Gewisper – gerüchte – geschreӱ

Wirtshaus und Bauernkrieg 1525: Neue Ausstellung im Volkskundemuseum

Samstag, 10. Mai 2025 | 16:58 Uhr

Von: mk

Dietenheim – Die neue Sonderausstellung im Volkskundemuseum in Dietenheim bei Bruneck inszeniert ein Wirtshaus zur Zeit der deutschen Bauernkriege 1525: die Bühne einer Epoche, in der sich die Gesellschaft neuformierte und die Fundamente der alten Ordnung ins Wanken gerieten.

Vor 500 Jahren in Europa: Europäische Entdecker erweiterten das Bild der bekannten Welt, Erfindungen wie der Buchdruck verbreiteten Wissen schneller. Gleichzeitig prägten aber Konflikte die Epoche: Nach den Pestepidemien wuchs die Bevölkerung wieder, der Bedarf an Nahrungsmitteln stieg. Missernten und Spekulationsgeschäfte trieben die Preise nach oben; Inflation, Teuerung, erhöhte Abgaben an die Grundherren und mehr Frondienste heizten die Unzufriedenheit der Bauern an. Hinzu kamen Missstände in der Seelsorge; die Anhäufung von Macht und Grundbesitz seitens der Kirche steigerte den Unmut. Anhänger von Reformation und Täufertum verbreiteten neue Lehren. Die Situation eskalierte: In Deutschland, der Schweiz und auch in Tirol brachen 1525 Bauernkriege aus.

In Tirol wuchs der Widerstand vor allem im Eisack- und Pustertal. Unzufriedene lehnten sich gegen die kirchliche und weltliche Obrigkeit auf und fanden im Volk Unterstützung. Zentraler Unruheherd war das Gebiet des Hochstifts Brixen, wo der Aufstand mit der Freilassung Peter Passlers am 9. Mai 1525 begann. Der bischöfliche Fischer aus Antholz hatte seinem Herrn den Gehorsam verweigert und sollte deshalb neben der Hofburg in Brixen hingerichtet werden. Vor der Urteilsvollstreckung befreite ihn eine Menschenmenge. Diese wählte Michael Gaismair, den Schreiber des Bischofs, zum Anführer. Am nächsten Tag griffen Passlers Befreier das nahe gelegene Kloster Neustift an. Unter Gaismairs Führung erzielten die Rebellen in Tirol kurzzeitig Erfolge. Söldnertruppen des Landesfürsten schlugen den Aufstand jedoch brutal nieder. Im Oktober 1525 waren die alten Machtverhältnisse wiederhergestellt.

Die neue Sonderausstellung „gewisper – gerüchte – geschreӱ. Wirtshaus und Bauernkrieg 1525“ des Südtiroler Landesmuseums für Volkskunde, in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Bruneck, macht diese unruhige, aber faszinierende Zeit mit ihren Spannungen und Veränderungen sichtbar und hörbar. Und das an einem lebendigen Ort: nicht auf einem Schlachtfeld, sondern im Wirtshaus, einem seit jeher wichtigen Treffpunkt aller sozialen Schichten. Bauern, Adelige, Geistliche, Bürger und Knappen trafen sich hier, tauschten Neuigkeiten, Meinungen und Gerüchte aus – manchmal auch hitzig. Die einheimische Bevölkerung trat hier auch mit Reisenden in Kontakt, beim gemeinsamen Essen und Trinken tauschte man sich aus, zu ganz Alltäglichem genauso wie zu aktuellen gesellschaftlichen Themen. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht daher nicht nur die Geschichte der Tiroler Bauernkriege, sondern vor allem das gesellschaftliche Spannungsfeld, in dem sich diese Konflikte entluden.

Eröffnet wurde die Ausstellung gestern mit einer von Brigitte Strauß moderierten Gesprächsrunde, an der der Historiker und Autor Hans Heiss, der Archivar Andreas Oberhofer, der Ausstellungsarchitekt und Grafiker Laurin Kofler und die Ausstellungskuratorin Evi Weissteiner teilnahmen. Brigitte Strauß stellte zunächst die Begleitpublikation vor, in der sieben Beiträge von Historikerinnen und Historikern die Ereignisse der Bauernkriege, die Rolle der Frau und die Geschichte der Wirtshäuser aufnehmen und vertiefen. Andreas Oberhofer erläuterte, wie der Ausstellungstitel „gewisper – gerüchte – geschreӱ“ vom leisen Hintergrundsurren einer normalen Unterhaltung über ein sich steigerndes, lauteres Gerüchte-Weitersagen bis hin zur Eskalation, zur schreienden Verabredung zum Aufstand, hinführen soll. Hans Heiss nahm die Anwesenden mit in die frühe Neuzeit und beschrieb die Funktion von Wirtshäusern als Treffpunkt unterschiedlicher sozialer Gesellschaftsschichten und Ort des Austausches von Meinungen und Ansichten, sodass die Gaststube einer der wichtigsten Kommunikationsorte des Ortes war – eine Rolle, die in der heutigen Zeit verloren ging. Evi Weissteiner verwies auf die Herausforderungen, die es mit sich bringt, eine Ausstellung ohne Objekte, ohne Fotos und ohne O-Töne aus der beschriebenen Zeit zu machen und sich deshalb an eine Inszenierung wagen zu müssen. Laurin Kofler schließlich erklärte, wie schnell er sich mit dem für ihn eher unbekannten Thema vertraut machte und wie seine Visionen mithilfe von eigens angefertigten Zeichnungen umgesetzt wurden. Das Ergebnis konnten die Anwesenden nach der Gesprächsrunde in der zweigeteilten Präsentation – der Inszenierung einer Wirtsstube und dem informativen Sonderausstellungsraum – besichtigen.

Die Ausstellung läuft bis 9. November, die Begleitpublikation ist im Shop des Volkskundemuseums erhältlich.

Bezirk: Pustertal

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