Von: ka
Sarnthein – Sie helfen bei der Heuernte auf den steilen Wiesen, versorgen die Kühe im Stall, arbeiten im Haushalt, betreuen Kleinkinder oder pflegen alte Menschen: Seit 20 Jahren vermittelt der Verein Freiwillige Arbeitseinsätze (VFA) freiwillige Helfer auf extreme Höfe. Heute hat der Verein in Sarnthein auf eine Erfolgsgeschichte sondergleichen zurückgeblickt und die Freiwilligen hochleben lassen.
Vor genau 20 Jahren hat der Südtiroler Bauernbund gemeinsam mit Caritas, Lebenshilfe und Jugendring den Verein Freiwillige Arbeitseinsätze aus der Taufe gehoben. Er sollte Freiwillige auf Höfe vermitteln, die dort den Bauernfamilien bei ihrer Arbeit unter die Schulter greifen und so den Weiterbestand der Höfe sichern. Begonnen hat das Projekt ganz bescheiden: Mit gerade einmal 40 Freiwilligen und nur in drei Pilotgemeinden. „Wir sind mit unserer Idee in Ulten, Sarntal und Ahrntal gestartet, weil wir nicht sicher waren, ob die Bergbauernhilfe überhaupt funktioniert“, erinnerte sich Georg Mayr, der seit Gründung des Vereins vor 20 Jahren dessen Obmann ist, zurück.
Die Idee hat funktioniert: „Bereits im 2. Jahr waren es knapp 90 Helfer, die sich meldeten. Nach nur fünf Jahren gab es über 200 Freiwillige auf knapp 140 Höfen, nach zehn Jahren wurde erstmals die Grenze von über 1.000 Freiwilligen überschritten.“
Bis heute ist der Verein ein Erfolgsmodell geblieben, das seinesgleichen sucht. So zog Mayr auch für 2016 eine äußerst positive Bilanz: „Es ist das zweit erfolgreichste Jahr der Geschichte des VFA. “Bis Jahresende werden über 2.370 freiwillige Helfer einen Dienst auf einem der 346 extremen Bergbauernhöfe geleistet haben. „Insgesamt kommen die Freiwilligen auf 21.270 Einsatztage und damit auf so viele wie noch nie. Das ist nicht nur eine vorbildliche soziale Leistung, sondern auch eine wirtschaftliche“, freut sich Obmann Mayr über den neuen Höchststand genau zum 20-jährigen Jubiläum.
Der Großteil der Helfer – sieben von zehn – kommt nach wie vor aus Deutschland, Südtiroler machen etwa 15 Prozent aus. Etwa acht Prozent sind Italiener, vier Prozent kommen aus Österreich. Dass so viele Deutsche auf einen Bergbauernhof helfen, liegt auch am großen Medieninteresse, das die Freiwilligenarbeit auf einem Bergbauernhof nach wie vor weckt. Darauf verwies Koordinatorin Monika Thaler: „In den letzten Jahren haben der Stern, das Lufthansa Magazin, Die Zeit, Geo Saison, Merian, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, aber auch das ZDF, der Bayerische Rundfunk, ARD und die RAI über uns berichtet.“ Und Obmann Mayr ergänzte: Die Berichte seien nebenbei auch eine „unbezahlbare Werbung“ für das Tourismusland Südtirol.
Dank an Freiwillige und an den Obmann
All das sei ohne die vielen Freiwilligen nie möglich gewesen. Sie standen deshalb im Mittelpunkt der Feier im Vereinshaus von Sarnthein. Zum feierlichen Anlass wurde in enger Zusammenarbeit mit der Redaktion des „Südtiroler Landwirt“ und mit freundlicher Unterstützung der Verlagsanstalt Athesia eine eigene Jubiläumszeitung entworfen. Neben einem Rückblick auf 20 Jahre Vereinsgeschichte wird dort die Arbeit der Trägerorganisationen, der Koordinatoren und Mitarbeiter aber vor allem der vielen Helfer unter anderem von Landeshauptmann Arno Kompatscher und Reinhold Messner gewürdigt.
Auf die große solidarische Leistung der Freiwilligen verwies der Pfarrer von Wangen, Olaf Wurm in seinem Wortgottesdienst: „Ihnen allen danken wir, aber als Christen vergessen wir dabei nicht, auch Gott zu danken, der uns jeden Tag durch unser Leben begleitet.“ Wurm wandte den Blick der christlichen Solidarität dann auch „aus diesem Saal hinaus auf Flüchtlinge aus kriegerischen und armen Ländern, also jene Menschen, die auf die Solidarität der europäischen Länder warten.“ Auch an sie solle man zu so einem Anlass denken: „Jeder kann an seinem Platz dafür Verantwortung übernehmen.“
Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler verwies auf den radikalen Wandel in der Landwirtschaft der vergangenen Jahrzehnte: „Die Mechanisierung kann bei den extremen Berglagen den Schwund der Arbeitskraft auf den Höfen nicht kompensieren. Daher seid ihr Freiwilligen eine große Stütze, denn sonst müssten viele Bergbauern ihren Betrieb auflassen.“
Zu Wort kamen auch Vertreter der vier Trägerorganisationen. Bauernbund-Obmannstellvertreter Viktor Peintner sagte, Südtirol sei zwar insgesamt ein Wohlstandsland, doch der Wohlstand sei wie das Wasser: „Ganz oben kommt er zuletzt an. Genau dort helfen die Freiwilligen, die Landschaft weiter zu erhalten. Dafür ein ganz großes Vergelt’s Gott und die Bitte: Kommt weiter zu uns und helft den Bauern und unserem schönen Landl!“ Für Caritas-Direktor Franz Kripp war das Motto von Anfang an: „Wie können wir zum Nächsten für jemanden werden, der uns braucht? Dieser Verein leistet genau das! Denn die Bauern hoch oben sind jene, die am ehesten aufgeben müssen.“ Insofern seien sie möglicherweise Opfer globalisierten, profitorientierten Wirtschaft, die laut einer Enzyklika von Papst Franziskus sogar eine Gefahr ist und Menschen tötet. Lebenshilfe-Direktor Wolfgang Obwexer dankte dem Verein und den Freiwilligen, weil auf vielen Höfen auch beeinträchtigte und pflegebedürftige Menschen leben: „Ihr helft, dass diese Pflege besser gewährleistet werden kann.“ Tanja Rainer, Vorstandsmitglied im Jugendring schließlich freute sich darüber „dass auch viele junge Menschen durch ihren Freiwilligeneinsatz beweisen, wie Hilfsbereit die Jugend von heute ist.“
Bettina Sedlmair, eine Freiwillige aus Bayern, berichtete von ihrer Freude auf gleich zwei Höfen, auf denen sie mit ihrem Mann und Verwandten immer wieder hilft. Sie dankte den Bauern für die Herzlichkeit, mit der sie immer wieder aufgenommen wird und sprach davon, dass sie dadurch immer bereichert in ihren Arbeitsalltag zurück kehrt. Ihr Motto für den Verein: „Wenn viele kleine Leute an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, dann entsteht etwas ganz Großes!“
Eine Überraschung gab es für Vereinsobmann Georg Mayr: Matthias Spögler, als Vertreter der Caritas im Vorstand des Vereins, sagte: „Der Verein ist mit dir, Georg, gewachsen, und damit auch die Verantwortung. Du hast sie immer angenommen – mit großem Herz, unermüdlichem Einsatz und zu 100 Prozent ehrenamtlich, also ohne jegliche Vergütung.“
Finanzielle Situation bleibt angespannt
Bei aller Freude über die Entwicklung des Vereins und die große Solidarität der Freiwilligen bleibt ein Wermutstopfen: die Finanzierung des Vereins. „Mehr Freiwillige bedeuten auch mehr Kosten für deren Vermittlung und Betreuung. Gleichzeitig sinken die öffentlichen Beiträge vom Amt für Senioren und Soziales, direkte Einnahmen haben wir keine. Eine große finanzielle Stütze seien auch die jahrelangen treuen Spender, wie die Stiftung Südtiroler Sparkasse, die Raiffeisenkasse Bozen, die Bezirksgemeinschaften Salten-Schlern und Überetsch-Unterland um nur einige zu nennen. Die Hauptlast tragen aber derzeit wieder die Trägervereine, allen voran der Südtiroler Bauernbund und die Caritas. Dank privater Sponsoren konnte ein Teil des Fehlbetrags aufgefangen werden“, sagte Mayr. Besonders dankte er der Aspiag-Despar-Gruppe, die in den letzten zwei Jahren den Verein mit dem Verkauf von Tragetaschen unterstützt hat.