Stoffe im Wasser nicht nachgewiesen worden seien, dann sei es verantwortungslos, damit Emotionen zu schüren. Im Privatbereich werde oft weniger sorglos mit Pflanzenschutzmitteln umgegangen als in der Landwirtschaft, meinte die Süd-Tiroler Freiheit. Die Sorge um Trink- und Grundwasser sei aber ernst zu nehmen. Oft müsse Chlor beigemengt werden, da das Grundwasser kontaminiert sei. Diesem Punkt des Antrags könne man zustimmen.
Die Landesregierung erklärte, sie habe nicht eine Liste erstellt, sondern eine vorhandene um 38 Mittel gekürzt. Ein wichtiges Kriterium sei, wie sehr die Mittel in den Boden und ins Wasser eindringen können. Die Umweltagentur habe z.B. in Sinich eine Verunreinigung von 0,0025 Mikrogramm gefunden, der Grenzwert liege bei 0,1. Daher solle man vorsichtig sein, bevor man Erhebungen nutze, um Alarm zu schlagen. L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia wies den Vorwurf des ungerechtfertigten Alarms zurück. Die Bevölkerung wolle Klarheit und mehr Sicherheit, vor allem, wenn sie in landwirtschaftlichen Gebieten wohnten. In Sinich befinde sich das Grundwasser gleich unter der Oberfläche. Punkt 1 des Antrags wurde zurückgezogen. Der Antrag wurde in mehreren Teilabstimmungen mehrheitlich abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 94/19: Schiverbindung Langtaufers-Kaunertal: Ein endgültiges Aus schafft Klarheit und schützt die Landschaft. (eingebracht von den Grünen am 29.04.2019). Der Landtag möge die Landesregierung beauftragen, 1. sich im Sinne des negativen Gutachtens (Nr. 23/2018) des Umweltbeirates klar gegen die Schiverbindung Langtaufers-Kaunertal auszusprechen und 2. dem Projekt eine definitive Absage zu erteilen.
“Manche der Langtauferer erhoffen sich von der Verbindung Arbeitsplätze vor Ort; im Kaunertal hingegen zielt man auf Ausweitung des potenten Schigebiets”, bemerkten die Grünen. “Zur Abwägung stehen dabei die Vorzüge zusätzlicher Arbeitsplätze im Tourismus auf Südtiroler Seite und somit eine verstärkte Inwertsetzung des wirtschaftlich schwachen Tales, auf der anderen Seite die großflächige Erschließung des bisher unberührten, durch Naturschönheit beeindruckenden Melagtales aufwärts bis zum Karlesjoch. Das unberührte Seitental ist auch Standort unberührter Lebensräume, wobei die Biosphäre den Betreibern jedoch nur wenig gilt.” Die Grünen wiesen auch darauf hin, dass sowohl die Landschafts- als auch die Wirtschaftskommission ein negatives Gutachten zum Projekt abgegeben hätten, da die beiden Skigebiete in direkter Konkurrenz seien.
Die Freiheitlichen bekannten sich zu einem wirtschaftsliberalen Ansatz sowie zur Unterstützung des ländlichen Raums. Aber in diesem Fall unterstütze man den Antrag. Es gebe nicht mehr viele ursprüngliche Täler in Südtirol. Um dieses Gebiet zu unterstützen, müsse man andere Möglichkeiten suchen, nicht ein Skigebiet. Das Team Köllensperger berichtete von Gesprächen mit Bauern und Urlaub-am-Bauernhof-Betrieben im Tal. Diese seien gegen das Projekt. Daher stimme man dem Antrag zu. Auch die Landesregierung sollte mehr auf die Bürger als auf die Lobbys hören.
Die Süd-Tiroler Freiheit zweifelte an der Gegnerschaft der Langtauferer. Sie seien gegen das vorgelegte Projekt, nicht gegen eine Verbindung an sich. Im Kaunertal sehe man im Winter sehr viele Südtiroler Autos; es wäre sinnvoller und umweltfreundlicher, wenn diese mit einem Skilift dorthin kämen. Eine Seilbahn könne auch wieder zurückgebaut werden.
Die SVP plädierte dafür, wirtschaftliche Chancen zu nutzen. Ohne Tourismus könnten die kleinen Höfe im Tal nicht überleben. Eine Verbindung wäre eine Gesamtverbesserung für den oberen Vinschgau, nicht nur für Langtaufers. Außerdem sollte man sich an den bestehenden Gesetzen orientieren, nicht an den Umfragen der einen oder anderen Seite.
L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia schloss sich dem an. Die Natur sei ein wertvolles Gut, aber in ihrem Zentrum stehe der Mensch. Das Land habe eine gute Hand beim Umweltschutz, habe aber auch immer den Ausgleich zwischen Umwelt und Allgemeininteresse gefunden.
Die Landesregierung teilte mit, dass die Wirtschaftskommission neu einberufen wurde. Deren Urteil warte man ab. Daher könne man dem Antrag zu diesem Zeitpunkt nicht zustimmen. Die Grünen bestanden darauf, dass ihr Antrag zielführend sei. Gesetze der Opposition kämen eh nie zum Zug. Ein Seitental könne nicht nur durch Wirtschaftsprojekte überleben, sondern auch durch Erhalt der natürlichen Umgebung, die für viele ein Anziehungspunkt sei. Der Antrag wurde mit elf Ja und 22 Nein abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 96/19: Maßnahmen zugunsten der Pflegezentren für die Vogelwelt (eingebracht vom Team Köllensperger am 29.04.2019). Der Antrag war gestern andiskutiert worden. Heute wurde eine neue Fassung vorgelegt: Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten einen Diskussionstisch mit dem Verein Crab, dem Amt für Jagd für Jagd und Fischerei und der Gemeinde Bozen einzurichten, um geeignete Lösungen zu finden. Die neue Fassung entspreche dem, was man beabsichtige, erklärte die Landesregierung. Der Antrag wurde einstimmig angenommen.
Beschlussantrag Nr. 10/18: Ökologisch nachhaltig mit Stroh: der Bau innovativer, widerstandsfähiger, umweltfreundlicher und komfortabler Häuser soll unterstützt werden (eingebracht von den Grünen am 11.12.2018). Der Antrag war im März andiskutiert worden, wurde aber von den Grünen heute in neuer Fassung vorgelegt: Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. sich in Zusammenarbeit mit KlimaHaus, IDM, und weiteren Akteuren, darunter auch den Wirtschaftsverbänden um die Verbreitung der Bauweise und Dämmung mit Stroh und anderen Naturmaterialien zu bemühen, die technischen Kenntnisse und den Forschungsstand zu entwickeln und Sensibilisierungsmaßnahmen in der Baubranche zu treffen; 2. Ausbildungskurse für Handwerker und Planer zu den Bautechniken mit Stroh anzubieten; 3. für Bauherren, die sich für dieses nachhaltige Material entscheiden, konkrete Unterstützungsmaßnahmen, auch wirtschaftlicher Natur, auszuarbeiten. Der Antrag wurde auch von den Freiheitlichen und der SVP unterstützt. Die Landesregierung stimmte den ersten beiden Punkten zu. Die ersten beiden Punkte wurden mehrheitlich genehmigt, der dritte abgelehnt.