Von: ka
Bozen – Aktuelle soziale Herausforderungen durch Forschung und Kooperation begleiten und sozialgerechte Antworten suchen – mit Berücksichtigung der Dreisprachigkeit der Provinz und ihrer besonderen Lage inmitten Europas: So lässt sich das Profil des neuen Kompetenzzentrums für Soziale Arbeit und Sozialpolitik der Freien Universität Bozen beschreiben, das am heutigen Dienstag in einer Kick-off-Veranstaltung online den Akteurinnen und Akteuren in Südtirols Sozialbereich vorgestellt wurde.
Seit mehr als zwei Jahrzehnten wird an der Fakultät für Bildungswissenschaften der unibz am Campus Brixen im Bereich Soziale Arbeit gelehrt und geforscht. Eine breite Basis an Erfahrungen und Expertise, an die nun die Arbeit des neu gegründeten Kompetenzzentrums für Soziale Arbeit und Sozialpolitik anknüpft – um sie in Richtung noch mehr mittel- bis langfristiger Forschung und Weiterbildungsangebote auszubauen und aufzuwerten. „Kompetenzzentren sind ein wichtiges Instrument der Freien Universität Bozen, um zu Themen von großer lokaler Relevanz angewandte Forschung auf Exzellenzniveau zu betreiben“, erklärte der Prorektor für Forschung der Freien Universität Bozen Prof. Johann Gamper. „Das heißt, sie eröffnen die Möglichkeit in enger Kooperation mit dem Territorium und in konkreten Case Studies zu aktuellen und gesellschaftlich relevanten Themen zu forschen.“
Soziallandesrätin Waltraud Deeg unterstrich im Rahmen der Vorstellung die wichtige Rolle, die eine solch anwendungsorientierte Forschung im Sozialbereich für Südtirol hat. „Die sozialen Anforderungen in unserer Gesellschaft werden immer komplexer und vielfältiger. Wir sind sehr froh, bei der Suche nach Antworten mit diesem neuen Kompetenzzentrum auf eine konstante wissenschaftliche Begleitung zählen zu können – ob in der Politik oder in der täglichen Arbeit im Sozialbereich“, so die Landesrätin.
Das Kompetenzzentrum konzentriert sich in seiner Arbeit auf drei Forschungsschwerpunkte: Im Schwerpunkt Kinder- und Jugendhilfe will man unter anderem im Bereich Kinderschutz und Fremdunterbringung wissenschaftliche Inputs zu Anliegen wie einer Stärkung von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien oder der Weiterentwicklung der professionellen Zusammenarbeit zwischen den Fachkräften der involvierten Institutionen geben. Beim Schwerpunkt Altern, Care, Diversität, Gender und Migration geht es um spezifische Forschung zur Unterstützung von Sozialarbeit und Sozialpädagogik im Umgang mit Aufgaben und Herausforderungen, die durch den gesellschaftlichen Wandel in diesen Bereichen entstehen. Mit dem dritten Schwerpunkt Sozialpolitik, Innovation im Sozialwesen, soziale Sicherung und Teilhabe will man über Forschung zur proaktiven Gestaltung lokaler Sozialpolitik und einer integrativen Sozialplanung beitragen. Besonderen Fokus wollen die Direktorin des Kompetenzzentrums Prof. Ulrike Loch und die beiden weiteren Mitglieder des Führungsgremiums, Prof. Dorothy Zinn und Prof. Giulia Cavrini, auf einen partizipativen Ansatz der Forschung legen. „Dazu zählt nicht nur die Aufnahme von konkreten Bedürfnissen und Fragestellungen der lokalen Stakeholder, sondern auch die Einbeziehung von Akteur*innen der jeweiligen Thematik in die Auswertung und Interpretation von Daten“, erklärt Prof. Dorothy Zinn.
Genutzt werden soll auch die strategische Position Südtirols, also einerseits die Mehrsprachigkeit, aber auch die Brückenfunktion zwischen dem deutschen und dem italienischen Sprach- und Kulturraum. „Südtirol hat eine interessante Position, weil wir uns am italienischen Modell der Sozialarbeit orientieren, aber nicht zuletzt in der Forschung stark vom deutsch- wie auch vom englischsprachigen Raum beeinflusst sind“, sagt Prof. Ulrike Loch.
Das Team des Zentrums, das sich im heutigen Kick-off-Treffen Fachkräften und Stakeholdern aus dem Sozialbereich vorstellte, wird derzeit um zwei weitere Forschungsstellen erweitert. Darüber hinaus gibt es eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit Forschenden der Fakultät für Bildungswissenschaften, die sich immer mehr zu einer Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften weiterentwickelt, so Dekan Paul Videsott.
Vorgestellt wurden am Dienstag auch zwei konkrete Forschungsprojekte zu den hoch aktuellen Themen Care – also Pflege, Betreuung und soziale Unterstützung – und Armut. „Zwei Themen, in denen neue Antworten und Einblicke aufgrund des demokratischen Wandels und der aktuellen Entwicklungen benötigt werden“, wie Prof. Giulia Cavrini unterstreicht. Auch in Südtirol hat die Zahl der Menschen, die in Armut leben, zugenommen. Das Kompetenzzentrum plant deshalb eine dreisprachige Studie, um die Situation und Perspektiven von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien zu beleuchten und durch ein partizipatives Vorgehen ihre Bedürfnisse und Vorschläge für Veränderungen sichtbarer zu machen.