Von: APA/dpa
Seinen 65. Geburtstag am 17. August mitten in der Arbeit an einer Trilogie zu verbringen, hatte Jonathan Franzen eigentlich nicht geplant. Eigentlich sollte sein 2021 veröffentlichter Roman “Crossroads” nur ein aus drei Teilen bestehender Roman werden, sagte der US-Schriftsteller einmal in einem Interview des Rowohlt-Verlags. Es kam anders. Aber für kurze Texte ist Franzen ohnehin nicht bekannt. Berühmt wurde er mit dem Roman “Die Korrekturen” im Jahr 2001.
Die anstehende Trilogie ergab sich im Zuge der Arbeit: “Als ich beim Schreiben auf Seite 115 des ersten Teils angekommen war, der ungefähr 200 Manuskriptseiten umfassen sollte, hatte ich noch nicht einmal alle fünf Hauptfiguren eingeführt. (…) Nun hätte ich anfangen können, gnadenlos zu kürzen, damit es schneller voranging, aber die Seiten sagten mir, dass ich da zu einer Fülle an Material vorgedrungen war, das bisher offenbar unentdeckt in mir geschlummert hatte.”
Nun also eine Trilogie, vom Rowohlt-Verlag schon jetzt als “Opus Magnum” des Autors gefeiert, auch wenn bisher keine Veröffentlichungsdaten für die weiteren Teile bekanntgegeben wurden. Leicht, schnell und kurz kommen die Franzen-Romane aber sowieso nie daher, meist arbeitet er viele Jahre an einem Buch, das dann gerne mal 500 Seiten und mehr hat. Wie “Die Korrekturen”, mit denen sich der Autor 2001 in den Literatur-Olymp schrieb. Mehr als drei Millionen Exemplare wurden verkauft und Franzen von vielen zum großen Erklärer der amerikanischen Gesellschaft ernannt. Den Nachfolger “Freiheit” (2010) kürte die “New York Times” zum “Meisterwerk”, Franzen wurde mit vielen Preisen gekrönt.
Dann aber versank der Autor, der mit seiner Partnerin, der Schriftstellerin Kathryn Chetkovich, hauptsächlich im kalifornischen Santa Cruz lebt, in einer Art Karriere-Krise. Der 2015 veröffentlichte Roman “Unschuld” bekam teils schlechte Kritiken, die Verkaufszahlen konnten mit den Vorgängern nicht mithalten. Franzens Image schien angekratzt. Zu oft hatte er möglicherweise betont, wie egal es ihm sei, dass Talk-Königin Oprah Winfrey die “Korrekturen” empfahl und damit zum Bestseller machte. Oder dass er das Internet und die sozialen Medien nicht ausstehen könne – und eigentlich auch alle Menschen und besonders alle Schriftsteller nicht, die dort Zeit verbrächten.
Das kam nicht immer gut an und viele frühere Fans – gerade in den USA – wandten sich genervt ab. Viele seiner Essays wurden von US-Medien verrissen. Die US-Plattform “Vox” sprach sogar von einer Art “Franzenfreude”, die sich entwickelt habe – in Anlehnung an Schadenfreude. Er sei in all diesen Kontroversen immer missverstanden worden und lese deshalb jetzt gar nichts mehr von dem, was über ihn geschrieben werde, sagte Franzen daraufhin der “New York Times”. “Die meisten Menschen, die Beschwerden über mich haben, lesen mich nicht.”
Politisch, kulturell und gesellschaftlich mitdiskutieren will Franzen aber trotzdem – und tut das auch immer wieder beispielsweise in Form von Essays. Zuletzt verklagte er mit zahlreichen anderen prominenten Schriftstellern und Schriftstellerinnen in Nordamerika das Unternehmen OpenAI wegen Copyright-Verstößen. Das von Microsoft mitfinanzierte Start-up habe ihre Werke ohne Erlaubnis zur Entwicklung von künstlicher Intelligenz genutzt, führen die Autoren an.
Mit “Crossroads” als Teil der anvisierten Trilogie scheint sich Franzen nun erfolgreich aus der Karriere-Krise hinaus und zurück in die Herzen seiner Fans und Kritiker geschrieben zu haben. Das Buch markiere eine “merkliche Entwicklung in einer glänzenden Karriere”, jubelte die “Washington Post”. “Danke Gott für Jonathan Franzen.” Das Werk sei “weitläufig und lustig” und das Lesen eine “wahre Freude”, kommentierte der britische “Guardian”. Der Roman handelt wie schon häufiger in den Werken des Autors von einer Familie im Mittleren Westen der USA, spielt diesmal aber nicht in der Gegenwart, sondern in der Vergangenheit.
Außerdem hat sich auch der Stil des einst als sprachlichem Pirouetten-Dreher verschrienen Autors weiterentwickelt. “Ich hatte das Gefühl, dass ich mit den “Korrekturen” stilistisch mein Äußerstes gegeben hatte, und seitdem bewege ich mich mehr und mehr auf eine möglichst transparente Art zu schreiben zu. Ich möchte nicht, dass die Leser anfangen, auf den Stil zu achten. Ich möchte, dass sie ganz und gar in der Traumwelt bleiben, ja dass sie noch nicht einmal von einem besonders schönen Satz abgelenkt werden. Jeder Satz soll makellos sein und einen Gedanken in sich tragen, aber ich möchte nicht, dass er die Aufmerksamkeit auf sich zieht.”
Abgesehen vom Schreiben begeistert sich der 1959 im US-Bundesstaat Illinois geborene Schriftsteller, der Germanistik studiert hat und fließend Deutsch spricht, vor allem für eins: Vogelbeobachtung. Mehr als 2000 verschiedene Arten hat der Schriftsteller weltweit schon beobachtet, wie er einmal der Deutschen Presse-Agentur erzählte. Auch eine seiner schönsten Erinnerungen an Deutschland ist mit einem Vogel verknüpft. “Ich habe mal den Wendehals im Unteren Odertal gesehen. Das war sehr aufregend.”