Franz Friedrich von Preußen über Tiroler Flüchtlinge und Toponomastik

Ein „Prinz aus dem Wilden Westen“ in Bozen

Samstag, 08. April 2017 | 08:03 Uhr

Bozen – Deutsche Minderheiten gibt es auch anderswo. In Schlesien zum Beispiel, einer vier Millionen Einwohner starken Region in Westpolen, die 1939 neben der Krim beinahe zum Siedlungsziel der Südtiroler Option wurde. Gut ein Jahrhundert zuvor sind am Fuße der Schneekoppe an die 80 Bauernhöfe erbaut worden – und zwar für Zillertaler Religionsflüchtlinge, sogenannten Exulanten, die als Protestanten während der habsburgischen Gegen-Reformation aus ihrem Land vertrieben wurden und Zuflucht im preußischen Riesengebirge fanden.

Zillertaler Exulanten fanden in Schlesien neue Heimat

„Damals sind etwa 400 Personen von Tirol nach Schlesien ausgewandert, weil sie nicht katholisch werden wollten“, erklärt der adelige Gast preußischer Abstammung in saloppen Ton. „Es waren Tragödien, Familien wurden zerrissen, weil manche Mitglieder katholisch waren“, zeigt Christopher Schmidt-Münzberg gewisse Parallelen zur Südtiroler Option. „Bis 1910 war Zillerthal-Erdmannsdorf (poln. Mysłakowice) die offizielle Hohenzollern-Residenz der Preußen, nach 1945 wurden die Höfe zwar nicht zerstört, aber auch nicht gepflegt. Heute ist der Ort vom Verfall bedroht“. Einer der größten und am besten erhaltenen Höfe steht nun wegen Konkurses der Vorbesitzer zum Verkauf – für die Kulturliebhaber beider Regionen eine Chance.

Vor diesem Hintergrund gab der Heimatschutzverein auf Initiative des von den Gästen liebevoll so bezeichneten „schlesischen Botschafters“ in Bozen, dem Psychotherapeuten Mario Horst Lanczik, Anstoß zu einem interregionalen Projekt für die Revitalisierung jener alten Tiroler Bauernhöfe in Niederschlesien. Erster Schritt dorthin sollte ein Informationsabend sein, bei dem am gestrigen Freitag vor allem der Star-Effekt eines waschechten Hohenzollers für einen pump-vollen Saal in Schloss Maretsch sorgte.

Gebürtiger Schlesier, verließ Prinz Franz Friedrich von Preußen als dreifacher Urenkel des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. das von der Roten Armee besetzte Land, zunächst nach Thüringen, dann nach Frankfurt, nun lebt er seit 20 Jahren in Potsdam. Als Vorstandsmitglied des deutsch-polnischen Vereins für Kunst und Kultur Schlesiens sei er mit Schmidt-Münzberg unweigerlich auf die Tiroler Siedlung gestoßen. „Dieses alte Haus könnte als Denkmal dieses einstigen ‘Glaubenskrieges’ gestaltet, oder sollte wie auch immer erhalten und genutzt werden. Mal schauen, wie hier die Resonanz dazu ist“, so der Prinz im Interview mit Südtirol News.

„Brüderprovinzen“: Der schlesische Ortstafelstreit und die EU als Garant

Schmidt-Münzberg sieht eine bemerkenswerte Verbindung zwischen den beiden Regionen, die er als „Brüderprovinzen“ bezeichnet. „Zur Zeit der Habsburgischen Erblande war die Provinz Schlesien der nördlichste Zipfel und die Grafschaft Tirol südlichster Zipfel des Reichs, aber im Endeffekt gehörten sie zum selben Land.“ Deshalb gäbe es historisch gesehen eine Menge kultureller Überschneidungen. Aktuell finden sich aufgrund der jeweiligen Präsenz deutscher Minderheiten auch in politischer Hinsicht einige Parallelen. Ein Teil der deutsch-polnischen Bevölkerung verstehe sich etwa als eigenes Volk von „Schlesiern“, welches sich weder Deutschland noch Polen zugehörig fühle.

Der Südtiroler Dauerbrenner Toponomastik zählt nach einem jüngsten Schachzug der nationalkonservativen Warschauer Regierung auch in Schlesien wieder zum heißen Thema. In Oberschlesien leben ca. 400.000 deutsch-polnische Bürger, eine ähnliche Zahl wie in Südtirol. „Sie haben sich über Jahrzehnte diese zweisprachigen Straßenschilder auf Gemeindeebene hart erkämpft. Nun hat sich die polnische Regierung einen Trick einfallen lassen, indem sie unzählige dieser großteils deutschstämmigen Ortschaften in die Stadt Oppeln ‘zwangseingemeindet’ und damit die Zweisprachigkeit abschaffen will“, kritisiert von Preußen die politische Lage. „Das ist tragisch. Die Sorben im Spreewald haben ja auch zweisprachige Verkehrsschilder, und das ist gut so.“

Während der sowjetischen Besatzung sei Schlesien eine Art „Polens Wilder Westen“ gewesen. „Die Strukturen waren nicht gesichert, man wusste gar nicht, wie sich alles politisch in nächsten Jahrzehnten entwickeln würde, ob Schlesien wieder nach Deutschland zurückkehrte, ob die vertriebenen Deutschen wieder in ihre Häuser zurückkehrten“, so Schmidt-Münzberg. Erst mit dem Beitritt zur EU wurden die Rechte der deutschen Minderheit zementiert – nun werden sie geschickt umgangen. Die jetzige Situation schätzt der ortsansässige Architekt jedoch lediglich als „letztes Aufbäumen alter Nationalismen“ ein. „Heute leben wir in einem jahrzehntelang erbauten Haus Europa, in dem alle ihren Platz finden sollten“, zeichnet Schmidt-Münzberg eine Metapher zur Architektur. Ein interregionales Projekt wie das angestrebte sei der beste Ausdruck eines geeinten Europas.

Prinz sein im 21. Jahrhundert – spannend!

Das Leben eines Prinzen sei in heutigen Zeiten „spannend“, so der kaiserliche Nachfahre mit nicht völlig ironiefreiem Unterton. „Man erregt natürlich eine gewisse Aufmerksamkeit, wo immer man ist.“ Das eitle Rampenlicht suche er allerdings nicht. „Eigenlob stinkt bekanntlich, aber ich möchte kein Star sein, sondern einfach nur die Möglichkeit nutzen, mit meinem Namen auf gewisse Dinge aufmerksam zu machen.”

Angesprochen werden möchte der sympathische Blaublütler schlicht mit „Herr von Preußen“. „Seit 1927 gibt es in Deutschland keine Titel mehr, meiner wurde mir jedoch einfach zum Namen gemacht. Früher war ich Franz Friedrich von Preußen und ‘Prinz’ zu sein war sozusagen mein Beruf, um es frech zu sagen. Heute heiße ich offiziell mit Nachnamen ‘Prinz von Preußen’ und meine Frau ‘Prinzessin von Preußen’.“

„Die Leute erwarten immer viel von einem Prinzen, aber ich nehme mir die Freiheit, genauso dumm und intelligent zu sein wie jeder andere Mensch“, schmunzelt von Preußen königlich.

Von: mho