Von: apa
Vor ein paar Jahren heizten sie dem Publikum noch am Nachmittag ein, mittlerweile haben sich Electric Callboy zum Festivalheadliner gemausert: Die deutsche Trancecore-Band beschloss Samstagnacht das diesjährige Nova Rock in Nickelsdorf mit massiven Moshparts, pumpenden Beats und reichlich Humor. Direkt davor bezirzten Wanda mit viel Amore die Menge, die sich bei den Hits gewohnt textsicher gab. Und so ging bei bestem Sommerwetter ein durchwegs erfolgreiches Festival zu Ende.
Der kleine Mann im Ohr
Die Massen zum Springen bringen? Ein Leichtes für Nico Sallach und Kevin Ratajczak, die bei Electric Callboy das stimmliche Doppel geben. Gleich das eingangs gesetzte “Elevator Operator” ließ die Meute vor der Blue Stage explodieren, als kitschige Synth-Parts mit massiven Gitarrenwänden gekreuzt wurden. Und in dieser Manier ging es eineinhalb Stunden weiter: Publikumsanimation, brachiale Metalabfahrten und Gaga-Lyrics gaben sich die Hand und holten auch am vierten Festivaltag noch reichlich Energie aus den Fans heraus.
Dass sie mittlerweile in einer Reihe mit Größen wie Korn, Linkin Park oder Slipknot am Line-up stehen, ist für die Callboys dennoch schwer zu verstehen. “Das passt so gar nicht”, lachte Ratajczak vor dem Auftritt im APA-Gespräch. “Das wissen wir auch. Aber es ist dieser Vertrauensvorschuss, der uns gegeben wurde.” Das Projekt sei in den vergangenen Jahren einfach explodiert. Natürlich nicht grundlos. “Wir haben immer viel für unsere Musik gegeben”, betonte der Shouter. Sein Kollege Sallach ergänzte: “Ich habe dann immer den kleinen Mann im Ohr, der sagt: Keule, jetzt zeigst du den da draußen, dass wir genau hier hingehören und uns das auch verdient haben!” Da lässt sich nur sagen: Aufgabe erledigt.
Wanda als Kontrastprogramm
Gepunktet hat auch Wanda, wenngleich mit völlig anderen Mitteln: Marco Wanda und Co kamen nach dem deutschen Rapper Alligatoah auf der Bühne, der sich als feixender Messias gebar und mit locker geschwungenem Baseballschläger einen PC-Bildschirm zerlegte. Da war die Energie bei den Wanda-Songs natürlich eine andere: Eine Welle an Amore schickten die Wiener durch das Publikum. Die ist auch notwendig, denn schließlich kommen andere Zeiten auf uns zu, warnte der Sänger, “aber wir lassen uns nicht auseinanderdividieren”. Getreu dieser Aussage tanzte man gemeinsam zu Hits der Sorte “Bologna”, “Ich will Schnaps”, “Columbo” und “Bussi Baby”. Wanda erwiesen sich einmal mehr als perfekt eingespieltes Team mit einem Frontman, der auch hart gesottene Metalfans mitreißen kann. Mit einem ausufernden “1, 2, 3, 4” setzte die Band einen furiosen Schlusspunkt. Ach ja, Nirvana können Wanda auch.
Ein Ereignis war wie jedes Mal Idles: Bei der britischen Postpunk-Gruppe war das Publikumsaufkommen zwar relativ überschaubar, das hinderte den charismatischen Sänger Joe Talbot und seine mindestens ebenso exzentrischen Kollegen aber nicht daran, ein Feuerwerk zu zünden. Hier ging es um Liebe, um Energie, um das gemeinsame Erlebnis, wurde das heftige “Mother” aus zig Kehlen gebrüllt und von Talbot persönlich Gehörschutz an ein Pärchen in der ersten Reihe verteilt. “Safety First, Rock Second”, so seine Devise. Zum Ende hin lieferte sich Gitarrist Mark Bowen in seinem Blumenkleid gar eine Verfolgungsjagd mit einigen Securities, als er von der Bühne stieg und weit über das staubige Festivalgelände lief. Wie gesagt: Einfach eine Sensation.
Taylor Swift auf Speed
Als Kontrast dazu spielten Dragonforce auf der Red Stage High-Speed-Metal, eingerahmt von aufblasbaren Drachen und Videoautomaten. “Die hat mein Gitarrenpartner Sam Totman selbst gebaut”, erzählte der zweite Gitarrist der Band, Herman Li, im APA-Interview über letztere. Nach einer Coverversion von Celine Dions “My Heart Will Go On” legten Dragonforce mit Taylor Swifts “Wildest Dreams” im Hochgeschwindigkeitstempo noch einen drauf. “Das war eine tolle Show”, lachte Li. “Zu Beginn war ich mir nicht sicher. Doch wir haben das Publikum auf Touren gebracht und am Ende war es nur noch verrückt.” Trotz aller technischer Finessen, die von Kritikern gelobt werden, soll eine Show von Dragonforce vor allem Spaß machen, meinte Li. “Wenn jemand noch nie Heavy Metal gehört hat, nimm ihn zu einem unserer Konzerte mit, er wird eine tolle Zeit haben.”
Hochkarätiger Drittschauplatz
Adept reihten sich in das erneut spannende Line-up auf der Red Bull Stage ein. “Ich habe mich sehr darauf gefreut. Es ist die kleinere Bühne hier, was viel Druck von uns nimmt. Es ist nämlich unser erster Festivalauftritt seit sechs Jahren”, betonte Sänger Robert Ljung. “Rausgehen und alles geben, auf das haben wir uns sehr gefreut.” Die schwedische Post-Hardcore-Band hat sich zuletzt nach langer Pause mit zwei neuen Songs zurückgemeldet, den ersten seit neun Jahren. Ob man demnächst auch ein Album erwarten darf, wollten die Schweden nicht verraten: “Wir sind jetzt einmal superhappy mit den beiden Songs. Mal schauen, was passiert”, gab sich Gitarrist Gustav Lithammer verschlossen – aber mit einem breiten und vielsagenden Lächeln.
“On fire” präsentierte sich vor den Schweden Halflives auf der Bullen-Bühne. Sängerin und Gitarristin Linda Battilani, die hinter diesem Künstlernamen steht, bewies, dass in Italien nicht nur Måneskin rocken können. Geboten wurde Alternative-Rock, bei Bedarf mit Popappeal, mal modern, dann wieder mit Old-School-Elementen. “Ich war auf der Bühne einfach nur überwältigt, aber auf eine positive Art”, erzählte sie backstage. “Meine Premiere bei so einem großen Festival in Österreich war eine Herausforderung, denn es galt, ein neues Publikum zu überzeugen. Weil hier so viele Metalacts spielen, habe ich mir ein bisschen Sorgen gemacht. Aber die Leute hatten Spaß und ich sah zufriedene Gesichter, das hat mir Energie gegeben”, lachte sie.
Und Headliner Danko Jones? Das nach dem Bandleader benannte kanadische Rocktrio ist seit bald 30 Jahren unterwegs und steht nach wie vor für groovigen, eingängigen Hardrock. “Ich bin schon stolz auf diese Zeitspanne. Die Leute haben uns ja schon im ersten Jahr abgeschrieben”, nickte er im APA-Interview. “Und das ist mit jedem weiteren Album wieder passiert. Aber wir machen einfach unser Ding. Es ist wirklich ein Privileg.” Solange dabei derart mitreißende Songs wie “Guess Who’s Back” oder “Good Time” vom jüngsten Output “Electric Sounds” herausschauen, wird sich daran wohl auch nichts ändern.
2026 kommen Bring Me The Horizon
Damit ist auch die Festivalausgabe 2025 Geschichte. Aber das nächste Nova Rock kommt bestimmt, und zwar von 11. bis 14. Juni 2026 mit u.a. Bring Me The Horizon. Die Umstände heuer waren jedenfalls aufgrund des Amoklaufs in Graz sehr speziell. “Man muss den Hut ziehen”, kommentierte Festivalchef Ewald Tatar. “Bei der Schweigeminute (am Mittwoch, Anm.) konnte man trotz 50.000 Menschen am Gelände eine Stecknadel fallen hören. Der absolute Gewinner dieses Festivals ist das Publikum.”
(Von Christoph Griessner und Wolfgang Hauptmann/APA)
(S E R V I C E – www.novarock.at)
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