Von: mk
Bozen – Der öffentliche und soziale Wohnbau ist in Südtirol derzeit vom LG Nr. 13/1998 geregelt. Daneben enthält das LG 9/2018 „Raum und Landschaft“ wichtige Verfügungen zum Wohnbau, etwa zur Aufteilung des Baugrundes. „Seit mindestens acht Jahren spricht die Landesregierung von einer nötigen Wohnbaureform in Südtirol“, erklärten die Landtagsabgeordneten der Grünen, Brigitte Foppa, Riccardo Dello Sbarba und Hanspeter Staffler bei einer Pressekonferenz. Dass die Reform notwendig ist, besage die allgemeine Wahrnehmung. Eine Mietwohnung zu finden, sei ein Ding der Unmöglichkeit, eine Wohnung zu kaufen eine Sache für Wohlhabende. Der Anteil der Kosten für das Wohnen im Verhältnis zu den Familienausgaben betrage in Südtirol sagenhafte 41 Prozent. In den letzten 20 Jahren sei dieser Wert um elf Prozent angestiegen.
„Zuerst versprach Landesrat Tommasini jährlich für das jeweils künftige Jahr die anstehende Reform, seit 2019 ist es Landesrätin Deeg, die diese Versprechungen fortführt“, so die Grünen.
In Südtirol gibt es derzeit 239.000 Wohnungen, davon sind rund 29.000 leerstehend (zwölf Prozent). Mit dem Thema Leerstand beschäftigt sich das Land aktuell über die GIS-Besteuerung. Der Eigentumsanteil der Wohnungen in Südtirol ist hoch: 70 Prozent sind Eigenheime, in Italien 68 Prozent.
Die vermieteten Wohnungen sind in folgende Typologien aufgeteilt (Daten der Abteilung Wohnbau): 13.400 im Eigentum des WOBI (das sind 26 Prozent aller Mietwohnungen und sechs Prozent des gesamten Wohnungsbestandes); 2.000 in anderem öffentlichen Eigentum (Gemeinden etc.); 10.200 werden mit Landesmietzins vermietet (konventionierte Wohnungen); 25.350 werden privat vermietet.
„Das neue Landesgesetz befasst sich nur mit den 13.426 WOBI-Wohnungen, alle anderen – und auch die Gesamtproblematik des zu teuren Wohnens in Südtirol – werden nicht behandelt“, bemängeln die Grünen.
In einer „chirurgischen“ Operation würden dazu aus dem „alten“ Wohnbaugesetz 23 Artikel ganz plus vier weitere in Teilen gestrichen und teilweise durch sehr viel allgemeinere Artikel im neuen LG ersetzt. Außerdem würden 35 weitere Artikel gestrichen und durch Durchführungsverordnungen ersetzt.
„Aus Gesetz wird Regierungsbeschluss“
Das ist auch schon der erste große Kritikpunkt der Grünen: „Während derzeit der soziale Wohnbau und das soziale Mieten in großen Teilen durch klare gesetzliche Regelungen geregelt sind, wird es in Zukunft rein in den Händen der Landesregierung liegen, ob, wann und wie die Regelungen abgeändert werden. Das ist, gerade zu einem existentiellen und langfristig wirkenden Thema wie das Wohnen, hoch problematisch, wenn wir nur an Familiengründung und -planung denken.“
Der Kern des LGE sei denn auch der Artikel 13, Abs. 1, der besagt: „Mit Durchführungsverordnung werden die Voraussetzungen und die Vorzugskriterien für die Zuweisung von Mietwohnungen zum sozialen und zu bezahlbaren Mietzins sowie für die Aufnahme in Wohnheimen festgelegt (…).“ Den Grünen zufolge könnte man sagen, dass in diesem Absatz der Geist des Gesetzes festgeschrieben stehe, der da laute: „Künftig entscheidet alles die Landesregierung.“
Der Landesmietzins
Wichtig sei dies besonders, was den Landesmietzins betrifft. „Dieser soll, laut unseren Informationen, künftig in den Ortschaften Südtirols unterschiedlich hoch sein und die effektiven Kosten der Baugründe mit einberechnen. Es ist auch gedacht, innerhalb der Ortschaften Unterschiede zu machen. So könnte in Bozen Zentrum ein höherer Landesmietzins gelten als in der Peripherie, in einem abgelegenen Ort ein niedrigerer als in einem Hauptort. Man sprach beispielsweise von einer Anhebung des Preises in Bozen von 7,02 Euro/qm auf 9,51 und von einer Absenkung in einem strukturschwachen Ort von 6,77 Euro/qm auf 5,55. Das alles aber ist informell und spekulativ. Im Gesetzentwurf findet sich davon keine Zeile. Die Diskussionen darüber werden also nicht im Landtag stattfinden, sondern in den Büros der Landesregierung. Hinter geschlossenen Türen, ist anzunehmen“, erklären die Grünen.
Neue Architektur der WOBI-Zuweisung
Während bisher die WOBI-Wohnungen grundsätzlich an sozial Bedürftige vergeben wurden, werde es in Zukunft zwei Schienen der Zuweisung geben: Wohnungen zum sozialen Mietzins und Wohnungen zum bezahlbaren Mietzins, d. h. zum erwähnten Landesmietzins, der überarbeitet wird.
„Bisher wurden die Wohnungen an Bedürftige vergeben; falls ihr Einkommen anstieg, konnten sie im Normalfall in der Wohnung bleiben, allerdings wurde der Mietzins angehoben“, erklären die Grünen.
Künftig soll es den Grünen zufolge bereits möglich sein, dass auch weniger Geringverdienende in die WOBI-Wohnungen aufgenommen werden können, da eine Quote für den „bezahlbaren Mietzins“ reserviert wird. „Dieser Mechanismus kann funktionieren – allerdings nicht, wenn die gleiche Anzahl von Wohnungen auf eine neue Zielgruppe (jene, die den bezahlbaren Mietzins zahlen) ausgeweitet wird. Das Risiko ist, dass sich ‚Bedürftige‘ und ‚Etwas-weniger-Bedürftige‘ den Platz streitig machen werden“, befürchten die Grünen.
Damit dieses Gesetz funktioniert, hätte es den Grünen zufolge eine Wiederbelebung der öffentlichen Bauprogramme gebraucht. Stattdessen habe das neue Gesetz “Raum und Landschaft” diese Flächen bei der Zuteilung neuer Bauzonen eingeschränkt und mehr Platz für private Bauten eingeräumt. „Es braucht also neue Bauprogramme, aus unserer Sicht müssen diese auch umwelt-, klima- und landschaftsschutzkonform sein“, so die Grünen.
Auch dieser Bereich, diese wichtige Stellschraube sei im LGE nur angerissen und werde mit Durchführungsverordnung geregelt werden. „Keine Mitsprache des Landtags erwünscht“, konstatieren die Grünen.
„Schraube wird enger gedreht“
„Der öffentliche und geförderte Wohnbau der letzten 50 Jahre in Südtirol hatte ein großes Ziel: möglichst vielen Südtirolerinnen und Südtirolern ein Eigenheim zu ermöglichen. Unterschwellig gab es eine Parallelstrategie für jene, die sich dies trotz aller Förderungen niemals leisten können: Ihnen wurde eine Art ‚Eigenheim auf Lebenszeit in Miete‘ zur Verfügung gestellt, die WOBI-Wohnung“, erklären die Grünen. Dieses Konzept werde nun durch Soziallandesrätin Waltraud Deeg beendet.
Künftig würden die WOBI-Wohnungen, wie alle anderen Wohnungen befristet vermietet, über Höchstdauer und Bedingungen für eventuelle Verlängerungen werde die Landesregierung entscheiden. „Wenn die Einkommensgrenze überschritten wird, wird der Vertrag widerrufen. Liegenschaften im Ausland müssen dokumentarisch belegt werden. Der Mieterschutz macht darauf aufmerksam, dass das in bestimmten Ländern de facto gar nicht möglich ist“, warnen die Grünen.
Es sei nachvollziehbar, dass die Landesregierung die WOBI-Situation dynamisieren wolle. „Allerdings liegt diesem Ansatz eine Annahme der Landesrätin zugrunde, die man hinterfragen müsste, nämlich, dass Bedürftigkeit ein ‚Zustand auf Zeit‘ ist. Schön wäre es, wenn es so wäre“, meinen die Grünen. Damit das auch zutreffe, müsse die gesamte Sozial- und Familienpolitik in dieser Perspektive überarbeitet werden. Dass Armut eine zeitliche Begrenzung hat, werde nicht von allein gehen. „Wir vermissen hier den zugehörigen Aktionsplan gegen Verarmung“, so die Grünen.
Des Weiteren kritisieren die Grünen, dass der Verwaltungsrat von fünf auf drei Mitglieder reduziert werde und so die Vertretung der Gewerkschaften nicht mehr gesetzlich gesichert sei. Überhaupt sei die Abstimmung mit den Sozialpartnern kein Thema im Gesetz.
Der Aufsichtsrat stehe zwar im Gesetz, aber nicht, wie er zusammengesetzt ist. Der Kauf und Verkauf von Liegenschaften sei eine sehr delikate Angelegenheit und könne auch spekulative Abgründe eröffnen. „Die Materie des Ankaufs war bisher gesetzlich genau geregelt, künftig gibt es dazu nur mehr einen Beschluss der Landesregierung. Zu den An- und Verkäufen muss zumindest absolute Transparenz gewährleistet sein“, so die Grünen. Sie haben dazu einen Änderungsantrag eingereicht.
Bei aller Kritik finden die Grünen auch ein paar gute Elemente im Gesetzentwurf. Positive Ansätze seien etwa die Arbeiterwohnheime, das Co-Housing und andere innovative Wohnmodelle, ebenso wie die Durchmischung und die Quartiersarbeit. Auch hier handle es sich allerdings um „Nennungen“. Was genau damit jeweils gemeint sei, würden erst die Beschlüsse der Landesregierung bekannt geben.
Ist Verbesserung möglich? Den Grünen zufolge ja: „Da es absehbar ist, dass der LGE im Wesentlichen keine großen Änderungen mehr zulassen wird, ist es umso wichtiger, dass die Durchführungsverordnungen in Absprache und mit Zustimmung der Sozialpartner erlassen werden. Für die zentralen Durchführungsverordnungen sollte auch ein Gutachten des zuständigen Gesetzgebungsausschusses eingeholt werden. Diese Vorgangsweise wurde auch schon beim LG Raum und Landschaft von der grünen Fraktion vorgeschlagen, und in einem Fall auch angenommen. Damit bleibt zumindest ein Rest an Mitsprache der Legislative erhalten.“
Erhöhte Transparenz und Zugänglichkeit der Operationen des WOBI seien ein Ansatz gegen spekulative Abdrift. „In Zukunft muss ein umwelt- und ressourcenschonendes, weitreichendes Bauprogramm aufgelegt werden, um neue Verarmung durch Verlust der Wohnungen auszuschließen. Und dann wird es noch zu sehen sein, wie der restliche öffentliche und geförderte Wohnbau ‚umgebaut‘ wird. Ob und wann Wohnen in Südtirol wirklich ‚leistbar‘ sein wird, bleibt eine ungelöste Frage“, so die Grünen.