Der berühmte Lehrtherapeut Eia Asen in Bozen

Bessere Lösungen für mehr Probleme

Montag, 15. Mai 2017 | 11:48 Uhr

Bozen – Am 18. und 19. Mai 2017 veranstaltet das Südtiroler Institut für Systemische Forschung und Therapie „IARTS“ der EOS Genossenschaft in Zusammenarbeit mit der Freien Universität Bozen eine zweitägige Weiterbildungsveranstaltung zum Thema „Multiproblemfamilien und Mehrfamilientherapie“. Beim Workshop in Bozen wird Prof. Dr. med Eia Asen einige seiner originellsten Forschungsgebiete vorstellen und interaktiv gestalten, nämlich die Therapie mit Multiproblemfamilien, die Multifamilientherapie und die mentalisationsbasierte Therapie mit Familien.

Vor mehr als 150 Jahren hat Auguste Comte die Sozialwissenschaften begründet, vor mehr als 100 Jahren Sigmund Freud die Psychotherapie. Von beiden Männern sind großartige Impulse ausgegangen, die zu einem neuen Bewusstsein geführt haben, das heute weltweit verbreitet ist und von der Soziologin Eva Illouz als „therapeutischer Diskurs“ bezeichnet wird.

Auguste Comte wollte wissen, wie Gruppen und Gesellschaften funktionieren, um sie so zu beeinflussen, dass Gewalttätigkeit, schwere Konflikte, Süchte und selbstschädigendes Verhalten in ihrem Innern und zwischen ihnen möglichst vermieden würden. Sigmund Freud hat den Wert des Einzelmenschen, sein seelisches Leid und die Möglichkeiten, mit Worten und Erlebnissen in seine krank machende Erfahrungswelt einzugreifen, herausgestrichen. Er hat ein Verfahren entwickelt, mit dem Therapeuten den Beziehungsmustern auf die Spur kommen, die Menschen hemmen oder beeinträchtigen. Und er hat eine Methode entworfen, diese Muster zu verändern, sodass sie nicht mehr störend wirken.

Moderne psychotherapeutische Schulen nutzen beide Zugänge. Es geht einerseits darum, das seelische Leiden des Einzelnen zu mindern und ihm mehr Freiheit zu verschaffen, aber anderseits auch darum, Gruppen und ihren Zusammenhalt, Familien und ihre Funktion, Institutionen und ihre Verantwortlichkeit zu stärken. Heute ist ein Großteil menschlicher Erlebniswelt sozial: Nicht mehr der Kampf gegen Wölfe und Bären, gegen Winterkälte und Meeresfluten, sondern die zivilisierte Auseinandersetzung mit Andersdenkenden, die Beachtung von Regeln in Familie, Arbeit und Straßenverkehr, der Umgang mit Karrieremöglichkeiten und zwischenmenschlichen Spannungen prägen vorrangig das Empfinden und Verhalten. Je sicherer wir überleben ohne zu verhungern oder Krankheiten zum Opfer zu fallen, desto höher werden unsere Ansprüche an soziale Anerkennung: Wir möchten Beruf, Verdienst, Freunde, Familie, und ringen darum mit viel Einsatz. Entsprechend anfälliger für seelisches und soziales Leiden ist die moderne Gesellschaft. Umso öfter benötigt sie Hilfen und Begleitung, die sowohl die Interessen der Einzelnen wie der beteiligten Gruppen wahren.

In Sozialstaaten ist eine Vielzahl an Unterstützungsmöglichkeiten entstanden, von Selbsthilfegruppen über Telefondienste bis zur Schuldnerberatung und gezielten Psychotherapie. Viele Therapeuten im öffentlichen Dienst stöhnen unter dem Ansturm zu betreuender Personen, unter dem Druck der präsentierten Probleme. Diese scheinen sich in manchen Familien zu häufen, während sie andere komplett unberührt lassen. So genannte Multiproblemfamilien sind deshalb regelrecht gefürchtet, und zuständige Dienste ziehen sich vor ihnen zurück, schieben die Verantwortlichkeit für sie hin und her: Den Suchttherapeuten scheinen die Probleme eher psychiatrisch, den Psychiatern eher entwicklungspsychologisch, den Psychologen eher im schulischen Bereich. Betroffene Familien sind dann regelrecht von Helfern umlagert, die keine direkte Zuständigkeit erkennen und weitere Institutionen einbeziehen möchten.

Solche Situationen, in denen Helfer sich oft gegenseitig mattsetzen, macht der bekannte Psychotherapeut Prof. Dr. med Eia Asen zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen. Der 70Jährige ist Kinder-, Erwachsenen und Familienpsychiater, lehrt Psychotherapie in verschiedenen Ländern Europas, hat 9 Bücher geschrieben und arbeitet seit 40 Jahren in London, zuletzt am Anna Freud Centre. Wissenschaftlich hat er sich mit Paartherapie bei Depressionen auseinandergesetzt, und für Anorexie und Verhaltensauffälligkeit eine neue Therapieform entwickelt, die er Multifamilientherapie nennt. Er stellt die Behauptung auf den Kopf, dass Familien mit vielen Problemen auch viele Therapeuten und Helfer brauchen. Manchmal ist die beste Unterstützung einfach, konkret und an der Alltagsproblematik orientiert. Betroffene Familien werden unter Anleitung von Therapeuten zu „Experten“ der eigenen Problematik, beraten sich gegenseitig, lernen voneinander, überwinden so Isolierung und Stigmatisierung und erleben sich letztendlich nicht mehr „hilflos“ sondern „hilfreich“. Dies löst Selbstheilungskräfte bei den betroffenen Familien aus und lässt sie autonomer werden. Wie gerade vielfach belasteten Familen mit geringem Aufwand gezielt beigestanden werden kann, demonstriert Prof. Dr. med Eia Asen auf einer Weiterbildungsveranstaltung an der Freien Universität Bozen, die er am Donnerstag, den 18. Mai (Beginn um 8.45 Uhr, Aula D1.01) und Freitag, den 19. Mai 2017 auf Einladung des Südtiroler Institutes für Systemische Forschung und Therapie „IARTS“ der EOS Genossenschaft veranstaltet. Wer ihn kennt weiß, dass seine Kongresse so lebendig sind wie riesige Workshops, in die er hunderte Personen leicht einbezieht. Die Veranstaltung ist zweisprachig angelegt, eine Gruppe systemischer Übersetzer sorgt für die laufende Übertragung in die andere Landessprache, und etwas Italienisch spricht Prof. Dr. med Eia Asen selbst. Am Nachmittag des 19. Mai werden die Teilnehmer in verschiedenen Arbeitsgruppen selbst aktiv, um das Gelernte auf die Südtiroler Realität anzuwenden und in vielen Bereichen unserer Versorgungslandschaft zu erproben. Dem Südtiroler Institut für Systemische Therapie „IARTS“ der EOS Genossenschaft und der Freien Universität Bozen liegt sehr daran, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten so zu verflüssigen, dass Klienten und Familien davon maximal profitieren. Eine gute Vernetzung wird in Zukunft Voraussetzung dafür sein – Ressourcen werden kaum mehr wachsen, wohl aber mögliche Kontakte und Kooperationen. Die Veranstaltung steht Mitarbeitern des Gesundheitswesens, Pädagogen, Sozialassistenten, Betreuern, Volontären, Vertretern der Selbsthilfe und Studenten offen. Anmeldungen sind möglich unter iarts@eos-jugend.it.

Am Mittwoch, den 17. Mai, um 19.30 Uhr spricht Eia Asen zum Thema „So gelingt Familie“ in EOS Rentsch, Rentschnerstraße 42 in Bozen. Der Abend wird auf Einladung der EOS Genossenschaft und des Katholischen Familienverbandes Südtirol organisiert. Am geplanten Runden Tisch nach dem Impulsreferat von Prof. Dr. med Eia Asen beteiligen sich unter anderem auch Vertreter des Katholischen Familienverbandes Südtirol und Prof. Dr. Walter Lorenz von der Freien Universität Bozen. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen an diesem informativen Abend unentgeltlich teilzunehmen. Anmeldungen sind innerhalb 15. Mai 2017 unter iarts@eos-jugend.it möglich.

Von: mk

Bezirk: Bozen