Von: apa
Im Zusammenhang mit der Wiener Moderne ist der Hagenbund und vor allem die Secession als treibende Kraft gut bekannt. “Die Hagengesellschaft fällt dagegen immer ein bisschen raus”, sagte Albertina-Direktor Ralph Gleis. Dieser lose Zusammenschluss von Freunden, die sich im Café trafen, gilt aber als Wegbereiter dieser zwei Künstlervereinigungen. 140 ihrer Zeichnungen sind nun in der Schau “Die Wiener Bohème – Werke der Hagengesellschaft” zu sehen. “Da sprüht der Witz.”
Es sei ja “wirklich lustig hergegangen bei den Sitzungen”, erzählte Gleis bei einem Pressetermin am Donnerstag. Ab 1880 traf sich die Gruppe – “es ging dabei nur um Sympathie, Humor und sehr viel Musik”, betonte Kuratorin Elisabeth Dutz – im Café Sperl und im von Josef Haagen betriebenen Gasthaus “Zum blauen Freihaus”, beide in der Gumpendorfer Straße im Bezirk Mariahilf. Der Wirt gab der Gesellschaft ihren Namen, das zweite A ging irgendwann verloren – so wie einige Arbeiten, denn gezeichnet wurde zunächst auf den Marmortischplatten.
“Am Abend wurde alles mit einem nassen Schwamm weggewischt”, sagte Dutz. “Bis man nach acht Jahren gemeint hat, das sei irgendwie schade, zeichnen wir doch auf Papier.” Man tauschte sich aus, zeichnete und veranstaltete Zeichenwettbewerbe mit schrägen Themenvorgaben wie “Hin is er”, deren Sieger mit einem Kaffee, Kipferl oder etwa einem Schnaps prämiert wurde. Die Zeichnungen (aber auch Aquarelle) – Skizzen, Karikaturen, Porträts, groteske Alltagsszenen und Scherzbilder – wurden in einer Mappe im Lokal aufbewahrt.
Menschen unterschiedlichster Berufe
Damit die Arbeiten nicht verloren gingen, überließ man 1905 der Albertina eine Auswahl von mehr als 800 Exemplaren. “Wir haben ein Forschungsprojekt gestartet, um uns mit diesem Konvolut einmal näher zu befassen”, berichtete Gleis. Dabei konnten fast alle Zeichnungen dem jeweiligen Schöpfer – es waren nur Männer in der Hagengesellschaft, aber nicht ausschließlich Künstler, sondern Menschen unterschiedlichster Berufe – zugeordnet werden. Die am Freitag öffnende Ausstellung und ein Katalog sollen die Zusammenkünfte als ein Motor für die Moderne aus dem Hintergrund holen, betonte Gleis. 14 Mitglieder der Hagengesellschaft zählten zu den Gründern der Secession, viele verbliebene formierten den Hagenbund mit.
“Die Wiener Bohème” ist, wie es Gleis selbst formulierte, “nicht die ganz große Schau zu Wien um 1900, aber ein wichtiger Baustein für das Verständnis dieser Zeit, die Wien als Künstlerstadt gemacht hat”. Es soll ein “lustvolles Schauen in diese sehr unkonventionellen Blätter” sein. Als ein Teil der Zeichnungen 1905 erstmals präsentiert wurde, schrieb ein Kritiker: “Wer ein paar heitere Stunden haben will, der komme in die Albertina”. Genau das, so Gleis, wolle man auch vermitteln. Dafür sollte man sich, wie ein Rundgang verdeutlichte, Zeit nehmen, da es viel zu schauen, lesen und entdecken gibt in sieben nach unterschiedlichen Motti gegliederten Räumen. Man begegnet ebenso einem “Prähistorischen Fantasiewesen mit Insekten” wie einem “Grasteufel mit roter Zunge”, “Zwei Damen im Kaffeehaus” oder einem Gesellschaftsmitglied als Salonlöwen dargestellt. Und man lernt Künstler auch abseits der bekannten Namen der Moderne kennen.
(S E R V I C E – “Die Wiener Bohème – Werke der Hagengesellschaft” in der Albertina, ab Freitag und bis 12.10., täglich 10-18 Uhr, Mittwoch und Freitag 10-21 Uhr, Katalog um 26,90 Euro im Shop oder unter https://shop.albertina.at; www.albertina.at)
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