"Es passiert häufig und überall" 

Sexueller Missbrauch: In Südtirol braucht es mehr Aufklärung

Mittwoch, 18. Oktober 2017 | 15:50 Uhr

Bozen – Für eine Kultur der Aufmerksamkeit zur Prävention sexueller Gewalt hat die Arbeitsgruppe „Prävention von sexuellem Missbrauch und von Gewalt“ die Tagung „Es passiert häufig und überall“ organisiert. Diese Tagung hat heute im Pastoralzentrum in Bozen unter reger Beteiligung von pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stattgefunden.

Alljährlich bemüht sich die Arbeitsgruppe „Prävention von sexuellem Missbrauch und von Gewalt“ eine Tagung zu organisieren, die der Sensibilisierung und der Weiterbildung von pastoralen Mitarbeitern, kirchlichen Vereinen und Einrichtungen dienen soll, „um das Tabu des sexuellen Missbrauchs und der Gewalt zu brechen“, so der Vorsitzende der Arbeitsgruppe, Gottfried Ugolini, der darauf aufmerksam machte, dass sich die Diözese Bozen-Brixen als eine der wenigen Diözesen in Italien mit diesem Thema auseinandersetzt und konkrete Schritte setzt. „Dennoch bleibt noch viel zu tun und es braucht eine verstärkte interne Zusammenarbeit und eine Vernetzung mit allen Einrichtungen im Land“, so Ugolini.

„Wir sind als Kirche und als Gesellschaft verantwortlich, Kindern und Jugendlichen ein unversehrtes Aufwachsen zu gewährleisten“, sagte Bischof Ivo Muser in seiner Ansprache, in der er sich klar für eine Kultur der Achtsamkeit und der Verantwortung zum Schutz der Kinder und Jugendlichen in allen kirchlichen Bereichen ausgesprochen hat. „Die Macht des Schweigens wurde gebrochen und die vertuschte Wirklichkeit durch die Medien an die Öffentlichkeit gebracht. Aus Überzeugung sage ich: Die Bombe ist geplatzt. Das war leidvoll und auch beschämend, aber es ist gut, dass diese Bombe geplatzt ist“, so der Bischof, der hervorgehoben hat, dass es darum geht, von einer Kultur des Ausblendens zu einer Kultur des Hinschauens, der wachen und achtsamen Wahrnehmung, des Ernstnehmens und der umsichtigen sowie kompetenten Begleitung und Beratung zu kommen. „Weg von einer Kultur des Sich-nicht-Einmischens hin zu einer Kultur der Transparenz, der Offenheit und der Mit-Verantwortung“, so Bischof Muser.
Eingeladen wurden zur Tagung zwei Referenten: Heinrich Keupp hat zum Thema „Sexueller Missbrauch und Misshandlungen in Institutionen: Ergebnisse und Impulse für die Präventionsarbeit“ gesprochen und dabei Studien zur Aufarbeitung von Misshandlungen und sexuellem Missbrauch, die in den Benediktinerklöstern Ettal (Bayern) und Kremsmünster (Oberösterreich) durchgeführt wurden, vorgestellt. Er hat aufgezeigt, dass diese Aufarbeitung den Blick in eine lange Zeit verborgen gebliebene Vergangenheit in zweifacher Hinsicht öffnet: Zum einen hinsichtlich der individuellen Betroffenheit von Kindern und Jugendlichen, dann aber auch hinsichtlich der Kontextbedingungen von Gewalt, um auf diese Weise Einsichten für notwenige Schritte für die Prävention setzen zu können.

„Sexuelle Gewalt: Verbreitung, Opfer, Faktoren“ war der Titel des Vortrages von Federica Santangelo. In ihren Ausführungen ging es um die Ergebnisse zweier Umfragen über Gewalt gegen Frauen. Sie hat aufgezeigt, dass in Europa jede dritte Frau Opfer von Gewalt ist. 33% aller Frauen im Alter von 15-74 Jahren haben Gewalt erlebt (das sind 62 Millionen betroffene Frauen), wobei der Großteil der Frauen nicht über das Erlebte mit Dritten spricht und selbst versucht mit dem Erlittenen fertig zu werden. „Wir können die schwerwiegenden Folgen davon für unsere Familien, unsere Gemeinschaften, die Gesellschaft allgemein nicht länger ignorieren“, so Santangelo.

Von: luk

Bezirk: Bozen