Von: mk
Brixen – Im Sinne einer vergleichenden Regionalgeschichte wird ein eintägiger Workshop in Brixen anhand der Geschichte der Sozialpolitik in ausgewählten Regionen Deutschlands, Italiens, Österreichs und der Schweiz nach den verbindenden und trennenden Parametern der traditionellen und modernen Sozialpolitik fragen. So ist etwa nach einem ersten auf Literaturstudien beruhenden Vorbefund für Italien und Österreich festzustellen, dass sich die Zeit nach 1945 in zwei große Epochen, jene der wohlfahrtsstaatlichen Expansion bis in die 1980-er Jahre und jene der Restriktion in den Jahrzehnten danach, differenzieren lässt.
Der Workshop wird daher die Frage stellen, ob dieser Befund auf alle vier genannten Staaten zutrifft und wer die zentralen Akteure in diesen Phasen waren. Gab es unter diesen persönliche oder staatliche Kooperationen, welche sich in vergleichbaren Handlungszielen oder Produkten der „Sozialindustrie“ manifestieren? Südtirol nahm beispielsweise etwa bei der Etablierung einer gemeinsamen und inklusiven Schule seit den 1980er Jahren eine Vorreiterrolle in der Alpenregion ein, und es gab dorthin einen regen „Verwaltungstourismus“ auf der Suche nach Best-practice-Beispielen. Resultierte daraus ein vergleichbarer Produktkatalog der inklusiven staatlichen Serviceleistungen für hilfsbedürftige Bürger in den untersuchten Regionen Deutschlands, Italiens, Österreichs und der Schweiz? Oder entwickelte jede Region bedingt durch unterschiedliche kulturelle oder rechtliche Voraussetzungen für sich eigene, streng voneinander abgegrenzte Politiken?
Neben der Beantwortung dieser Fragen ist es ein weiteres Ziel des Workshops, eine verbindliche interregionale Definition von Sozialpolitik zu finden und, darauf basierend, Untersuchungsfelder für künftige vergleichende wissenschaftliche Untersuchungen zu formulieren. Es gibt sowohl Längsschnitt-Referate, die versuchen, die Geschichte der Sozialpolitik gleichsam in regionalen Synthesen darzustellen, wie auch vertiefende Beiträge, die sich mit einzelnen Aspekten der regionalen Sozialpolitik und der wohlfahrtsstaatlichen Entwicklung, etwa auch aus biographischer, institutioneller oder geschlechtergeschichtlicher Perspektive auseinandersetzen. Der Höhepunkt der Tagung ist eine Podiumsdiskussion am Nachmittag (17 Uhr), bei der sich die drei ehemaligen Landesräte für Soziales Greti Schmid (Vorarlberg), Gerhard Reheis (Tirol) und Otto Saurer (Südtirol) zum Thema „Quo vadis? Regionale Sozialpolitik in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“ austauschen werden.
Die Tagung wird von den Forschungsbereichen Zeitgeschichte und Frauen- und Geschlechtergeschichte des Kompetenzzentrums für Regionalgeschichte der Freien Universität Bozen (Oswald Überegger und Siglinde Clementi) in Kooperation mit Wolfgang Weber (Fachhochschule Vorarlberg/Universität Innsbruck) organisiert.
Termin:
17. November 2017
Freie Universität Bozen, Fakultät für Bildungswissenschaften, Brixen, Regensburger Allee 16, Raum 1.50