Von: luk
50 Tage auf hoher See, Sedimentbohrkerne mit einer Gesamtlänge von 832 Metern und zwei neue Tiefenrekorde im internationalen Tiefseebohrprogramm mit über 8.000 Metern unter dem Meeresspiegel: Die Offshore-Phase der Expedition 386 „Japan Trench Paleoseismology“ im Rahmen des Internationalen Ozeanbohrprogramms IODP wurde erfolgreich abgeschlossen. Die Expedition verfolgt das Ziel, vergangene Starkbeben vor der Küste Japans zu erforschen und damit Erdbebengefahren in Zukunft besser einschätzen zu können. Geleitet wird die Expedition von Prof. Michael Strasser vom Institut für Geologie der Uni Innsbruck und von Dr. Ken Ikehara vom Geologischen Dienst (AIST) in Japan.
Während des ersten Teils des Projekts auf hoher See wurden zwei Rekorde des wissenschaftlichen Tiefseebohrprogramms gebrochen: Bei einer Wassertiefe von 8.023 Metern entnahm das Team an der tiefsten je erreichten Stelle unterhalb des Meeresspiegels Proben aus dem Meeresgrund. Der dort entnommene Sediment-Bohrkern mit einer Länge von knapp 38 Metern erweitert den Rekord auf 8.061 Meter unter dem Meeresspiegel. Alle Expeditionsteilnehmer werden sich im Herbst zum zweiten Teil der Expedition in Japan treffen, um die zahlreichen Bohrkerne zu analysieren. „Um die Wiederkehrraten von Starkbeben und die Erdbebenprozesse entlang konvergierender Plattengrenzen wie Subduktionszonen verstehen zu können, müssen wir auf die Sedimentaufzeichnungen aus diesen ultratiefen Bereichen zurückgreifen. Mit dem neuartigen ‚Giant Piston Corer-System‘ an Bord des Forschungsschiffs Kaimei ist es nun möglich geworden, den Tiefsee-Untergrund effizient und sicher zu beproben“, freut sich Michael Strasser, Co-Leiter der IODP-Expedition, vom Institut für Geologie der Universität Innsbruck. Starkbeben treten an konvergierenden Plattengrenzen auf, wo sich die ozeanische Erdkruste verbiegt und unter überschiebende Erdplatten hineinbewegt. Durch die Abwärtskrümmung der ozeanischen Platten bilden diese Plattengrenzen ozeanische Tiefseegräben – die tiefsten Stellen auf unserer Erde mit Wassertiefen weit unter 6.000 Metern Wassertiefe. Im Rahmen der 7-wöchigen Expedition wurden entlang des gesamten Japan-Grabens erfolgreich 832 Meter Bohrkerne an insgesamt 15 Stellen aus 58 Bohrlöchern entnommen, in Wassertiefen von 7.445 bis 8.023 Metern unter dem Meeresspiegel. Nach mehr als 43 Jahren wurde somit der Tiefen-Rekord im wissenschaftlichen Tiefseebohrprogramm gebrochen.
Erste Hinweise auf vergangene Starkbeben
„Wir sprechen dem Kapitän des Forschungsschiffs Kaimei und seiner Crew unsere große Anerkennung für die sichere Durchführung dieser anspruchsvollen Tiefseebohrungen aus und freuen uns darauf, die Proben aus der tiefsten Tiefsee nun wissenschaftlich zu analysieren“, so Michael Strasser, der die erste Phase des Projekts aufgrund der Pandemie aus Innsbruck begleitete. Strasser ist Leiter der Arbeitsgruppe für Sedimentgeologie am Institut für Geologie und der Austrian Core Facility für wissenschaftliche Bohrkernanalysen an der Universität Innsbruck. Die Bedingungen an Bord des Forschungsschiffs beschreibt Co-Leiter Ken Ikehara vom Japanischen Geologischen Dienst als durchaus herausfordernd: „Es war eine harte Expedition. Viele Tiefdruckgebiete und ein unerwartet starker Kuroshio-Strom standen uns im Weg. Dennoch haben wir es geschafft, die Giant Piston Corer-Bohrkerne an 15 Stellen entlang des gesamten Japan-Grabens zu entnehmen. Vorläufige Beobachtungen und Messungen der Kerne an Bord ergaben Hinweise auf Strukturen in den Sedimentablagerungen, die durch vergangene große Erdbeben entlang des Japan-Grabens entstanden sein könnten. Wir sind zuversichtlich, dass weitere Analysen dieser Kerne zum Verständnis der räumlich-zeitlichen Variation großer Erdbeben und des erdbebenbedingten Materialtransports entlang des Japan-Grabens sowie zur Etablierung der Methodik der Tiefsee-Paläoseismologie beitragen werden“, erklärt Ikehara.
Internationales Experten-Team
Die Expedition wurde vom ECORD Science Operator in enger Zusammenarbeit mit dem Institute for Marine-Earth Exploration and Engineering (MarE3) und der Japan Agency for Marine-Earth Science and Technology (JAMSTEC) durchgeführt. Aufgrund der anhaltenden Pandemie und der weltweiten Reisebeschränkungen konnte die Offshore-Phase nicht wie geplant mit internationalen Wissenschaftler durchgeführt werden. Durch die Bemühungen des japanischen Teams von JAMSTEC und MarE3 war es möglich, die Offshore-Phase mit Personen vor Ort zu absolvieren. Durch sorgfältige Planung und strenge Hygienemaßnahmen konnten alle Teilnehmer die Expedition sicher und gesund beenden. Der erfolgreichen Offshore-Phase wird nun im Herbst eine Onshore-Phase folgen: 35 Wissenschaftler mit Expertise in verschiedenen geowissenschaftlichen Disziplinen aus Österreich, Australien, China, Finnland, Frankreich, Deutschland, Indien, Japan, Korea, Schweden, Großbritannien und den Vereinigten Staaten sind Teil der IODP Expedition 386. Das gesamte internationale Forschungsteam wird sich im Herbst zum ersten Mal an Bord des Bohrschiffes Chikyu treffen, dessen Laborinfrastruktur für die intensive Untersuchung und Beprobung der Bohrkerne genutzt wird, während es im Hafen liegt. Dabei werden die Kerne gespalten, beschrieben, analysiert und beprobt und die daraus resultierenden Daten mit den während der Offshore-Phase gesammelten Daten kombiniert, um einen umfassenden wissenschaftlichen Bericht der Expedition zusammenzustellen. Die kuratierten Bohrkerne und Proben werden dann für viele Jahre ein Schwerpunkt für weitere hochmoderne Analysen durch die breitere internationale Wissenschaftsgemeinschaft sein.