Von: luk
Bozen – Bei einer Tagung am Donnerstag haben Experten aus dem In- und Ausland Lösungen aufgezeigt, wie alte Bausubstanz für alle zugänglich werden kann.
In Südtirol gibt es viele denkmalgeschützte Gebäude wie Kirchen, Kapellen, Schlösser, Ansitze und alte Bauernhöfe. Sowohl Projektanten als auch die öffentliche Hand stehen bei Umbau- und Renovierungsarbeiten immer wieder vor der großen Herausforderung, diese schützenswerte Bausubstanz zugänglich für alle zu gestalten. Wie dies gelingen kann, war Thema einer Tagung des Landesamtes für Menschen mit Behinderungen und der Architektenkammer Bozen anlässlich des nationalen Tages zum Abbau der architektonischen Barrieren, der am kommenden Sonntag, 2. Oktober begangen wird.
Lebensqualität: Nicht die Behinderung schränkt ein, sondern die Barrieren
“Es ist nicht eine Behinderung, die Menschen einschränkt, sondern es sind vielmehr die Barrieren im Alltagsumfeld”, eröffnete Soziallandesrätin Martha Stocker die Tagung am heutigen Donnerstag in der Landesberufsschule für Gastgewerbe “Savoy” in Meran. “Deshalb ist es unsere Aufgabe, unseren Lebensraum so zu gestalten, dass wir ohne umständliche Anpassungen gleichberechtigt darin leben können”, so die Landesrätin zu den interessierten Architekten. Gerade bei alter Bausubstanz gelte es den Charakter der Gebäude, welche oftmals für die Vergangenheit und Geschichte eines Landes oder eines Ortes stehen, zu bewahren und gleichzeitig neue Elemente – unter anderem für eine barrierefreie Gestaltung – einfließen zu lassen. Die Landesrätin ging in ihren Grußworten auch auf die Sensibilisierungskampagne “weniger Barrieren, mehr Lebensqualität” des Landesamtes für Menschen mit Behinderungen ein, die im diesjährigen Herbst mit verschiedenen Initiativen und Aktionen fortgeführt wird.
Landesberufsschule “Savoy”: ein denkmalgeschütztes, barrierefreies Gebäude
Im Anschluss an die Begrüßung durch den geschäftsführenden Direktor der Landesberufsschule für Gastgewerbe “Savoy” Peter Enz berichteten der Architekt Helmuth Stifter und der Präsident des Dachverbandes für Soziales Martin Telser im Referat “Barrierefrei planen = bauen für alle” über ihre Erfahrungen mit dem Umbau der Meraner Landesberufsschule. Das barrierefreie Bauen wurde dabei nicht nur als Umsetzung von Regeln und Vorschriften gesehen, sondern vielmehr als integrierender Bestandteil der Planung. “Eine barrierefrei gebaute Umwelt kommt allen Menschen zugute”, appellierte Architekt Stifter für eine stärkere Rolle der Architekten in der gesamtheitlichen Betrachtung, Vermittlung und Umsetzung der Anforderungen für barrierefreies Planen und Bauen. Wie das Projekt im Falle der Landesberufsschule konkret umgesetzt wurde, zeigten die Schüler den Tagungsteilnehmern bei einer Führung durch das Gebäude auf.
Leitlinien für die Zugänglichkeit von institutionellen und kulturellen Einrichtungen
Die Architektin Elisabetta Schiavone aus San Benedetto del Tronto (AP) ging in ihrem anschließendem Vortrag zur “Barrierefreiheit als Ressource in der Aufwertung von Kulturgütern” insbesondere auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen und Vorgaben in Italien ein. “Die Aufwertung des kulturellen Erbes besteht unter anderem darin, die Kenntnis darüber zu fördern”, betonte Schiavone. Dies gelte auch für die Nutzung der Kulturgüter, die aufgrund verschiedener Notwendigkeiten in unterschiedlicher Weise erfolgen kann. Grundlage für die Barrierefreiheit von denkmalgeschützten Gebäuden ist das Ministerialdekret vom 28. März 2008, das auf Schwierigkeiten von Menschen mit Behinderungen in der Besichtigung von Kulturgütern verweist, und die darauffolgenden “Richtlinien zur Überwindung der architektonischen Barrieren an Orten von kulturellem Interesse”, die eine Zugänglichkeit und Benutzbarkeit sicherstellen sollen.
Sinnesbeeinträchtigungen: Barrierefreiheit betrifft nicht nur Rollstuhlfahrer
Der Architekt Alfred Wolf aus Graz ging in seinem Vortrag über “Barrierefreies Bauen in historischer, denkmalgeschützter Bausubstanz” auf seine mehr als 20-jährige Erfahrung ein und zeigte den Tagungsteilnehmern die Entwicklung im barrierefreien Bauen sowie eine Vielzahl von Lösungsmöglichkeiten auf. Die Allgemeinheit habe, so Wolf, über lange Zeit nur die Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern wahrgenommen, “und das ist leider in vielen Köpfen der Entscheidungsträger bis heute so.” Daher ging der österreichische Experte nicht nur auf Schwierigkeiten und Lösungen bei der Sanierung von historischen Gebäuden, sondern auch auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von blinden und sehbehinderten sowie gehörlosen und gehörbeeinträchtigten Menschen ein.