Von: mk
Bozen – In wenigen Tagen beginnt wieder der Viehabtrieb von Südtirols Almen. Die Almbewirtschaftung hat in Südtirol nicht nur eine lange Tradition, sie ist nach wie vor ein wichtiger Wirtschaftszweig. In den vergangenen Jahren wurden einerseits zwar auch Almen aufgelassen, andererseits wurden die meisten erhalten, indem man die Voraussetzung für eine zeitgemäße Bewirtschaftung geschaffen hat. Almerschließungen haben dann und wann auch zu Auseinandersetzungen zwischen Grundeigentümern, Bewirtschaftern und Verwaltern auf der einen Seite sowie Umweltschützern auf der anderen Seite geführt, insgesamt schätzt die Bevölkerung aber die Erhaltung der Almen. Viele Menschen finden auf einer Almwanderung Erholung und Ablenkung vom Alltag sowie meist auch frische landwirtschaftliche Produkte.
Als umstrittene Begleiterscheinung der Almbewirtschaftung steht seit Jahren die Verpachtung von Almen an Provinzfremde im Kreuzfeuer der Kritik. Vorwiegend werden diese Almen, im Jahr 2014 waren Almen im Ultental, in Ratschings, in Terenten, im Jaufental, In Enneberg, in Proveis und in Vahrn betroffen, von Personen aus dem oberitalienischen Raum gepachtet. Die Pächter treiben allerdings kaum eigenes Vieh auf, sie pachten die Almen fast ausschließlich zur Erlangung von EU-Prämien. Selber haben sie kaum Almen und die EU fördert jene Gebiete besonders, anscheinend mit bis zu 400 Euro und mehr pro Hektar. Die Alpungsprämie für Südtiroler, die ihre eigene Alm selber bewirtschaften, beträgt hingegen nur rund 50 Euro pro Hektar.
„Diese Form der Landwirtschaftspolitik stößt auf Unverständnis und erzeugt Unmut“, erklärt der freiheitliche Fraktionssprecher im Landtag, Pius Leitner.
Um diesem Spekulationsphänomen Einhalt zu gebieten, habe die römische EU-Zahlstelle Agea (Agenzia per le erogazioni in agricoltura) ein Rundschreiben mit dem Inhalt erlassen, dass ab 1. Jänner 2014 keine Prämien mehr für Weideflächen bezahlt werden, wenn nur fremde Tiere aufgetrieben werden. Die Praxis, große Weideflächen zu pachten, ohne sie zu bewirtschaften, nur um EU-Förderungen zu erhalten, ist damit nicht mehr zulässig. Der Antragsteller muss somit nicht mehr nur über die Fläche verfügen, sondern sie auch bewirtschaften.
Nachdem die Landesregierung nach mehrmaliger Intervention vonseiten der Freiheitlichen angekündigt hat, gegen diese Form der Almverpachtungen auch bei der EU intervenieren und diesen „legalisierten Schwindel“ beenden zu wollen, würden sich die Pächter aus dem oberitalienischen Raum anscheinend sehr gelassen geben, erklärt Leitner. Demnach soll die EU an der bisherigen Praxis festhalten und es ist sogar von „ewigen“ Verträgen die Rede.
„Obwohl laut einem Gerichtsurteil eine Almbewirtschaftung mit fremden Tieren untersagt ist (pascolo magro non è possibile considerare il pascolamento da parte di terzi,), wundert mich, dass der EU-Abgeordnete und ehemalige Bauernbunddirektor Dorfmann in Brüssel schläft und warum sich Landesrat Schuler nicht rührt“, erklärt Leitner abschließend.
Dorfmann kontert
Diesen Vorwurf will der EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann (SVP) nicht auf sich sitzen lassen. „Der Abgeordnete zum Südtiroler Landtag Pius Leitner kritisiert in einer Presseaussendung zu Recht die Tatsache, dass seit Jahren oft großflächige Südtiroler Almen von landwirtschaftlichen Unternehmern aus dem oberitalienischen Raum gepachtet werden. Ziel dieser Pächter ist es leider nicht, die Alm zu bewirtschaften, sondern ihre eigenen Prämienrechte dort zu parken und damit Beiträge der EU zu kassieren. Der Abgeordnete der Freiheitlichen wirft mir dabei vor, in Brüssel zu schlafen. So sehr Leitner mit seiner Kritik an diesen Pachtverhältnissen Recht hat, so sehr beweist er auch eine vollkommene Unkenntnis der Sachlage. Seit ich im Europäischen Parlament bin, kämpfe ich gegen diesen legalen Schwindel“, versichert Dorfmann.
Richtigerweise schreibe Pius Leitner, dass die italienische Zahlstelle auch aufgrund der Kritik aus Südtirol mit einem Rundschreiben festgelegt hat, dass die auf die Alm aufgetriebenen Tiere im Eigentum des Pächters sein müssen. „Damit wäre die kritisierte Praxis zumindest erschwert worden. Allerdings fanden die Pächter sofort einen Ausweg und pachteten nicht nur die Alm, sondern ließen für wenige Monate auch die Tiere der Verpächter auf sich überschreiben. Inzwischen hat das Verwaltungsgericht in Rom diese Pflicht des Auftriebs der eigenen Tiere ohnedies wieder abgeschafft“, fügt Dorfmann hinzu.
„Wichtiger aber ist, dass es mir bei der Reform der europäischen Agrarpolitik im Europäischen Parlament gelungen ist, die Almflächen als prämienberechtigte Flächen zu klassifizieren. Das führt dazu, dass die Eigentümer nun selbst Bewirtschaftungsprämien bekommen, welche von Jahr zu Jahr steigen und die ihnen entgehen, wenn sie die Alm verpachten. Längerfristig dürften also jene Eigentümer profitieren, die dem Lockruf des schnellen Geldes nicht erlegen sind. Das ist der einzig richtige Weg. Bauern, die oft mit großem Aufwand ihre Almen bewirtschaften und damit für die Öffentlichkeit eine einzigartige Kulturlandschaft erhalten haben auch das Recht auf einen finanziellen Ausgleich. Ich möchte im Übrigen darauf verweisen, dass ein Pachtvertrag nur dann entsteht, wenn die Eigentümer bereit sind, die Alm zu verpachten. Es ist verständlich, wenn mancher Eigentümer in solchen Pachtverträgen eine Möglichkeit sieht, sein Einkommen aufzubessern. Der nachhaltigen Bewirtschaftung unserer alpinen Landschaft tut er damit aber keinen Gefallen“, erklärt Dorfmann abschließend.