Von: APA/Reuters/dpa
Russland hat die Ukraine in der Nacht auf Sonntag und Sonntag früh mit schweren Luftangriffen überzogen. Dabei seien mehr als 40 Raketen und rund 500 Drohnen eingesetzt worden, teilte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf Telegram mit. Vier Menschen seien getötet worden. Es sei auch zu Schäden an ziviler Infrastruktur gekommen. “Moskau will den Kampf und das Töten fortsetzen und verdient von der Welt nur den härtesten Druck”, schrieb Selenskyj.
Besonders hart traf es Kiew, Luftalarm galt aber landesweit. Wegen der Angriffe schloss Polen teilweise seinen Luftraum in dem an die Ukraine grenzenden Südosten des Landes.
Russland erklärte, in der Nacht massiv ukrainische Militärinfrastruktur angegriffen zu haben. Dabei seien Militärflugplätze und andere Einrichtungen getroffen worden, teilte das Verteidigungsministerium mit. “Letzte Nacht haben die Streitkräfte der Russischen Föderation einen massiven Angriff mit hochpräzisen Langstreckenwaffen aus der Luft und See sowie unbemannten Luftfahrzeugen gegen Unternehmen des militärisch-industriellen Komplexes der Ukraine gestartet”, hieß es am Sonntag in der Erklärung.
Zwölfjährige unter den Toten
Unter den Toten war in Kiew auch ein zwölf Jahre altes Mädchen, das laut Behörden von einer Betonplatte erschlagen wurde. “Bestialische Schläge, bewusster und zielgerichteter Terror gegen gewöhnliche Städte – fast 500 Kampfdrohnen und über 40 Raketen, darunter (die Hyperschallrakete) ‘Kinschal'”, schrieb der ukrainische Staatschef in sozialen Netzwerken. Der Angriff dauerte demnach gut zwölf Stunden.
Landesweit gab es Innenminister Ihor Klymenko zufolge mehr als 70 Verletzte, mehr als 100 zivile Objekte wurde beschädigt. Hauptziel waren nach Angaben Selenskyjs die Hauptstadt Kiew und das Umland, dazu die Gebiete Saporischschja, Chmelnyzkyj, Sumy, Mykolajiw, Tschernihiw und Odessa. “Infolge des Beschusses wurde in der Hauptstadt das Gebäude des Instituts für Kardiologie beschädigt”, teilte er mit. Laut Minister Klymenko starben dort eine Krankenschwester und ein Patient. Selenskyj rief dazu auf, jegliche Importe aus Russland einzustellen, und kündigte Gegenschläge an, um Moskau zur Diplomatie zu zwingen.
Dagegen warf Kreml-Sprecher Dmitri Peskow Selenskyj im russischen Staatsfernsehen einmal mehr vor, kein Interesse an Friedensverhandlungen zu haben. Er inszeniere sich vielmehr als “tapferer Kämpfer”, um die EU zur weiteren Finanzierung des Krieges zu drängen. Russland will mit den Luftschlägen auch den Druck auf die Führung in Kiew erhöhen, sich auf Moskaus Bedingungen für ein Kriegsende einzulassen. Kiew lehnt eine Kapitulation ab.
Polnische Jets wieder in der Luft
Das EU- und NATO-Land Polen ließ während der russischen Luftschläge gegen die Ukraine Kampfjets der eigenen Luftwaffe und der Alliierten aufsteigen, wie das Oberkommando der Streitkräfte bekannt gab. Dies ist bereits seit vielen Monaten Routine. Seit einigen Wochen wird in diesen Fällen auch die Flugabwehr in Bereitschaft gesetzt.
Gegen 8.00 Uhr früh informierte das Oberkommando auf der Plattform X darüber, dass die Aktion beendet sei. Russland habe den polnischen Luftraum nicht verletzt, hieß es. Polens Armee bedankte sich bei der niederländischen Luftwaffe, die mit ihren F-35 Kampfjets beteiligt waren. “Wir bedanken uns auch bei der Bundeswehr für ihr Engagement und ihre Unterstützung mit den Patriot-Systemen, die die Bewachung des polnischen Luftraums verstärkt haben”, hieß es.
Hunderte Drohnen und fast fünfzig Raketen eingesetzt
Die ukrainische Luftwaffe führte in ihrer bei Telegram veröffentlichten Statistik insgesamt fast 600 eingesetzte russische Drohnen auf. 95 Prozent davon seien abgefangen worden. Von 46 luft-und seegestützten russischen Marschflugkörpern seien wiederum 93 Prozent abgeschossen worden. Dabei sei jedoch keine der beiden Kinschal-Hyperschallraketen abgefangen worden. Militärbeobachter hatten in der Nacht den Militärflughafen Starokostjantyniw im westukrainischen Gebiet Chmelnyzkyj als mutmaßliches Ziel benannt.
Insgesamt gab es den Angaben zufolge Einschläge von fünf Raketen und 31 Kampfdrohnen an 16 Zielorten. An 25 weiteren Stellen seien Trümmer abgeschossener Raketen und Drohnen abgestürzt. Die Ukraine wehrt sich mit westlicher Hilfe seit mehr als dreieinhalb Jahren gegen eine russische Invasion.



