Von: mk
Bozen – Vor 20 Jahren wurde die Zuständigkeit für Südtirols Straßen ins Land geholt und so diesen „Grundstein des Fortschritts“ vorantreiben.
Am heutigen 5. September begeht Südtirol den Tag der Autonomie. Ein erster Festakt hat am heutigen Vormittag auf dem neu gestalteten Silvius-Magnago-Platz stattgefunden. Obwohl der Platz noch nicht fertig gestaltet wurde, ist er nunmehr für die Bevölkerung zugänglich. Zur Feier gekommen waren neben den Mitgliedern der Landesregierung unter anderen der Altlandeshauptmann, Bozens Bürgermeister und der Rektor der Freien Universität Bozen.
An diesem Tag vor 72 Jahren unterzeichneten der österreichische Außenminister Karl Gruber und der italienische Ministerpräsident Alcide Degasperi das Gruber-Degasperi-Abkommen, auch als Pariser Vertrag bekannt. “Dieses besondere Ereignis soll die Südtiroler Bevölkerung auch an die Bedeutung von Solidarität erinnern: Die Bereitschaft, das durch die Autonomie erworbene Know-how als Modell an andere weiterzutragen. Ein starker Solidaritätssinn sowie der Sinn für die territoriale Zugehörigkeit sind Eigenschaften, die in der Südtiroler Bevölkerung stark verankert sind”, heißt es dazu auf der Webseite zum Tag der Autonomie. Diesen Webseiten können auch die wichtigsten Etappen der Südtiroler Autonomie entnommen werden.
Im Vordergrund stand heute vor allem der runde Geburtstag der Zuständigkeit für die Straßen: Seit 20 Jahren ist das Land Südtirol für sämtliche Landes- und Staatsstraßen verantwortlich und hat sich ein entsprechendes Know-how angeeignet. Der Mobilitätslandesrat nannte dies in seiner Rede „einen Coup für Südtirol“.
Der Landeshauptmann, der in seiner Festrede die Leistungen des Altlandeshauptmanns in diesem Zusammenhang hervorhob, nannte auch ein paar interessante Ziffern: Vor 20 Jahren investierte die damals zuständige italienische Straßenverwaltung Anas 45 Millionen Euro im Jahr in Südtirols Straßen. Dies war auch der Betrag, den Südtirol vom Staat jährlich als Unkostenbeitrag für die neue Zuständigkeit erhielt. In 20 Jahren entspricht das 900 Millionen Euro. Tatsächlich investiert hat das Land Südtirol aber in dieser Zeit insgesamt 2,3 Milliarden Euro. In einem Zeitraum von nur 9 Monaten und einer Woche sei es damals Südtirols Straßendienst gelungen, 43 Prozent zusätzliche Straßen erfolgreich zu betreuen. Insgesamt seien die Straßen Südtirols sehr gut verwaltet – Tunnels und Brücken seien gut gewartet und sicher. Der Mobilitätslandesrat ging weiter darauf ein, dass Straßen, die Gebiete an die großen Verkehrswege anbinden, ein Grundstein des Fortschritts darstellen.
Der Altlandeshauptmann hat in seiner Rede darauf hingewiesen, dass die Autonomie von der Bevölkerung nicht als etwas Losgelöstes, Getrenntes anzusehen sei. Sie bringe den Südtirolern vielmehr konkrete Vorteile, weil Probleme in den verschiedenen Bereichen direkt gelöst werden können.
Ein optisches Highlight bildeten bei der Feier die mehr als 300 Straßenwärter mit ihren leuchtend orangen Westen. Es waren jene, die in den vergangenen beiden Jahrzehnten für den Zustand von Südtirols Straßen Sorge getragen haben. Ihnen galt der Dank aller Festredner. Denn das Personal war damals entscheidend für das Gelingen der Übernahme der Straßen. 200 Straßenwärter gingen 1998 vom Staatsdienst in den Landesdienst über, wie der Direktor des Ressorts Denkmalpflege, Museen, Verkehrsnetz und Mobilität sagte. Auch 94 Anas-Häuser wurden vom Land übernommen, von 150 Tunnels mit einer Länge von insgesamt 28 Kilometern seien es heute 206 Tunnel mit einer Länge von 64 Kilometern. Die Anzahl der Brücken habe sich von 750 auf 1.662 mehr als verdoppelt.
Zwei Ausstellungen eröffnet
Heute wurden zudem zwei Ausstellungen zum Thema „20 Jahre Kompetenz Straßen“ eröffnet: eine auf dem Silvius-Magnago-Platz, eine im Innenhof des Landhauses 1. Ein Parcours zeigt den Besuchern die wichtigsten Bauwerke der vergangenen zwei Jahrzehnte. Auch ein Blick in die Zukunft wird gewagt. Zu sehen sind Straßenwärter-Puppen sowie Modelle und Bauvorhaben der Abteilung Tiefbau. Außerdem werden vier Filme gezeigt, welche die Umfahrungen in Meran und Leifers, den Kreisverkehr in Lana sowie die Realisierung der Brücke in St. Andrä zeigen. Besonders spannend ist die Liveübertragung der Tunnelbetriebswarte zahlreicher Tunnels in Südtirol. Beide Ausstellungen sind für die Öffentlichkeit zugänglich und kostenlos. Näheres ist ebenso den Webseiten zum Tag der Autonomie zu entnehmen.
Zum Silvius-Magnago-Platz
Um einen engen Bezug des Platzes zum Territorium und zur Bevölkerung herzustellen, wurden in die verschiedenen Gestaltungselemente des neuen Silvius-Magnago-Platz lokale Natursteine eingearbeitet. Im Besonderen wurden für die drei vorgesehenen Totems unterschiedliche Natursteine verwendet, die aus den drei geologischen Zonen des Landes (Südalpin, Ostalpin, Penninikum) stammen. Diese sollten sowohl die Vielfältigkeit des Territoriums widerspiegeln, als auch auf die drei Sprachgruppen aufmerksam machen, die in diesem Land zusammenleben. Der Laurin-Brunnen wird im Bereich des Einganges zum Platz neu positioniert.
Reaktionen – Hochgruber Kuenzer: „Autonomie ist Hauptstraße und tragende Brücke“
Maria Hochgruber Kuenzer, Mitglied des Präsidiums und Abgeordnete des Südtiroler Landtags, nennt den 5. September „einen Feiertag für unsere Heimat Südtirol – in unseren Schulen zum heutigen Schulbeginn und auf unseren Straßen, die uns Brücken zu unseren Nachbarn bauen.“
Mit dem „Gruber-De Gasperi-Abkommen“ sei der deutsch- und ladinischsprachigen Bevölkerung in Südtirol das Recht auf ihre Kultur und auf ihre Sprache garantiert worden. Dieses wurde mit dem zweiten Autonomiestatut am 10. Jänner 1972 mit dem Proporz dann auch geregelt.
„Unseren 93.000 Kinder und Jugendliche, für die heute das Schuljahr beginnt, sollten wir alle zusammen – besonders Eltern und Lehrpersonen – den Blick auf ihre Sprachkompetenzen lenken. Die Muttersprache ist für jeden Menschen das höchste Gut für die Identität des eigenen Seins. Auf unsere Muttersprache können wir Deutschsprachigen und Ladiner hier in Südtirol besonders stolz sein, da wir uns das Recht erkämpfen und erstreiten mussten, sie in der Schule und im öffentlichen Leben zu verwenden. Die Südtiroler Autonomie hat sich zum Vorteil aller Südtiroler entwickelt: Wir pflegen aus der Grenzsituation unseres Landes heraus viel leichter die Kontakte zu unseren Nachbarn Österreich, Schweiz und eben auch zu den italienischen Provinzen Trentino und Belluno“, so die SVP-Landtagsabgeordnete.
Das sei einerseits gelungen, weil die Befriedung aller Sprachgruppen im Südtirol gelungen sei, andererseits aber auch dank der Mehrsprachigkeit. Die Kenntnis der jeweils anderen Sprache müsse ein Auftrag sein. „Es ist aber auch unser Reichtum, der uns in die Rolle bringt, Brücken zu bauen“, erklärt die Abgeordnete.
Jede einzelnen Initiative, die von der Europaregion Tirol umgesetzt wird, freue sie, erklärte Kuenzer. „Doch ich wünschte mir eine noch viel stärker in der Bevölkerung gefühlte Euregio. Wir sollten nachdenken, wie wir einander näher kommen.“
Viele Voraussetzungen dafür seien bereits geschaffen worden: Das Land feiere heute mit Recht das Jubiläum für die Straßenkompetenz, die vor 20 Jahren von Rom ans Land übertragen worden ist: Die Instandhaltung von aktuell 2.800 Kilometern Straße, aber auch die Instandhaltung der circa 1.700 Brücken gehören zu dieser Zuständigkeit.
„Der Straßendienst ist genauso handfest und konkret wie für mich zugleich eine symbolträchtige Zuständigkeit: Verbindungswege führen immer auch zu Freiheit und Weite. Unsere Autonomie ist Hauptstraße und tragende Brücke in diese Freiheit“, so die Abgeodnete.
Sie dankte außerdem den etwa 500 Straßenwärtern sowie allen anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Straßendienst, da „sie all die Jahre – und bitte auch in Zukunft – bei Wind und Wetter, Tag und Nacht mit ihrer hohen Fachkompetenz ständig für uns alle im Einsatz sind“.
Dass Südtirol zwar zuständig für die Straßen ist, diese aber dem Staat gehören, sollte laut Kuenzer auf politischer Ebene geändert werden. „Gleich nach den Wahlen“ sollten dazu „Verhandlungen“ aufgenommen werden.
Leitner: „Tag der Autonomie – nur noch eine Schablone?“
Ohne Zweifel könne man die Autonomie Südtirols insgesamt als Erfolgsgeschichte bezeichnen, räumt auch der Ehrenobmann der Freiheitlichen, Pius Leitner, ein. Viele Menschen hätten sich dafür bleibende Verdienste erworben, angefangen bei Politikern wie Magnago, Brugger, Benedikter, Dietl u. a. über die Freiheitskämpfer der 60-er Jahre bis zum heutigen Tag.
„Es wurde die Grundlage für eine friedliche Entwicklung gelegt, für den wirtschaftlichen Erfolg zeichnet in erster Linie der Fleiß der Menschen verantwortlich. Klar ist aber auch, dass unsere Autonomie keinen Ersatz für die Selbstbestimmung, sondern höchstens die zweitbeste Lösung darstellt. Dass die Autonomie nicht das Ende unserer Geschichte sein kann, belegt eindrucksvoll die Entwicklung in Europa in den letzten Jahrzehnten. Entscheidend wird dabei sein, dass wir uns mittelfristig nicht nur aufs Verwalten (und Verteidigen) beschränken, sondern dass wir offensiv gestalten wollen“, so Leitner. Nachdenken über die Autonomie hinaus bedeute nicht “zündeln” oder “hetzen”, sondern bewusst Verantwortung übernehmen.
Die Autonomie Südtirols müsse heute aus dem Blickwinkel der europäischen Entwicklung betrachtet werden. „Offene Außengrenzen der EU haben bewirkt, dass ein unkontrollierter Zuzug von Menschen aus kulturfremden Ländern mit all ihren Folgen die Gesellschaften in den Mitgliedsländern der EU gespalten hat. Es ist bedenklich, wenn nun nicht die handelnden Politiker zur Verantwortung gezogen werden, sondern wenn Menschen ausgegrenzt werden, die sich gegen Missstände wehren. Der Zuzug von Menschen aus dem Ausland hat gerade für das Autonomiegefüge Südtirols bedeutsame Auswirkungen; man denke nur an die sensiblen Bereiche von Proporz und Zweisprachigkeit bzw. an die Veränderung der ethnischen Zusammensetzung. Der hart errungene friedliche Ausgleich steht auf dem Spiel“, meint Leitner.
Angesichts der desolaten Wirtschaftslage in Italien und insbesondere der ausufernden Schuldenlast sei es für Südtirol ein Gebot der Stunde, sich über einen eigenständigen Weg Gedanken zu machen. „Südtirol ist seit über 15 Jahren Nettozahler und ohne Zweifel in der Lage, sein Schicksal selber in die Hand zu nehmen. Gleichzeitig muss klar sein, dass jedes politische Projekt der Zustimmung aller drei Volksgruppen bedarf – wie es übrigens auch die Streitbeilegung des Jahres 1992 vor der UNO vorsieht. Zudem ist es für Südtirol wichtig, auch künftig die Schutzmacht Österreich an seiner Seite zu wissen. Der alljährliche ‚Tag der Autonomie‘ darf nicht zu einer Schablone des Gedenkens verkommen, er muss immer auch ein Nachdenken über den zukünftigen Weg sein“, erklärt Leitner abschließend.
Plattform Heimat: Vom Minderheitenschutz zur Selbstverwaltung
„Der 5. September, der Tag der Unterzeichnung des Gruber-De-Gasperi-Abkommens vor nunmehr 72 Jahren, erinnert uns an die Grundlage unserer Autonomie und der darauf aufbauenden Errungenschaften in Südtirol“ so Michael Epp, Sprecher der Plattform Heimat der SVP. „Für viele von uns handelt es sich dabei um eine Selbstverständlichkeit. Es fehlt oft das Bewusstsein, dass der heutige Stand unserer Autonomie hart erkämpft ist und dass wir wachsam sein müssen, unsere Rechte in diesem Staat zu verteidigen, und dass es Zusammenhalt und Durchsetzungsvermögen braucht, unsere Eigenständigkeit weiter auszubauen“, so Epp.
Mit diesen Eigenschaften habe man auch in den schwierigen Jahrzehnten der Autonomiegeschichte Vieles erreicht und seit Erlass des Zweiten Autonomiestatuts konnten viele Kompetenzen von Rom nach Südtirol geholt werden. Dafür gelte allen, die das unterstützt und daran mitgearbeitet haben, große Anerkennung, nicht zuletzt den Landeshauptleuten.
„Zuletzt wurde die Sonderstellung Südtirols in den Jahren der Wirtschafts- und Finanzkrise und mit der Regierung Monti immer wieder angegriffen, und besonders aus Sicht der Minderheiten erleben wir auch derzeit in Italien und in Europa besorgniserregende Entwicklungen. Umso mehr muss anerkannt werden, dass in den letzten fünf Jahren mit dem Finanzabkommen und dem Erlass von 18 Durchführungsbestimmungen große Fortschritte für die Eigenständigkeit unseres Landes erzielt wurden. Dafür gilt unserem Landeshauptmann Arno Kompatscher und unseren politischen Vertretern in Rom Anerkennung. Ich wünsche mir, dass wir Südtirolerinnen und Südtiroler uns wieder mehr auf die Vorzüge unserer Autonomie besinnen und sie auch zu schätzen wissen. Diese und somit unsere Eigenständigkeit stetig zu verteidigen und auszubauen, heißt unserer Heimat Südtirol zu dienen“, so Epp abschließend.