Von: luk
Toblach – Bei der 30. Ausgabe der Toblacher Gespräche stand der Wald im Mittelpunkt der Tagung. „Was wissen die Bäume? Zur Herrlichkeit und Drangsal der Wälder“ – dies der Titel. Ein hoch aktuelles Thema, das aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet wurde, mit einer klaren Botschaft an Politik und Gesellschaft: es bedarf einer grundlegenden Neuorientierung.
Anstatt von der Umwelt sollten wir von der Mitwelt zu sprechen, dies war die einhellige Meinung der Referenten auf der Tagung im Grand Hotel Toblach. Alles Leben ist Teil eines Kosmos, in dem alle organischen Wesen, Tier und Pflanzen in einem ständigen Kommunikationsprozess stehen. Karl-Ludwig Schibel, Leiter der Tagung, zog eine überaus positive Bilanz der Gespräche. „Wir beschäftigen uns seit Jahrzehnten mit Fragen des Verhältnisses von Mensch und Natur, von Wirtschaft und ihren ökologischen Grundlagen, Themen deren Bedeutung für unsere Zukunft jetzt in der Gesellschaft angekommen ist. Es muss deshalb heute verstärkt darum gehen konkrete Handlungsalternativen aufzuzeigen, und das haben wir in diesen Tagen etwa mit Beiträgen und Diskussionen zur naturnahen Waldbewirtschaftung und zur Erhaltung der Biodiversität im alpinen Raum getan“
Pflanzen kommunizieren miteinander
Der Umweltaktivist und Schriftsteller Daniele Zovi aus Asiago unterstrich in seinem Vortrag, die existentielle Bedeutung des Waldes: „Wir müssen unseren Planeten schützen und das, was wir angestellt haben, wieder gutmachen.“ Dabei könnten wir Menschen von Pflanzen lernen, denn der Mensch hat noch keine Maschine erfunden, die CO2 bindet, die Pflanzen können das sehr wohl. Inzwischen habe auch die Wissenschaft erkannt, dass Pflanzen untereinander eine rege Kommunikation aufbauen. Sowohl über Mineralstoffe im Wurzelwerk als auch mit Duftnoten.
Grundlegender Paradigmenwechsel
Der deutsche Biologe und Philosoph Andreas Weber ging in seinen Ausführungen noch einen Schritt weiter. Er forderte einen grundlegenden Paradigmenwechsel in Bezug auf die Subjekt-Objekt-Beziehung zwischen dem Menschen und den Dingen, die ihn umgeben. Denn alle Organismen sind Subjekte und keine Automaten. „Die westliche Vorstellung von Besitz ist falsch, denn sie beruht auf der Idee, die Sterblichkeit überwinden zu können. Deshalb sollten wir ein neues Denken propagieren“, meinte Weber. Er zitierte auch die Umweltaktivistin Greta Thunberg, die die Auffassung vertrete, es sei falsch unsere Welt als Verkaufsgut zu betrachten.
Rossella Guerrieri vom Institut für Forstwirtschaft der Universität Basilicata, ging auf die CO2-Bilanz des Waldes ein. Wir können von den Wäldern lernen, was Resilienz und Diversität bedeuten.“ Sie gab auch zu Bedenken, dass eine genaue Vorhersage, wie die Urwälder auf die Klimaerwärmung reagieren, nicht möglich sei, um so wichtiger sei ein Monitoring, das die Entwicklung genau verfolge, meinte Guerrieri.
Landschaft verändert sich ständig
„Wir dürfen nicht in der Illusion leben, Landschaft verändere sich nicht.“, erinnerte Ulrike Tappeiner, Biologin und Präsidentin der Freien Universität Bozen, die Anwesenden. In den letzten 50.000 Jahren hat sich beispielsweise die Landschaft im Vinschgau grundlegend verändert. Neben einer städtischen Entwicklung in Wolkenstein und Kitzbühel, gäbe es aber andernorts eine Ausbreitung des Waldes. Im Stubaital z.B. hat der Waldbestand um 30 Prozent zugenommen, gleichzeitig kann man eine Verdichtung des Waldbestandes vermerken, die das Dreifache bedeutet. „Trotzdem gibt es einen radikalen Verlust an Biodiversität“. Eine amerikanische Studie hat gezeigt, dass in den letzten 20 Jahren drei Mrd. Vögel verschwunden sind. „Um Biodiversität zu erhalten, müssen wir das Habitat der Vogelarten schützen, dazu gehört natürlich der Wald.“
Naturnahe Waldwirtschaft
Lutz Fähser, ehemaliger Forstdirektor der Hansestadt Lübeck und Gutachter für Entwicklungsprojekte, meinte, ökologische Waldwirtschaft nutze nichts, wenn sie nicht die Werte im Blick bleiben, die dem Begriff der Nachhaltigkeit zu Grund liegen. Gerade in Deutschland werde der Nutzwert des Waldes zu stark betont. „Wir Förster haben uns auf den Anspruch nach Holz reduziert“, kritisierte Fähser.
Noch heute ist auch in Österreich der Kahlschlag ein verbreitetes Modell. Es gibt kaum noch Inseln, in denen der Wald von schweren Maschinen nicht verdichtet wurde. Deshalb forderte Fähser eine neue Art der Forstnutzung: „Was immer wir tun, wir müssen die Alternative wählen, die die geringste Störung im Wald verursacht.“ Die Idee einer naturnahen Waldwirtschaft versucht zwischen den extremen Möglichkeiten zu vermitteln. Fähser plädierte für ein Schlägerungsmoratorium in öffentlichen Wäldern. „Die Förster müssen lernen, wie sie den Wald am wenigstens schädigen können. Wir haben eine ethische Aufgabe.“
Friday for future
Am Ende der Tagung standen die Jugendlichen von Fridays for Future, Majda Brecelj, Zeno Oberkofler, Michele Nesler aus Bozen in einem vollen Saal den Teilnehmern Rede und Antwort zu was sie bewegt, an dieser weltweiten Bewegung teilzunehmen. „Ich engagiere mich für meine und unsere Zukunft“, so Majda, „und wir werden nicht aufgeben, bis sich nicht etwas ändert“. Aber auf dem Weg hin zu großen Veränderungen agiert die Bewegung auch ganz konkret im Hier und Heute. Im Rahmen einer Benefizveranstaltung konnten die Jugendlichen mehr als 5.000 Euro sammeln können, um damit 5 Hektar Regenwald in Ecuador zu kaufen.