Von: APA/dpa/Reuters/AFP
Die Ukraine erhält für ihren Abwehrkampf gegen den russischen Angriffskrieg nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj noch in diesem Jahr Hunderttausende Drohnen. Mit einer US-Firma sei die verstärkte Produktion vereinbart worden. Russland griff zuletzt mit Dutzenden Kampfdrohnen Ziele in der Ukraine an. “Dadurch wird die Ukraine in diesem Jahr Hunderttausende weiterer Drohnen zu Sonderkonditionen erhalten – und im nächsten Jahr noch viel mehr”, sagte Selenskyj in Kiew.
Selenskyj sagte weiters in seiner abendlichen Videobotschaft am Samstag, Priorität hätten dabei Abfangdrohnen. Er sagte auch, dass die Ukraine mit Dänemark ein Abkommen über die gemeinsame Waffenproduktion unterzeichnet habe. “Wir werden auf dem Territorium Dänemarks arbeiten”, sagte er. Es sei die erste Vereinbarung dieser Art; weitere derartige Abkommen sollen folgen. “Das gilt für Drohnen und viele andere notwendige Waffentypen.”
Ukraine will Russland den “Appetit zu töten” nehmen
Zu einem auf der Plattform X veröffentlichten Videoclip drohte Selenskyj weitere Schläge mit weitreichenden Waffen gegen Militärobjekte tief im Landesinneren Russlands an. In dem Video wird über bisherige Angriffe auf russische Rüstungsbetriebe, Luftwaffenbasen und Ölraffinerien berichtet. So solle Russlands “Appetit zu töten” gezügelt werden.
Guterres verurteilt Eskalation durch Russland
UNO-Generalsekretär António Guterres hat die jüngste dramatische Verschärfung der russischen Luftangriffe auf die Ukraine verurteilt. Guterres sei “alarmiert von dieser gefährlichen Eskalation und der wachsenden Zahl ziviler Opfer”, erklärte am Samstag dessen Sprecher Stéphane Dujarric. US-Präsident Donald Trump hatte zuvor angedeutet, dass er zu strikteren US-Sanktionen gegen Russland bereit sein könnte. Russland griff mit Dutzenden Kampfdrohnen Ziele in der Ukraine an.
Im südukrainischen Gebiet Cherson wurden nach Angaben von Gouverneur Olexander Prokudin auch Wohngebiete beschossen und mehrere Gebäude beschädigt. Dabei seien elf Menschen verletzt worden, schrieb Prokudin auf Telegram. In der ostukrainischen Stadt Tschuhujiw wurden bei einem Drohnenangriff mindestens drei Menschen verletzt, darunter ein zwölfjähriger Bub, so Militärgouverneur Oleh Synjehubow.
In der Stadt Kupjansk seien zudem zwei Menschen verletzt worden. In Cherson seien eine Gaspipeline, eine Tankstelle, eine Autowerkstatt und private Fahrzeuge zu Schaden gekommen. Auch aus der Hauptstadt Kiew gab es am Abend und in der Nacht auf Samstag wieder Berichte über Flugabwehrfeuer. Medienberichten zufolge suchten erneut etliche Menschen Zuflucht in U-Bahnschächten und anderen Schutzräumen. In weiten Teilen des Landes gab es immer wieder Luftalarm, darunter im grenznahen Gebiet Sumy im Norden, in Donezk und Charkiw im Osten sowie Dnipro und Saporischschja im Südosten.
Ukrainische Drohnen attackieren Ziele in Russland
Die Ukraine griff ihrerseits Ziele in Russland an. Die russische Luftwaffe hat nach Behördenangaben vier ukrainische Drohnen mit Ziel Moskau abgeschossen. Die russische Flugaufsicht erklärte, Starts am Moskauer Flughafen Scheremetjewo seien am Samstag vorübergehend ausgesetzt worden. Im Gebiet Rostow und im Gebiet Smolensk wurden offiziellen Angaben zufolge feindliche Drohnen abgefangen. Das ukrainische Militär griff nach eigenen Angaben den russischen Militärflugplatz Borisoglebsk in der Region Woronesch an. Dabei seien ein Lager für Gleitbomben und ein Schulungsflugzeug getroffen worden. Wahrscheinlich seien auch weitere Flugzeuge getroffen worden. “Dieser Flugplatz ist der Heimatstützpunkt feindlicher Su-34-, Su-35S- und Su-30SM-Flugzeuge.”
Selenskyj und Trump telefonieren zu Waffenlieferungen
Vor dem Hintergrund eines Teilstopps amerikanischer Waffenlieferungen telefonierte Selenskyj unterdessen mit US-Präsident Donald Trump. “Wir haben über Möglichkeiten für die Flugabwehr gesprochen und vereinbart, dass wir an einem besseren Schutz des Luftraums arbeiten werden”, schrieb der ukrainische Staatschef bei Telegram.
Zudem habe man “detailliert” über die Kapazitäten der Rüstungsindustrie und gemeinsame Produktionen gesprochen. Selenskyj bezeichnete das Gespräch als “wichtig und nützlich”. Ob die seit einigen Tagen zurückgehaltenen Waffen nun geliefert werden, sagte er nicht. Vor wenigen Tagen hatte das Pentagon mit der Begründung einer Bestandsrevision bereits vereinbarte Waffenlieferungen an die von Russland angegriffene Ukraine zurückgehalten. Dabei ging es nach Medienberichten auch um für die ukrainische Flugabwehr wichtige Patriot-Raketen.
Trump seinerseits sagte, die Ukraine werde weitere Patriot-Flugabwehrraketen benötigen. “Sie werden sie zur Verteidigung brauchen”, sagte Trump nach seinem Telefonat mit Selenskyj. “Sie werden etwas brauchen, denn sie werden ziemlich hart getroffen.” Trump lobt die Wirksamkeit der Patriot-Raketen und nannte sie “einfach unglaublich”. Eine mit den Inhalten des Gesprächs vertraute Person sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die Lieferungen von Patriot-Raketen könnten nach dem “sehr guten” Gespräch zwischen den Präsidenten wieder aufgenommen werden.
Die Ukraine wehrt sich seit mehr als drei Jahren gegen einen russischen Angriffskrieg und drängt die westlichen Verbündeten aufgrund konzentrierter Luftangriffe verstärkt zur Lieferung neuer Flugabwehrsysteme.
Trump “sehr unglücklich” über Telefonat mit Putin
Trump zeigte sich “sehr unglücklich” über sein jüngstes Telefonat mit Kreml-Chef Wladimir Putin gezeigt und deutete seine Bereitschaft zur Verschärfung der Sanktionen gegen Russland an. Putin wolle aufs Ganze gehen, “einfach weiter Menschen töten, das ist nicht gut”, sagte Trump am Freitag im Gespräch mit Journalisten an Bord der Präsidentenmaschine Air Force One. Er meinte: “Wir sprechen viel über Sanktionen”. Mit Blick auf Putin fügte Trump hinzu: “Er versteht, dass sie (die Sanktionen) kommen könnten.”
In den bisherigen knapp sechs Monaten seiner Amtszeit hatte Trump noch auf die Verhängung neuer Strafmaßnahmen gegen Moskau wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine verzichtet. Vielmehr hatte er sich Moskau angenähert und eine distanzierte Haltung gegenüber der Ukraine eingenommen.
Ukrainischer General warnt vor russischer Offensive im Nordosten
Der ukrainische Oberbefehlshaber Oleksandr Syrskyj warnte vor einer möglichen neuen Offensive Russlands in der Region Charkiw im Nordosten des Landes. “Die Russen versuchen, mit ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit Druck auszuüben”, schreibt Syrskyj auf dem Nachrichtenportal Telegram. “Aber wir müssen bereit sein und mit geeigneten taktischen und technologischen Lösungen verhindern, dass die Russen vorrücken.” Die Region Charkiw ist seit der russischen Invasion im Jahr 2022 schwer umkämpft. Zuletzt waren die russischen Truppen stetig an mehreren Abschnitten der Front vorgerückt. Sie sind inzwischen auch in die nördlich gelegene Region Sumy vorgedrungen.
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