Von: mk
Brixen – Spiritualität ist eine Ressource für demenzkranke Menschen; die Seelsorge kann deshalb einen wichtigen Beitrag leisten und den Betroffenen noch lange Möglichkeiten der Teilhabe bieten: Das betonte Maria Kotulek, Theologin und Demenz-Expertin, bei der heutigen Tagung des diözesanen Seelsorgeamtes und der Cusanus-Akademie im Priesterseminar in Brixen zum Thema „Demenz in der Seelsorge“.
Rund 10.000 Menschen sind in Südtirol von Demenz betroffen. Jedes Jahr kommen rund tausend Neuerkrankungen dazu. Deshalb war auch das Interesse an der heutigen Tagung groß: Mehr als 70 Menschen nahmen an der Februartagung des diözesanen Bildungshauses, der Cusanus-Akademie, und des diözesanen Seelsorgeamtes teil. Die Tagung widmete sich dem Thema „Demenz in der Seelsorge“. Seelsorgeamtsleiter Reinhard Demetz moderierte, Maria Kotulek, Theologin und Leiterin der Fachstelle Demenz im Erzbischöflichen Ordinariat München, informierte und beantwortete die Fragen aus dem Publikum
Wenn für Menschen mit Demenz die Gewissheiten und Sicherheiten verloren gehen, bekommen Kirchengemeinschaft und Glauben eine umso wichtigere Rolle, sagte Referentin Maria Kotulek. Demenz kündige sich unterschiedlich schnell an. Eine Alzheimer-Demenz beispielsweise beginnt schleichend, sodass im Nachhinein der tatsächliche Beginn kaum mehr auszumachen ist. Zur Vergesslichkeit gesellen sich andere Veränderungen hinzu, wie zum Beispiel Schwierigkeiten in der Planung, in der Wortfindung, im Antrieb oder im Sozialverhalten, erklärte Maria Kotulek. Auch Einschränkungen im Geruchssinn können schon früh auftreten. Unter anderem macht sich Demenz auch in einer veränderten Geselligkeit bemerkbar: Wer sich früher gerne unter die Leute mischte, zieht sich plötzlich zurück, wer früher freundlich war, zeigt sich plötzlich aggressiv, wer vorher alles im Griff hatte, verliert langsam die Übersicht über den Tagesablauf.
Menschen mit Demenz brauchen Erfolgserlebnisse
Wenn an Demenz erkrankte Menschen zum wiederholten Mal mit den gleichen Anliegen zu den Angehörigen kommen, gelte es, sie trotzdem ernst zu nehmen und sie weiterhin wie Erwachsene zu behandeln, betonte Maria Kotulek. Das sei für Angehörige vor allem im Anfangsstadium schwierig und habe mit Abschiednehmen zu tun. Man könne das Gespräch auf Anderes lenken. Am besten geeignet seien bekannte Gegenstände in der Wohnung oder im Garten. Menschen mit Demenz spüren, dass sie etwas nicht mehr können. Sie brauchen Erfolgserlebnisse. Es sei daher auch wichtig, sie mit allen Sinnen anzusprechen, unterstrich Maria Kotulek, denn die Sinne bleiben länger erhalten als die Sprachfähigkeit.
Vergissmeinnicht-Gottesdienste
Auch der Glaube sei eine große Stütze – vorausgesetzt, dass er im Leben der Betroffenen früher eine wichtige Rolle gespielt hat. Der Glaube werde auch in der Demenz nicht vergessen, sagt Maria Kotulek. So können Menschen mit Demenz beispielsweise noch lange das Vaterunser mitbeten oder Lieder mitsingen. Seelsorge kann deshalb einen wichtigen Beitrag leisten und den Betroffenen noch lange Möglichkeiten der Teilhabe bieten. Im Anfangsstadium können an Demenz Erkrankte dank der ritualisierten liturgischen Abläufe ganz normal an Gottesdiensten teilnehmen. Später können Vergissmeinnicht-Gottesdienste hilfreich sein: Das sind auf die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz zugeschnittene Gottesdienste. Der Schwerpunkt wird dabei auf bekannte Lieder gelegt, auf erzählende Bibeltexte und informellen Austausch mit allen Beteiligten. Maria Kotulek ist überzeugt, dass der Bedarf an solchen Angeboten wächst und gleichzeitig eine Chance für die Seelsorge ist.