Von: apa
Nicht nur die angenehme Kühlung macht dieser Tage einen Museumsbesuch zur lohnenden Angelegenheit: Denn wenn die Ferienzeit mit großen Schritten naht, steigt bei vielen das “Fernweh”, das die Albertina mit einer gleichnamigen Ausstellung zusätzlich anfacht. Rund 130 Werke aus dem 18. und 19. Jahrhundert entführen an idyllische Strände, auf majestätische Gipfel und in exotische Länder. “Gehen Sie auf Reisen!”, empfiehlt Albertina-Generaldirektor Ralph Gleis.
Exklusiv, beschwerlich, gefährlich
Gänzlich bestückt aus der eigenen Sammlung, bildet die von Elisabeth Dutz kuratierte Schau aber nicht nur eine Abfolge von klassischen Postkarten-Motiven, sondern beschäftigt sich auch geschichtlich mit dem Thema Reisen. Wer hatte zu Goethes Zeiten schon die Mittel und Möglichkeiten, das traute Heim zu verlassen und ins Ungewisse aufzubrechen? “Es war damals alles andere als selbstverständlich”, sagte Gleis am Donnerstag bei einer Presseführung. Reisen seien “sehr exklusiv, beschwerlich und teils auch gefährlich” gewesen. Und doch setzte sich das Reisen sukzessive durch, war der Reiz des Neuen zu groß und wollte gerade das Bürgertum in dieser Hinsicht dem Adel nacheifern. Reisen bildet eben, und was man sah, sollte festgehalten werden.
Deshalb griff nicht nur Goethe selbst bei einer Italien-Reise zum Pinsel und fertigte rund 850 Zeichnungen an, die erstrebenswerte “Grand Tour” durch Europa lockte etliche Künstlerinnen und Künstler. Jakob Alt setzte den Schiefen Turm von Pisa in Szene, entführte in die Blaue Grotte auf Capri und ließ mit einer sonnendurchfluteten Marina-Ansicht von der italienischen Insel wohl schon damals die Sehnsucht nach diesem Ort steigen. Generell galt Italien als ein Fixpunkt der Touren, war das Studium der Antike zu jener Zeit doch äußerst erstrebenswert. Teils wurden auch unterschiedliche Szenerien und Versatzstücke zu einer neuen, idealen Landschaft zusammengefasst.
Sanfter Rhein, raue Alpen
Einen Gegenpol dazu bildete der Fokus auf die mitunter schroffe Bergwelt der Alpen: Nicht nur der Alpinismus erfuhr Mitte des 19. Jahrhunderts einen Boom, auch die Abbildungen von Gipfeln und Gletschern nahmen deutlich zu, was auch an Aufträgen von Erzherzog Johann oder Kaiser Ferdinand I. lag. In besonderem Maße war hier die Familie Alt aktiv, die mit ihren Werken “Blicke geprägt hat, die noch heute in unserem visuellen Gedächtnis sind”, so Kuratorin Dutz. Aber auch Neues trat zu Tage bei der Zusammenstellung der Schau, sei sie doch überrascht gewesen über die Künstlerinnen, die sich in jener Zeit der Landschaftsmalerei gewidmet haben. Zu den bekanntesten in Österreich zählten Tina Blau und Olga Wisinger-Florian, aber auch Arbeiten von Anna Baar-Plommer, Marie Lippert-Hoerner oder Emilie Mediz-Pelikan gilt es zu entdecken. Letztere ist mit einem Gebirgsbild vertreten, das im Spannungsfeld zwischen sanfter Sumpflandschaft und düsterer Sturmfront steht.
Deutlich romantischer fielen da die Rheinbilder aus, die etwa Johann Ludwig Bleuler oder Laurenz Janscha schufen. Die Rheinreise war laut Dutz sozusagen “das Kontrastprogramm zu den Alpen” mit ihrer vielfach sanften, lieblichen Landschaft. Da wie dort habe man aber versucht, “die Welt künstlerisch zu erobern”. Und dass das eben auch über Europa hinausging, bezeugen die zum Schluss gesetzten Arbeiten von Josef Selleny und Leander Russ, die Expeditionen begleiteten und folglich auch nach Rio de Janeiro, Tahiti oder Ägypten kamen. Frappant dabei der stilistische Unterschied: Während Selleny mit lockerer Pinselführung und hellen Farben einem flüchtigen Gestus verpflichtet war, schuf Russ klar durchkomponierte Bilder, die gleichsam ganze Geschichten zu erzählen schienen.
“Für Aug’ und Herz”
Insgesamt wird somit einiges geboten “für Aug’ und Herz”, wie es Gleis beschrieb. Das Reisen wird aber nicht nur “als Schritt ins Unbekannte und Ungewisse” begriffen, sondern im heutigen Kontext auch als Dokumentation von Veränderung. Gerade die Gletscheransichten seien nämlich aus klimawissenschaftlicher Perspektive durchaus relevant und aussagekräftig. Aber ob man nun mit Forscherinteresse oder zur Kontemplation durch diese Räume schreitet: Dieses “Fernweh” ist in jedem Fall einen Ausflug wert.
(S E R V I C E- Ausstellung “Fernweh. Künstler:innen auf Reisen” von 27. Juni bis 24. August in der Propter Homines Halle, Albertina, Albertinaplatz 1, 1010 Wien, täglich von 10-18 Uhr, Mittwoch und Freitag bis 21 Uhr; www.albertina.at)
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