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Füttert eure Augen: Food Porn

Dienstag, 11. Dezember 2018 | 08:00 Uhr

Bozen – Wer kennt dies nicht? Man sitzt in einem Lokal und am eigenen oder am Nachbartisch werden die bestellten Speisen gebracht. Fast in jeder Runde wird es dann eine Sitznachbarin oder einen Sitznachbarn geben, der sein Smartphone zückt und sofort ein Foto des Gerichtes schießt. Auch der Schreiber dieser Zeilen selbst gehört zu jenen Zeitgenossen, die, wenn das dargebrachte Essen gefällt, selbst gerne ein Bild davon verewigen.

stnews/ka

Der Trend ist nicht neu. Doch immer höher auflösende Smartphonekameras und verfeinerte Einstellungsmöglichkeiten ermöglichen immer bessere Bilder und gießen damit Öl ins Feuer. Die Rede ist von Food Porn. Bei Food Porn handelt es sich um die aufwendige, glamouröse Zurschaustellung von Gerichten durch eine Fotografie, die die Ästhetik absolut in den Mittelpunkt stellt. Spezielle Lichteffekte, Detailaufnahmen und – in Videos – das Heranzoomen an die Teller und Speisen dienen der absoluten Verherrlichung und Glorifizierung des Essens. Die geschossenen Bilder und Videos lösen beim Betrachter den spontanen Wunsch aus, sich an den Tisch zu setzen und zu essen. Die Fotos der Speisen und der fotografisch zur Schau gestellte Genuss lassen – und deshalb Porn – auf diese Art und Weise zelebriertes Essen als eine Art Ersatz für Sex erscheinen.

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Der Ausdruck Food Porn fand im englischen Sprachraum in den 90-er Jahren des letzten Jahrhunderts durch eine TV-Kochsendung Eingang in die Sprache. Von dort schwappte Food Porn, der mit nur zwei Worten die „Verbindung“ zwischen Sex und Essen ausdrückt, bald auf das europäische Festland über. Wegen der neuen Möglichkeiten der Smartphonefotografie, der durch die Handynetze ermöglichten immer leistungsfähigeren Bildübertragung und durch die sozialen Netzwerke erfährt Food Porn einen zweiten Frühling. Eine Vielzahl von Mitbürgern verspürt den unbändigen Drang, Essen zu zelebrieren und dies auch allen Facebook- und Instagram-Freundinnen und -Freunden mitzuteilen. Andere Zeitgenossen hingegen machen sich in der eigenen Küche ans Werk und posten später ihre gelungenen Kreationen auf ihren Seiten in den sozialen Netzwerken. Unter anderem auf Instagram, aber nicht nur dort gibt es eine Vielzahl eigener Hashtags, die sich allein mit Food Porn beschäftigen.

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Es wird fotografiert, gepostet und geteilt, was das Zeug hält. Die sozialen Netzwerke werden mit einer Unmenge von Bildern von Gerichten, Nahaufnahmen von Speisen und gedeckten Tafeln geflutet. Gerade um die Weihnachts- und Silvesterzeit, wo nicht zuletzt auch erlesene Speisen im Zentrum stehen, wird wieder mit einer Rekordflut von Bildern und Videos weihnachtlich gedeckter Tische gerechnet.

Aber es gibt auch einen Gegentrend. In vielen Kreisen gehört es zum Bonton, bei Tisch das Smartphone in der Jacke oder in der Handtasche zu belassen. Nicht wenige Menschen stört es, wenn die Tischnachbarin oder der Tischnachbar beim Auftauchen des Kellners das Smartphone bereithält, um das Essen abzuknipsen und das entstandene Bild für alle sichtbar sofort auf die eigene Instagram-Seite zu posten.

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Und was passiert, wenn diese beiden Philosophien, „Essen zu erleben“, aufeinandertreffen? Dann ist es leicht möglich, dass ein schiefer Blick oder gar ein paar böse Worte die Tischseite oder die Tische wechseln.

Und zu welcher Fraktion gehört ihr? Gehört ihr zu den Bilderknipsern und Food-Postern oder zu denen, die für solche Trends nur mitleidige Blicke übrig haben Oder – was wohl auf die meisten Südtirolerinnen und Südtiroler zutrifft – ist es euch einfach nur egal?

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Von: ka