Das Heumarkt-Projekt wurde zuletzt erneut überarbeitet

Wien bleibt auf “Roter Liste” der Welterbestätten

Mittwoch, 13. September 2023 | 16:52 Uhr

Das historische Zentrum Wiens bleibt auf der “Roten Liste” der gefährdeten Welterbestätten. Das wurde bei der 45. Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees in Riad (Saudi-Arabien) entschieden, wie die UNESCO am Mittwoch in einer Aussendung mitteilte. Grund für den Status ist das geplante Bauprojekt am Heumarkt der Firma Wertinvest, für das erst Ende Juni adaptierte Pläne vorgestellt wurden. Die UNESCO äußerte sich aber auch positiv.

Laut Aussendung wurde auf Initiative des Komiteemitgliedes Saudi-Arabien ein Abänderungsantrag des ursprünglichen Entscheidungsentwurfes (“Draft Decision”) eingebracht und in weiter Folge angenommen. Darin nehme das Komitee positiv zur Kenntnis, dass im Vorfeld der Sitzung seitens des Investors ein gegenüber den zuletzt veröffentlichten Entwürfen reduziertes Projekt präsentiert wurde.

Dieses werde nun einer technischen und wissenschaftlichen Beurteilung unterzogen, hieß es. Dabei werde evaluiert, ob das Bauvorhaben mit der Welterbestätte vereinbar ist. Laut UNESCO wurden auch die verstärkten Rechtsinstrumente sowie der Managementplan der Stätte als positive Entwicklung explizit hervorgehoben.

Dass die City seit 2017 auf der “Liste des gefährdeten Welterbes” steht, hat mit dem geplanten Hochhausbau zu tun. Seither wurde das Projekt immer wieder abgeändert. Erst Ende Juni wurden abermals adaptierte Pläne veröffentlicht, die eine 56,5 Meter hohe “Wohnscheibe”, einen Neubau des Hotel Intercontinental mit 47,85 Meter Höhe sowie eine frei zugängliche Stadtterrasse, ein Konferenzzentrum und eine zentrale Freifläche vorsehen.

“Wie zu erwarten hat das Welterbekomitee beschlossen, den Status quo vorerst unverändert zu belassen. Das ‘Historische Zentrum von Wien’ verbleibt daher aktuell noch auf der Liste des gefährdeten Welterbes. Dabei ist zu betonen, dass das Komitee die Fortschritte in der Bewahrung des außergewöhnlichen universellen Wertes der Welterbestätte wahrnimmt und positiv hervorhebt”, betonte Sabine Haag, die Präsidentin der österreichischen UNESCO-Kommission.

“Ich freue mich, dass die bisher unternommenen Bemühungen international anerkannt werden. Daher gilt es jetzt umso mehr, den Beschluss des Komitees in vollem Umfang ernst zu nehmen, um auch die letzten noch notwendigen Schritte im Sinne der Konvention zu setzen”, hob Haag hervor. Sie dankte dem Bund und der Stadt für deren “unermüdlichen Einsatz und ihr Engagement für den Schutz und die Bewahrung des Welterbes”.

Zuversichtlich zeigte sich am Mittwoch die Wertinvest. “Nach über 10 Jahren und mit Investitionen von bisher rund 15 Mio Euro scheint nun endlich eine Projektrealisierung möglich. Wir unterstützen den nach der UNESCO-Welterbekonferenz von der Stadt Wien und den involvierten Ministerien vorgegebenen Weg”, betonte Geschäftsführerin Daniela Enzi in einem der APA vorliegenden Statement. Jetzt müssten ohne jegliche Zeitverzögerung die nächsten Schritte erfolgen und schnellstmöglich Rechts- und Planungssicherheit geschaffen werden.

Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) zeigte sich in einer Stellungnahme zufrieden, dass das Welterbekomitee bestätigt habe, dass sich die Welterbestätte auf einem guten Weg befinde. “Diese erfreuliche Entwicklung ist das Ergebnis jahrelanger gemeinsamer Bemühungen aller in Österreich mit dem Thema befassten Stellen: des Projektbetreibers, der Stadt Wien, des Bundesministeriums für Europäische und Internationale Angelegenheiten (BMEIA) sowie des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, Öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS) als für die Einhaltung der Welterbekonvention zuständige Stelle, aber auch der Zivilgesellschaft sowie der österreichischen UNESCO-Kommission.”

Um den vom Welterbekomitee positiv bewerteten bisherigen Korrekturprozess erfolgreich abschließen und die Löschung des Historischen Zentrums von Wien aus der “Liste des Welterbes in Gefahr” erreichen zu können, gelte es daher, die im Beschluss geforderten weiteren Schritte ernst zu nehmen und umzusetzen, betonte auch sie. In Österreich seien Schutz, Bewahrung und Weitergabe des UNESCO-Welterbes auf Basis der Welterbekonvention eine völkerrechtliche Verpflichtung, die von den jeweiligen Gebietskörperschaften im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereichs verpflichtend wahrzunehmen sei, hob sie hervor.

Der Schutz des Welterbes sei keinesfalls eine Thema für “innerösterreichische Auseinandersetzungen”, versicherte die Staatssekretärin. “Für das Kulturland Österreich spielt das UNESCO-Welterbe eine wichtige Rolle”, zeigte sie sich überzeugt. Es wäre unverantwortlich, diese Stätten von außergewöhnlichem universellen Wert leichtfertig zu opfern. Erfreut zeige sich auch die Umweltorganisation “Alliance For Nature” – nämlich sowohl darüber, das historische Zentrum sowohl auf der allgemeinen Welterbe-Liste als auch auf der Roten Liste der gefährdeten Welterbestätten zu belassen.

Der Wiener Landtagspräsident und UNESCO-Beauftragte Ernst Woller hob in einer Mitteilung ebenfalls hervor, dass bei der Sitzung die Neuplanung hinsichtlich Höhe und Volumen als positiv gesehen worden sei. Hinsichtlich der weiteren Entwicklung zeigte er sich zuversichtlich: “Unter der Voraussetzung, dass diese neuerliche Projektreduzierung als welterbeverträglich angesehen wird, könnte mit einer Streichung von der Liste der gefährdeten Welterbestätten in der 46. Sitzung des Welterbekomitees im Sommer 2024 gerechnet werden.”

Die Wiener NEOS-Stadtentwicklungssprecherin Selma Arapovic sah die Position ihrer Partei durch die Entscheidung bestätigt: “Es war gut und richtig, dass wir dem Bauprojekt bisher noch kein grünes Licht gegeben haben. Offenbar hat unser Widerstand ein Einlenken des Investors bewirkt.” Man habe politisch viel unternommen, um das Weltkulturerbe zu schützen – etwa mit dem Managementplan oder der neuen Bauordnung. “Das wurde positiv aufgenommen. Jetzt gilt es, die Überprüfung des adaptierten Projektes abzuwarten, um weitere politische Entscheidungen treffen zu können.”

Die ÖVP zeigte sich zufrieden darüber, dass nun endlich Bewegung in die Causa komme. Wien habe seitens der UNESCO nun offenbar eine letzte Chance erhalten, befand Planungssprecherin Elisabeth Olischar. Jetzt müsse seitens der Wiener Stadtregierung alles darangesetzt werden, dass das Weltkulturerbe letztendlich auch erhalten bleibe. Klar sei jedoch, dass das Heumarkt-Projekt weiterhin Ausdruck der völlig desaströsen Stadtplanungs- und Flächenwidmungspolitik sei.

Der Bezirksvorsteher der Inneren Stadt, Markus Figl (ÖVP), drückte sein Bedauern darüber aus, dass das Stadtzentrum auf der Roten Liste bleibt. “Die UNESCO gibt Wien bis 1. Februar 2024 Zeit, weitere Argumente für den Erhalt des Prädikats Weltkulturerbe zu liefern. Ich fordere die Stadt auf, diese Chance zu nutzen und alles zu unternehmen, damit Wien endlich von der Roten Liste, auf der wir uns nun schon seit dem Jahr 2017 befinden, runterkommt.”

Die FPÖ äußerte Zufriedenheit zumindest darüber, dass Landtagspräsident Woller in Saudi-Arabien nicht weiter gegen die UNESCO “gerotzlöffelt” habe, so dass Wien weiter auf der Welterbe-Liste geblieben sei. Da der Status weiter gefährdet sei, sei es aber unabdingbar, dass das Heumarkt-Projekt weiter redimensioniert werde. “Wir Freiheitlichen bleiben selbstverständlich bei unserer Linie, wonach das UNESCO-Welterbe auch nicht ein bisserl beeinträchtigt werden darf”, hielt Planungssprecher Toni Mahdalik via Aussendung fest.

Von: apa