Gleichstellungsrätin nimmt zu Schulstart Stellung

Verkürzte Bildungs- und Betreuungsangebote mit weitreichenden Folgen

Montag, 06. Juli 2020 | 10:48 Uhr

Bozen – In den letzten Wochen sind die Pläne für den Unterricht im Herbst offengelegt worden. Das Ampelsystem mit drei möglichen Varianten trägt verschiedenen Szenarien Rechnung. Das gelbe, das wahrscheinlichste, sieht Schule unter besonderen Sicherheitsmaßnahmen vor, unter anderem die Streichung des Nachmittagsunterrichtes und des Mensadienstes.

Für berufstätige Eltern, die langfristig planen müssen, sei das Szenario besorgniserregend. „Besonders für Frauen, die größtenteils Familienarbeit und Kinderbetreuung leisten, auch wenn sie erwerbstätig sind, wird dies weitreichende Konsequenzen haben“, so Gleichstellungsrätin Michela Morandini. Die Corona-Krise habe gezeigt, auf welch schwachen Beinen die berufliche Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern steht. „Das Wegfallen von Bildungs- und Betreuungsangebote trifft vor allem Frauen“, unterstreicht Morandini. Solange Familienarbeit und Kinderbetreuung von Frauen übernommen werden, tragen diese auch die Folgen am Arbeitsmarkt. Sie sind verstärkt von prekären Arbeitsverträgen betroffen, arbeiten in erhöhtem Maße in Teilzeit, erleiden dadurch Einbußen in der Sozial- und Rentenabsicherung und haben ein erhöhtes Risiko, von Altersarmut betroffen zu sein. Klingt nach einem Teufelskreis. „Stimmt”, sagt Morandini. „Umso mehr spitzt sich die Situation zu, wenn Betreuungs- und Bildungsangebote wegbrechen oder eingeschränkt werden.“

Weibliche Erwerbstätigkeit ist eben nur dann möglich, wenn funktionierende Bildungs- und Betreuungssysteme zur Verfügung stehen. Besonders berücksichtigt werden muss dabei die Situation von Alleinerziehenden oder Personen, die kein soziales Netzwerk haben, das die Betreuung übernehmen kann. Jenen, die es sich leisten können oder wollen, bleibt oftmals die Kündigung. Beim großen Rest, bei jenen, die auf den Erwerbslohn angewiesen sind, ergeben sich oftmals schwierige bis konfliktreiche Situationen am Arbeitsplatz, da die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zur Unvereinbarkeit wird. Das Wegbrechen von Bildungsangeboten hat auch für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber weitreichende Folgen. Diese müssen langfristig mit der Anwesenheit der Arbeitnehmerinnen rechnen können. Will man die Wirtschaft ankurbeln, braucht es Arbeitskraft. Fehlt diese, wird es schwierig. All dies zeigt auf, wie weitreichend die Folgen bei fehlenden Bildungs- und Betreuungsangeboten sind. Fehlt ein Rädchen, kommt das gesamte System ins Wanken.

Die Diskussion um den Start der Schule im Herbst hat ein weiteres Problem sichtbar gemacht: Der Mangel an Lehrpersonen und ausgebildetem Personal. Dies hängt wohl unter anderem mit der Attraktivität des Berufes zusammen. Auch hier hat die Corona-Krise ein Vergrößerungsglas auf ein bereits seit langem bestehendes Thema gesetzt. Dem wird man sich in den nächsten Jahren wohl oder übel stellen müssen. „Das Thema ist komplex, Sicherheitsmaßnahmen haben natürlich Vorrang, allerdings muss klar sein, dass Bildungsangebote gewährleistet werden müssen, damit die Folgen für alle Betroffene nicht zu hoch sind“, schließt Gleichstellungsrätin Morandini.

Von: mk

Bezirk: Bozen