Von: mk
Brixen – Im Rahmen der Europäischen Abfallvermeidungswoche machen die OEW – Organisation für Eine solidarische Welt, die Stadtwerke Brixen AG und das REX – Material und Dinge mit einer Kunstaktion auf die Berge an Textilmüll aufmerksam, die jährlich in Südtirol anfallen. Unter dem Titel „Kleiderberg – Ist der Gipfel erreicht? / Montagna di vestiti – È questa la vetta?“ haben sie im Innenhof der Stadtbibliothek Brixen eine sechs Meter hohe Skulptur aus Altkleidern errichtet, die bis zum 29. November besichtigt werden.
Jährlich fallen in Südtirol rund 7.400 Tonnen Textilabfälle an. Davon gelangen lediglich etwa 35 Prozent – vom Volumen her entspricht das ungefähr dem Zehnfachen des Weißen Turms in Brixen – in die Gebrauchtkleidersammlung (Achtung, in der Presseeinladung zur Aktion haben wir leider nicht ganz korrekte Zahlen angegeben, dort haben wir nur die Menge der gesammelten Kleidung berücksichtigt, nicht die, die im Müll landet). Der restliche Teil landet in den Restmülltonnen und geht damit unwiderruflich verloren. Doch auch das Sammeln und Wiederverwerten von Gebrauchtkleidung wird zu einer immer größeren Herausforderung, die alle Gemeinden Südtirols betrifft. Der wachsende Anteil billig und schnell produzierter Mode, der so genannten „Fast Fashion“, und der zunehmende Einsatz synthetischer Stoffe führen dazu, dass immer weniger Material wiederverwertet werden kann. Das wiederum treibt die Aufbereitungskosten in die Höhe und wirkt sich auf die Gesamtkosten der Abfallwirtschaft aus. In kurz: Das Geschäft mit Gebrauchtkleidung wird immer weniger rentabel – gleichzeitig werden immer mehr Kleidungsstücke weggeworfen.
Diese Entwicklung, die auch die Stadtwerke in Brixen betrifft, greift die Installation „Kleiderberg – Ist der Gipfel erreicht?“ auf und stellt den weltweiten Textilüberfluss sowie die Folgen kurzlebiger Konsumgewohnheiten in den Mittelpunkt. Begleitend zeigt die OEW-Infoausstellung mit überdimensionalen T-Shirts die globalen Produktionsketten auf und beleuchtet die ökologischen wie sozialen Auswirkungen der Textilindustrie.
Annalena Egger, Mitarbeiterin der OEW im Bereich Bewusster Konsum, betonte heute bei der Eröffnung der Installation im Innenhof der Stadtbibliothek: „Nach der Entsorgung verschwindet ein Produkt zwar aus dem Blickfeld, bleibt jedoch Teil unserer Umwelt. Qualität und Zeit sollten wieder stärker ins Bewusstsein rücken. Es braucht mehr Wertschätzung für das, was bereits vorhanden ist – durch Tauschen, Reparieren oder Weiterverwenden. Eine Gesellschaft, die Unvollkommenheit zulässt, gewinnt an Vielfalt und Menschlichkeit.“
Die Aktion richtet sich an die Südtiroler Bevölkerung und macht sichtbar, welche Folgen ein schneller, kurzlebiger Konsum hat. Der „Kleiderberg“ steht sinnbildlich für eine Gesellschaft, die Dinge zu rasch ersetzt und dadurch den Bezug zu ihrem Ursprung verliert – zu den Menschen, die sie herstellen, und zu den Ressourcen, aus denen sie bestehen.
Verena Gschnell, Geschäftsleiterin der OEW, fügte hinzu: „Den wahren Preis für die inzwischen ultra-schnelllebige Modetrends und billig produzierte Textilien zahlen wiederum die Arbeiter*innen am unteren Ende der Wertschöpfungskette: Unmenschliche Arbeitsbedingungen sind in der Textilindustrie nach wie vor an der Tagesordnung.“
Franz Berretta, Generaldirektor der Stadtwerke Brixen AG, unterstrich außerdem, wie wichtig es sei, dass jede*r Einzelne in Südtirol verstehe, wie wichtig der eigene Beitrag ist und wie alle von einer gelungenen Zusammenarbeit profitieren. „Bewusst einkaufen und Kleidung länger nutzen – das sind kleine Entscheidungen mit großer Wirkung. So können wir gemeinsam etwas bewegen. Die Stadtwerke Brixen verstehen sich als Partner aller Bürgerinnen und Bürger auf dem Weg zu einer verantwortungsvollen Kreislaufwirtschaft.“ Die Stadtwerke sind in Brixen verantwortlich für die getrennte Sammlung von Textilabfällen und sorgen dafür, dass gebrauchte Kleidungsstücke und Heimtextilien umweltgerecht entsorgt werden können. Die zunehmende Menge an weggeworfenen Textilien stellen aber auch sie vor neue Herausforderungen.
Während Fast-Fashion-Ketten früher mit wöchentlich wechselnden Kollektionen den Kauf billig produzierter Kleidung ankurbelten, treiben heute vor allem Online-Plattformen wie SHEIN oder Temu den Konsum voran – mit täglich tausenden neuen Artikeln. Die Qualität bleibt dabei oft auf der Strecke. Ein Großteil der Kleidungsstücke besteht inzwischen nicht mehr aus natürlichen Fasern, sondern aus synthetischen Materialien wie Polyester, die aus Erdöl gewonnen werden.
Mit dem „Kleiderberg“ setzen die Initiatorinnen und Initiatoren ein starkes Zeichen für nachhaltigen Konsum und Ressourcenschonung. Gleichzeitig machen sie auf die Herausforderungen aufmerksam, die durch minderwertige Textilien und steigende Entsorgungskosten entstehen.
Mit von der Partie war heute auch das REX-Material und Dinge, Brixner Recyclingprojekt. Zwar werden im Rex keine Altkleider gesammelt, doch im Rahmen des Projekts werden Flicktreffs organisiert. Julia Vontavon, Leiterin des REX in Brixen, erklärt: „Dem REX liegt ein langes Leben von Materialien und Dingen besonders am Herzen. Auch Kleidung soll so lange wie möglich im Kreislauf bleiben. Das gelingt gut durch Kleidertauschpartys und Upcycling-Workshops. Gemeinsam können wir kreative Wege finden, Müllberge zu verkleinern und der Kleidung, die wir reparieren wieder einen neuen Wert schenken.“
Zu den Initiatoren des Projekts
Die OEW – Organisation für Eine solidarische Welt
Die OEW ist eine Bildungsorganisation mit Sitz in Brixen. Sie beleuchtet kritisch globale Zusammenhänge und sensibilisiert mit Kampagnen, Veranstaltungen und Bildungsangeboten für bewussten Konsum und globale Gerechtigkeit. Die unfairen Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie sind dabei ein wiederkehrender Schwerpunkt.
REX – Material und Dinge
REX ist ein Secondhand-Projekt mit Lagerhalle in Brixen, das Gebrauchsgegenstände und Bastelmaterial vor dem Wegwerfen rettet und gegen Spende an Bürger*innen weitergibt. So werden Ressourcen geschont und Dinge in den Kreislauf zurückgeführt. Die Europäische Woche der Abfallvermeidung ist für das REX jedes Jahr ein Highlight.
Die Stadtwerke Brixen AG
Die Stadtwerke Brixen AG sind in Brixen für die getrennte Sammlung von Textilabfällen zuständig und sorgen dafür, dass gebrauchte Kleidungsstücke und Heimtextilien umweltgerecht entsorgt werden können. Die gesammelten Textilien werden nachvollziehbar und transparent behandelt – vom Recyclinghof bis zur ersten Sortierung.




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