Von: APA/dpa
Im Streit über den Versuch von US-Präsident Donald Trump, das verfassungsrechtlich verankerte Geburtsrecht einzuschränken, hat sich seine Regierung kritischen Fragen des Obersten US-Gerichts gestellt. In der Anhörung zeigten sich die Richterinnen und Richter gespalten – zwischen klarer Ablehnung und grundsätzlicher Offenheit für die Argumentation der Regierung. Auch die Vertreter der klagenden US-Staaten und Bürgerrechtsorganisationen wurden befragt.
Nach dem 14. Verfassungszusatz gilt in den USA das Geburtsortsprinzip: Alle Menschen, die auf US-Boden geboren werden und der amerikanischen Gerichtsbarkeit unterstehen, sind automatisch Staatsbürger – unabhängig vom Aufenthaltsstatus ihrer Eltern. Trump stellt dieses Prinzip infrage und will es per Dekret einschränken.
Im Mittelpunkt der Anhörung stand nicht die Verfassungsmäßigkeit des umstrittenen Dekrets, sondern die Frage, ob Bundesgerichte es landesweit vorläufig stoppen dürfen – wie in diesem Fall geschehen. Die Regierung fordert, dass solche Stopps künftig nur für direkt beteiligte Kläger gelten.
Es ist einer der bedeutendsten Fälle, mit denen sich der Supreme Court im Zusammenhang mit Trumps Politik derzeit befasst. Eine endgültige Entscheidung wird zu einem späteren Zeitpunkt erwartet.
Richterin Jackson: “Catch-me-if-you-can-Regime”
Die als konservativ geltenden Richter – insbesondere Brett Kavanaugh und Clarence Thomas – zeigten sich grundsätzlich offen für die Argumentation der Trump-Regierung. Sie stellten aber auch praktische Fragen zur Umsetzung. Kavanaugh fragte etwa: “Was sollen Krankenhäuser mit Neugeborenen tun?”
Die als liberal geltenden Richterinnen Sonia Sotomayor, Elena Kagan und Ketanji Brown Jackson äußerten hingegen deutliche Bedenken – sowohl an der Argumentation der Regierung als auch am Dekret selbst. Sotomayor betonte, das Dekret verstoße aus ihrer Sicht gegen vier Präzedenzfälle des Gerichts. Jackson sprach mit Blick auf die Argumentation der Regierung von einem “Catch-me-if-you-can-Regime”, in dem jeder Betroffene erst einen Anwalt brauche, um sich gegen rechtswidriges Handeln der Regierung zu wehren.
Eine Entscheidung des Gerichts – das seit mehreren Nachbesetzungen während Trumps erster Amtszeit politisch nach rechts gerückt ist – wird zu einem späteren Zeitpunkt erwartet. Dem Supreme Court gehören neun Mitglieder an, für eine Mehrheit sind fünf Stimmen notwendig. Als mögliche Schlüsselperson gilt Amy Coney Barrett. Die von Trump ernannte Richterin stellte kritische Nachfragen.
Dekret soll Staatsbürgerschaft manchen verweigern
Trump hatte unmittelbar nach seiner Rückkehr ins Weiße Haus ein Dekret unterzeichnet, das bestimmten Neugeborenen die Staatsbürgerschaft verweigern soll. Es betrifft Kinder, deren Mütter bei der Geburt keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus hatten oder sich nur vorübergehend legal in den USA aufhielten – etwa als Touristinnen oder Studentinnen. Voraussetzung ist außerdem, dass auch der Vater weder US-Bürger ist noch eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis hat.
Mehrere Bundesstaaten und Bürgerrechtsorganisationen klagten dagegen. Sie berufen sich auf geltende Rechtsprechung, insbesondere auf ein Urteil des Supreme Court aus dem Jahr 1898. Mehrere Bundesgerichte setzten das Dekret per einstweiliger Verfügung landesweit außer Kraft. Dabei handelt es sich um vorläufige Anordnungen, die nicht das endgültige Urteil ersetzen, aber verhindern sollen, dass ein möglicherweise verfassungswidriges Dekret in Kraft tritt, während die Klagen noch laufen.
Streit um den Handlungsspielraum der Gerichte
Weitreichende Eingriffe unterer Gerichte haben in der Vergangenheit immer wieder für Streit gesorgt – auch unter Trumps demokratischem Amtsvorgänger Joe Biden. Sollte das Gericht landesweite Stopps von Dekreten kippen, warnen Kritiker, dass selbst offensichtlich verfassungswidrige Maßnahmen zumindest vorübergehend umgesetzt werden könnten.
Auch Trumps Dekret zum Geburtsrecht könnte dann zunächst in Kraft treten – zumindest für alle, die nicht selbst dagegen klagen. Es könnte den Kritikern zufolge außerdem zu einem rechtlichen Flickenteppich kommen, in dem je nach US-Staat unterschiedliche Regeln gelten.
Trump kommentiert bei Truth Social
Der US-Präsident hatte bei der Unterzeichnung des Dekrets selbst eingeräumt, dass sein Plan scheitern könnte. Er glaube aber, eine solide rechtliche Grundlage zu haben. Unterstützung erhält er aus konservativen Kreisen, die das Geburtsortsprinzip seit Jahren infrage stellen.
Kurz vor Beginn der Anhörung schrieb Trump auf seiner Plattform Truth Social, das Geburtsrecht sei ursprünglich für die Kinder von Sklaven gedacht gewesen – nicht für Menschen, die in den USA Urlaub machten, oder für Migranten aus Lateinamerika, die es ausnutzten. Er behauptete außerdem, die USA seien das einzige Land mit einer solchen Regelung. “Bitte erklärt das dem Supreme Court”, schrieb er.
Beide Behauptungen sind allerdings irreführend: Zwar wurde der 14. Verfassungszusatz 1868 im Zusammenhang mit der Abschaffung der Sklaverei verabschiedet, seine Bedeutung reicht aber spätestens seit dem Grundsatzurteil von 1898 deutlich darüber hinaus. Auch international ist das Geburtsortsprinzip keine amerikanische Besonderheit.
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