Von: APA/dpa/AFP
Das Verfassungsgericht in Thailand hat auf Druck konservativer Kräfte die Auflösung der progressiven Move-Forward-Partei angeordnet. Die stärkste Oppositionspartei gefährde die Monarchie, urteilten die Richter. Der einstige Spitzenkandidat Pita Limjaroenrat und weitere führende Mitglieder dürften zudem in den kommenden zehn Jahren keine politischen Ämter ausüben, hieß es. Move Forward hatte 2023 die Parlamentswahl klar gewonnen, kam aber dennoch nicht an die Macht.
Das Verfassungsgericht in Thailand hatte sich auf Antrag der Wahlkommission mit dem Fall befasst. Diese wollte wissen, ob die Partei sich verfassungswidrig dafür eingesetzt habe, ein äußerst strenges Gesetz zur Majestätsbeleidigung zu entschärfen, das bei Zuwiderhandeln bis zu 15 Jahre Haft vorsieht. Dieses Wahlversprechen war auf heftigen Widerstand in konservativen, militärischen und pro-royalistischen Kreisen getroffen. Mehrere Parteien verweigerten die Zusammenarbeit mit der MFP und stellten sich explizit gegen Parteichef Pita als Regierungschef. Daraufhin übernahm die zweitplatzierte Pheu-Thai-Partei die Bildung einer Regierung.
Von der EU kam scharfe Kritik an der Parteiauflösung. Die Entscheidung stelle einen Rückschlag für den politischen Pluralismus in Thailand dar, sagte eine Sprecherin des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. Kein demokratisches System könne ohne eine Vielfalt an Parteien und Kandidaten funktionieren. Die Sprecherin verwies zudem darauf, dass die Move-Forward-Partei bei den Parlamentswahlen im Mai 2023 von insgesamt 39 Millionen Stimmen mehr als 14 Millionen Stimmen geholt habe und damit stärkste politische Kraft gewesen sei.
Für politische Beobachter und die Partei selbst kommt das Urteil kaum überraschend. Schon vor Tagen hatte Move Forward mitgeteilt, dass die Partei bereits zu einer wichtigen politischen Institution geworden sei, die auch im Falle einer Auflösung nicht verstummen werde: “Die Auflösung einer politischen Partei beendet lediglich eine juristische Organisation, kann aber ihre Ideologie niemals zum Schweigen bringen”, hieß es in einem auf Facebook verbreiteten Video.
Der frühere Move-Forward-Spitzenkandidat Pita war nach dem Wahlsieg wiederholt von dem Militär nahestehenden Senatoren als Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten abgelehnt worden. Er trat bereits im September zurück. Pita war nach wochenlangen politischen Wirren vom früheren Bündnispartner Pheu Thai und deren Kandidat Srettha Thavisin ausgebootet worden, der im August vergangenen Jahres zum Regierungschef gewählt wurde und seit November im Amt ist. Move Forward war seither stärkste Oppositionskraft.
In Thailand sind Parteiverbote nicht neu: Der Vorgänger von Move Forward, Future Forward, war 2020 ebenfalls verboten worden. Häufig gründen die Mitglieder anschließend einfach eine neue Partei. So hatte der stellvertretende Parteichef Sirikanya Tansakul in dem Facebook-Video betont: “Der Geist von Future Forward und Move Forward wird erhalten bleiben, egal welchen Namen die Partei hat.”
Vor der Parlamentswahl war Pitas Beliebtheit insbesondere bei jungen Wählern sprunghaft angestiegen. Im Wahlkampf trat seine Partei unter anderem mit dem Versprechen an, Thailands Strafrecht zur Ahndung von Majestätsbeleidigung zu reformieren, das als eines der strengsten der Welt gilt. Thailands König Maha Vajiralongkorn genießt einen quasi-göttlichen Status. Kritikern zufolge werden die Gesetze jedoch missbraucht, um politische Debatten zu unterdrücken.
Im Jänner hatte Thailands Verfassungsgericht die Reformpläne der MFP als verfassungswidrig eingestuft und erklärt, diese kämen dem Versuch gleich, die konstitutionelle Monarchie zu stürzen.
Nach der Verkündung der Gerichtsentscheidung versammelten sich ein paar Dutzend Anhänger vor der Parteizentrale der MFP in Bangkok. Die 60-jährige Sakhorn Kamtalang sagte, das Gericht habe nicht das Recht, die Partei aufzulösen. “Für mich ist Pita mein Regierungschef”, betonte sie. Die 69-jährige Hua Jaidee sagte: “Gute Menschen werden am Ende immer schikaniert.”
Vor dem Urteil hatte sich der Reformpolitiker noch optimistisch gezeigt. “Wir sind sehr zuversichtlich, was die von uns vorgelegten Fakten und die Argumente über die Unrechtmäßigkeit des (…) beantragten Prozesses angeht”, sagte er am Mittwoch. “Wir hoffen, dass das Gericht die Argumente ernsthaft in Betracht zieht, und glauben, dass Rechtsstaatlichkeit in Thailand existiert.”
Der 43-jährige ehemalige Geschäftsmann war Mittwoch früh gut gelaunt im Parlament in Bangkok erschienen. Den Abgeordneten sagte er, er habe Vertrauen in die Rechtsprechung des Königreichs. Pita warnte bei seinem Auftritt im Parlament vor einer Instrumentalisierung des thailändischen Justizsystems. Er wies darauf hin, dass in den vergangenen zwei Jahrzehnten 33 Parteien aufgelöst worden seien, darunter “vier große, die vom Volk gewählt wurden”. “Die Frage ist nicht, was wir tun werden, wenn wir aufgelöst werden – dafür ist bereits gesorgt, und unsere Ideen werden überleben”, sagte Pita. Der Vorstand der MFP, die im 500 Sitze umfassenden Parlament über 148 Sitze verfügt, werde im Falle einer Auflösung der Partei ein neues Gremium bilden, sagte er.
Vielmehr gehe es nun darum, auf das “Muster der Instrumentalisierung der Justiz und unabhängigen Organe” zu achten. “Wir sollten dieses Verhalten nicht normalisieren oder akzeptieren, dass ein politisiertes Gericht als Waffe eingesetzt wird, um politische Parteien zu zerstören”, betonte der Reformpolitiker.
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