Von: luk
Bozen – Die Gemeinde Bozen stimmt für die Umnutzung eines Stücks nahezu unberührte Natur in Weinacker – trotz mehrerer negativer Fachgutachten, einschließlich jenes des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz. Jetzt liegt der Ball beim Landeshauptmann und seinem Regierungsteam. Der Dachverband appelliert daher an die Landesregierung, sich “gegen die Gemeinde Bozen und für die Artenvielfalt zu entscheiden”.
Im Frühsommer 2019 haben der Landeshauptmann Arno Kompatscher, der Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler sowie die zuständige Landesrätin für Landschaftsschutz Maria Hochgruber Kuenzer in einer gemeinsamen Pressekonferenz angekündigt, dass das Land Südtirol weiterhin und künftig noch stärker auf das Thema Artenvielfalt setzen werde. „Südtirol dürfe und wolle nicht nur für einen Slogan das Land der Artenvielfalt sein, sondern dies müsse langfristig und allumfassend gefestigt werden“, teilte das Landespresseamt mit. „Wir setzen daher voll und ganz unsere Hoffnung in die Landesregierung, dass sie an der Vision von Südtirol als Land der Artenvielfalt festhalten wird“, so Josef Oberhofer, Präsident von Südtirols größter Umweltorganisation. Die Landesregierung muss jetzt über die von der Gemeinde Bozen angestrebte Umwidmung entscheiden, zumal die Fachkommission des Landes – der unter anderem die Forstbehörde und der Landschaftsschutz angehört – ein negatives Gutachten abgegeben hat.
„Angesicht des allgemein bekannten Artensterbens und der vorliegenden negativen Stellungnahmen ist die Entscheidung der Gemeinde Bozen absolut unverständlich und verantwortungslos“, so Oberhofer. “Heute liegt die Rate des Artensterbens etwa hundertmal höher als im Durchschnitt der letzten zehn Millionen Jahre: Rund 25 Prozent der Tier- und Pflanzenarten sind betroffen.”
Beim von der Umwidmung betroffenen Grundstück handelt es sich um eine recht steile, relativ unzugängliche und nahezu unberührte Fläche oberhalb der Autobahnausfahrt Bozen Nord. “Inmitten großer landwirtschaftlicher Flächen hat dieses Stück Natur einen unschätzbarem ökologischen Wert. Vor rund 100 Jahren wurde dort das Ausbruchmaterial des Kraftwerks Kardaun abgelagert. Seitdem konnte sich die Natur im schwer zugänglichen Gelände ungestört entfalten. Unter anderem hat dort die Rotflügelige Ödlandschrecke ihr Habitat. Sie steht nicht nur als stark gefährdete Art auf der Roten Liste, sondern ist auch durch das Südtiroler Naturschutzgesetz vollkommen geschützt“, so Madeleine Rohrer, Geschäftsführerin des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz.
Daher hat auch der Dachverband die Gemeinde Bozen mit einer Stellungnahme aufgefordert, von der Umwidmung abzusehen und dieses besondere Stück Natur zu bewahren. „Denn eine Gemeinde hat die moralische Pflicht, Naturschutz und Landwirtschaft nicht gegeneinander auszuspielen und alles daran zu setzen, um ein vom Aussterben bedrohtes Tier oder eine gefährdete Pflanze zu schützen“, so Rohrer.
„Landwirtschaft, Gewässer, Forstwirtschaft, Wildtiere, geschützte Lebensräume, Gemeinden – diese Bereiche, aber auch weitere mehr, sind Kernbereiche der Artenvielfalt. Man sei sich der Verantwortung und der Herausforderungen dieses umfassenden Themas bewusst“, sagten 2019 der Landeshauptmann und die beiden Landesräte. Oberhofer und Rohrer sind daher zuversichtlich, dass die Landesregierung mit ihrem Beschluss beweisen wird, dass Südtirol ein Land der Artenvielfalt ist.