Von: luk
Bozen – Gestern hat sich die Sendung „Thema“ im ORF mit den psychischen Erkrankungen bei Jugendlichen befasst. Besonders Depressionen und Essstörungen nehmen stark zu. Die Zunahme ist allarmierend. Noch nie waren die Wartezeiten für eine Therapie in Österreich so lange wie jetzt. Im AKH Wien müssen sich Ärztinnen entscheiden, wem sie einen Therapieplatz gönnen und wem nicht. Dieselben Meldungen kommen aus Tirol und Bayern. Auch in Italien klagen Fachpersonen über eine Zunahme der Essstörungen, besonders bei sehr jungen Mädchen.
Und Südtirol sei keine Ausnahme, erklärt die Fachstelle Essstörungen INFES im Forum Prävention. Dort läutet das Telefon seit Herbst heiß. “27 neue Klientinnen nur im Jänner. So viele waren es noch nie.” Das Problem dabei sei, dass die behandelnden Dienste im Sanitätsbetrieb im Moment auch überfordert sind und Wartezeiten daher unvermeidbar.
“Die Geschichte ist fast immer die gleiche: sehr junge Mädchen, meist unter 15 Jahren, haben im ersten Lockdown im Frühjahr begonnen, ihr Gewicht und ihre Ernährung zu kontrollieren. In den folgenden Monaten entwickelte sich die Störung und jetzt ist die Situation so schlimm, dass die Eltern bei der Fachstelle INFES Hilfe suchen. Bei sehr jungen Mädchen wäre es wichtig, schnell zu handeln. Aus Erfahrung wissen Expertinnen, je früher mit einer Behandlung begonnen wird, desto besser sind die Heilungschancen. Aber es geht leider nicht. Sie müssen warten. Und das Gewicht fällt inzwischen weiter nach unten”, so die INFES.
Auch vermehrt erwachsene Frauen und Männer hätten sich in den letzten Monaten bei INFES gemeldet. “Unkontrollierbare Essattacken sind dabei oft die Ursache des Hilfeschreies. Dass Essen für viele im Lockdown zum Trost geworden ist, das ist ja bekannt. Für einige hat Essen jedoch andere Funktionen übernommen: es entspannt, hilft gegen Stress und Einsamkeit, mildert Angst. Wenn Essen zur täglichen Bewältigungsstrategie wird, belastet es stark und betroffene Personen fühlen sich hilflos.”
2020 hatte die Fachstelle Essstörungen 20 Prozent mehr Beratungen als im Vorjahr. 30 Prozent mehr waren es im letzten Jahresdrittel.
Dies werde Langzeitfolgen haben, auch lange nach der Pandemie. “Die großen Verlierer dieser Pandemie bleiben die Jugendlichen, die wirklich alles verloren haben, was ihr Leben ausgemacht hat: die Schule, die Feten, der enge Kontakt mit Freunden, der Sport, die Musik, Konzerte, Festivals, Diskos”, so die INFES.
In der Sendung „Thema“ bringt es eine Jugendliche rührend auf den Punkt: „Wir hatten unser Leben noch nicht, wir leben es gerade jetzt und wenn wir jetzt große Belastungen erleben, dann nehmen wir diese das ganze restliche Leben mit. Also bitte, schaut ein bisschen mehr auf uns!“