Von: mk
Meran – Die Beziehung zwischen dem Top-Orchester aus der britischen Metropole und dem Premium-Festival in der Kur- und Thermenstadt Meran begann vor 25 Jahren. „Meran und das London Symphony Orchestra sind alte Freunde und die Musikerinnen und Musiker erzählten mir, wie sie die Konzerte im Kurhaus genossen haben“, erzählt Sir Simon Rattle in einer Videobotschaft an das südtirol festival merano . meran. Natürlich freue er sich, „das Festival mit wunderbaren Programmen eröffnen zu dürfen.“ 1994 debütierte der britische Klangkörper in Meran, dessen letztes Gastspiel fand dort im September 2016 unter der Leitung von Gianandrea Noseda statt.
Im Spätsommer kehrt das Orchester nach Südtirol zurück – und spielt im Kursaal gleich zwei Konzerte: Am 24. August setzt Sir Simon Rattle, der nach seinem Abschied von den Berliner Philharmonikern zum Musikdirektor des London Symphony Orchestra ernannt worden war, als Haydn-Fan und minuziös vorgehender Brahms-Interpret zwei seiner Lieblingsstücke auf das Programm des Eröffnungskonzerts. Zwischen der 86. (Haydn) und der 2. Sinfonie (Brahms) zeigt er mit Brittens „Young Person’s Guide to the Orchestra“ wie die komplexe Mechanik einer sinfonischen Klangmaschine funktioniert. Am folgenden Abend verbindet der Magier am Dirigentenpult – im Rahmen des 500. Konzerts des Festivals – die ekstatische Lebensfreude von Dvořáks „Slawischen Tänzen“ mit dem Schönklang von Sergej Rachmaninoffs 2. Sinfonie.
Die sinfonische Musik im Kursaal ist das Herzstück des mit 26 Konzerten umfangreichsten Programms in der 34jährigen Geschichte des Festivals: So verbinden Iván Fischer und das Budapest Festival Orchestra die von Hector Berlioz arrangierten Orchesterlieder „Les nuits d’été mit Tschaikowskys rätselhafter „Pathétique“ und Daniel Hope stattet in Meran dem Wunderkind Mozart einen Besuch ab und hat dabei auch noch Haydn und Gluck im Gepäck.
Nur zwei Tage später lässt er auf Barockhits von Geminiani, Händel, Bach und Vivaldi in einer Late-Night-Zugabe Ohrwürmer von Bernstein und Gershwin folgen. Altmeister Trevor Pinnock bringt eines der besten Barockorchester mit und kombiniert mit dem jungen Countertenor Jakub Józef Orliński ebenfalls Händel und Vivaldi. Der Doyen der russischen Dirigenten Yuri Temirkanov und der Pianist Olli Mustonen widmen sich im Kursaal Tschaikowskys erstem Klavierkonzert, bevor nach der Pause Dvořáks 9. Sinfonie folgt, und Philippe Herreweghe, ein Star der historisierenden Aufführungspraxis, entschlüsselt mit dem Orchestre des Champs-Elysées aus Paris und dem Collegium Vocale Gent – mit Darmsaiten für die Streicher und Querflöten aus Holz – Anton Bruckners spätromantische Tonsprache. Am 20. September leitet Kristjan Järvi das Abschlusskonzert der Festivalsaison 2019: Das mit jungen Musikerinnen und Musikern besetzte Baltic Sea Philharmonic aktualisiert barocke Repertoirestücke und landet mit dem 3. Klavierkonzert von Philip Glass in der Gegenwart. Die Solistin ist an diesem Abend die US-Amerikanerin Simone Dinnerstein, für die Glass das Konzert 2017 komponierte.
In der Saison 2019 umfasst der Festivalkalender erstmals sieben „Marken“, die verschiedenen Standorten zugeteilt sind: das sinfonische Programm im Kursaal („classic“), Kammermusik im Pavillon des Fleurs („matineé classique“), Cross-Over-Projekte im Stadttheater („colours of music“), Barockmusik im Palais Mamming, im Kursaal und in den Meraner Kirchen („barocco“), A-cappella-Konzerte („vox humana“) und das „young artists portrait“ in den Schlössern und Kirchen des Meraner Umlands. In diesem Jahr kommen das Format „mystica“ mit magischen religiösen und spirituellen Klängen in den Kirchen von Partschins, Marling und St. Leonhard sowie das multisensorische Happening „Sleep and Dream“ mit Musik von Max Richter und video-visueller Gestaltung von Ulrich Egger in der Kunsthalle West Eurocenter Lana hinzu.
Zu diesen Angeboten gehören – um nur einige Highlights aus dem Konzertprogramm 2019 zu nennen – der gefeierte Jazzpianist, Musik-Erfinder und Querdenker Michael Wollny, das Ensemble „Los Temperamentos“, das Musik aus Europa und Lateinamerika zu einem lebendigen und innovativen Konzerterlebnis verbindet, der ECHO-Preisträger Bertrand Chamayou, die vier ECHO-Preisträgerinnen von Salut Salon, die sich im Kursaal humorvoll der Liebe widmen, das Schumann Quartett, eines der aufregendsten jungen Kammermusik-Ensembles der Gegenwart, das Orchester der Stimmen Chanticleer aus Los Angeles sowie die legendären King’s Singers auf Schloss Tirol. Im Nachtkonzert des Festivals stellt sich mit Richard Galliano ebenfalls eine Legende vor. Mit rasanter Technik verwandelt der Franzose seine „Ziehorgel“ ein vielseitiges Allround-Instrument. Wenn seine Hände am Akkordeon akrobatisch über die Tastatur wirbeln, werden wehmütige Erinnerungen wach – an die Schwarz-Weiß-Filme mit Jeanne Moreau und Jean Gabin, die melancholischen Musette-Walzer, die Treppen und verwinkelten Gassen des Montmartre und die Poesie des alten Paris.