Von: ka
Bozen – „Die Kirche hat sich von ihren Wurzeln entfernt“: Mit dieser Zuspitzung forderte Prof. Martin Ebner am Samstag bei der Herbsttagung der Katholischen Männerbewegung (kmb) im Pastoralzentrum Bozen ein Umdenken. Der emeritierte Neutestamentler der Universität Bonn und katholische Priester der Diözese Würzburg stellte die Frage in den Mittelpunkt, ob das Priestertum im Neuen Testament überhaupt vorgesehen ist und ob die heutige Kirche nicht mutig an ihre Anfänge zurückkehren sollte.
Eingeleitet wurde die Tagung mit einer Wortgottesfeier unter der Leitung der Wortgottesleiterin Monika Kofler Devalier. Der neue Diözesanvorsitzende Edl Huber hieß verschiedene Gäste willkommen, unter ihnen die geistliche Assistentin der Kath. Frauenbewegung Prof. Maria Theresia Ploner. Von Anfang an war spürbar, dass mehr als eine exegetische Detailfrage verhandelt wurde: Es ging um das Selbstverständnis der Kirche.
Prof. Martin Ebner zeichnete nach, dass die ersten Christinnen und Christen keinen sakralen Priesterstand kannten, sondern sich als „gemeinsames Priestertum aller Getauften“ verstanden. „Das Neue Testament kennt keine Sonderstellung einzelner; es kennt nur das gemeinsame Mahl im Namen Jesu“, erklärte der Neutestamentler, der für seine pointierten Thesen bekannt ist. Erst im dritten Jahrhundert entstand eine „Verpriesterlichung“. Aus dem Mahl wurde ein Opfer, aus dem Tisch ein Altar, es entstand eine Zweiklassenkirche von Priestern und Laien, die dem Neuen Testament widerspricht. „Die Weihe hat eine gefährliche Wirkung. Sie sakralisiert Personen und macht sie unantastbar“, warnte Prof. Martin Ebner. Stattdessen bräuchte es zeitlich befristete Beauftragungen durch die Pfarrgemeinden selbst, um Machtmissbrauch vorzubeugen.
In eindringlichen Worten richtete sich der emeritierte Professor und Priester in Würzburg auch an die Frauen: „Die Priesterweihe anzustreben ist eine Falle.“ Sie führe nur tiefer hinein in ein überholtes, hierarchisches System. Nötig sei ein neues Denken, das Charismen und Fähigkeiten ins Zentrum stelle. „Die Kirche wird überleben, wenn sie lernt, Macht zu teilen“, betonte Martin Ebner und erntete dafür Applaus. Er fordert eine Öffnung der Kirche für neue Modelle, die sich am Neuen Testament orientieren und Kompetenzen statt Lebensform oder Geschlecht in den Mittelpunkt rücken. Der Neutestamentler versteht sich als Vermittler eines guten Lebens in der Nachfolge Jesu, ohne exklusive priesterliche Befugnisse. Sein Buch „Braucht die katholische Kirche Priester?“ thematisiert diese Reformideen und stößt international auf kontroverse Debatten.
Nach dem Hauptvortrag setzten sich die Teilnehmer in Kleingruppen mit dem Gehörten lebhaft auseinander. Der Diözesanvorsitzende Edl Huber erinnerte die Männerbewegung an ihre Verantwortung: „Wir dürfen uns den Veränderungen nicht verschließen, sondern müssen mutig neue Wege gehen.“ Vorstandsmitglied Herbert Öhrig stellte gemeinsam mit dem pädagogischen Mitarbeiter Hannes Rechenmacher die Impulsmappe zum Jahresthema „Männer-Mut tut allen gut!“ vor. Darin finden sich viele hilfreiche Impulse, die eigene Rolle als Mann zu überdenken und Schritte zu einem besseren Leben für alle zu setzen. Die Vintschger kmb-Männer gaben Einblick in ihren besinnlichen Wandertag im Sommer. Beim gemeinsamen Essen und offenen Gesprächen klang die Tagung aus.
Zur Person:
Prof. em. Dr. Martin Ebner, Jahrgang 1956, katholischer Priester der Diözese Würzburg, lehrte zunächst an der Universität Münster und war bis 2019 Professor für Neutestamentliche Exegese an der Universität Bonn. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der historischen Jesusforschung, in der Sozialgeschichte des frühen Christentums sowie in Fragen der Gemeindestrukturen. Mit seinem Buch „Braucht die katholische Kirche Priester?“ (2022) hat er eine vielbeachtete Debatte ausgelöst. Martin Ebner gilt als eine der markantesten theologischen Stimmen, wenn es um die Rückbindung kirchlicher Praxis an das Zeugnis des Neuen Testaments geht.
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