Von: apa
Klagenfurt hat seit Freitag nicht nur den Ingeborg Bachmann-Preis, sondern auch ein “Ingeborg Bachmann Haus”. Das 2021 von Land und Stadt mit Hilfe der Kärntner Privatstiftung angekaufte Elternhaus, in dem die 1973 gestorbene Dichterin einen Großteil ihrer Kindheit und Jugend verbracht hat, soll künftig nicht nur als Gedenkstätte, sondern als Begegnungsort geführt werden, hieß es bei der offiziellen Eröffnung.
“Eines Tages ziehen die Kinder um in die Henselstraße. In ein Haus ohne Hausherr”, schrieb Bachmann in der Erzählung “Jugend in einer österreichischen Stadt” (1961). Auch in ihrem “Kriegstagebuch” oder in “Drei Wege zum See” nahm sie immer wieder Bezug auf das kleine Reihenhaus mit Garten und Veranda in der Henselstraße Nr. 26 und seine Umgebung am Fuße des Kreuzbergls. 1933 bis 1945 lebte Bachmann hier bei ihren Eltern.
Kein herkömmliches Museum
Teile des literarischen Nachlasses aus den Beständen der Nationalbibliothek und des persönlichen Nachlasses werden dort nun auf drei Ebenen präsentiert. Neben der privaten Bibliothek Bachmanns sind Schreibutensilien, aber auch Mobiliar, Ziergegenstände, Fotos, Kleider, Accessoires oder Schmuck Teil einer “erlebnisorientierten Ausstellung”, die “ein Ort literarischer Inspiration” sein soll. Text-, Bild- und Tondokumente dokumentieren Leben und Werk der Dichterin.
Im Erdgeschoß stehen ihre biografischen Stationen vom Gailtal über Klagenfurt und Wien bis zu ihren späteren Aufenthalten in Deutschland, der Schweiz, in den USA und in Italien ebenso im Zentrum wie die Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte ihrer Bücher. Der erste Stock bietet “Erlebnisräume” rund um zentrale Themen von Bachmanns Literatur wie Identität, Rollenbilder, Geschlechterverhältnisse, Schmerz und Krankheit. Dem “Todesarten-Projekt” wird dabei breiter Raum gewidmet. Im Dachgeschoß stehen mit Manuskripten und Typoskripten das Schreiben und der schöpferische Prozess im Fokus. So findet sich hier etwa Bachmanns Schreibtisch inklusive Schreibmaschine genauso wie ein Klavier auf der gegenüberliegenden Seite.
Künftig “kleine, feine Interventionen”
Kuratorin Katharina Herzmansky meinte: “Es war eine Freude und eine Herausforderung, dieses Haus zu gestalten.” Sie kündigte für die Zukunft “kleine, feine Interventionen” und eine Reihe “Bachmann lesen” an. Auch Landeshauptmann und Kulturreferent Peter Kaiser (SPÖ) verwies darauf, dass das Bachmann-Haus künftig nicht nur ein Gedenk-, sondern auch ein Veranstaltungsort und ein Ort der wissenschaftlichen Forschung sein soll. Man habe “eine Form, die wahrscheinlich nicht viele an ein klassisches Museum erinnert”, gefunden, sagte er. Der Klagenfurter Bürgermeister Christian Scheider (Liste Scheider) lobte die “besondere Aura” des Ortes und versicherte: “Ein Traum ist wahr geworden.”
“Was würde Ingeborg dazu sagen?”
Ingeborg Bachmanns Bruder Heinz Bachmann freute sich auch namens seiner Schwester Isolde Moser über das verwirklichte Projekt im gemeinsamen Elternhaus, das auch später für Ingeborg Bachmann “ein Ort der Geborgenheit” geblieben sei. Es möge künftig “ein Ort der Erinnerung und der Begegnung, des Weiterdenkens und der Inspiration” sein. “Was würde Ingeborg dazu sagen?”, überlegte er. “Vielleicht würde sie ein wenig verlegen lächeln”, aber “tief im Inneren wäre sie dankbar”, glaubte er. Dass Kärnten und Klagenfurt die Erinnerung an sie so tatkräftig hochhalten, “das hätte sie tief bewegt”.
Die Eröffnung des Bachmann-Hauses fand mitten in den laufenden 49. Tagen der deutschsprachigen Literatur statt. Der Ingeborg Bachmann-Preis wird – ebenso wie die anderen Preise – am Sonntag vergeben.
(S E R V I C E – Ingeborg Bachmann Haus Klagenfurt, Henselstraße 26, Eingang: Laubenweg, Do bis Fr 10-16 Uhr, Sa 10-14 Uhr, https://landesmuseum.ktn.gv.at/standorte/ibhk)
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