Von: mk
Bozen – In Zeiten sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Herausforderungen sind Genossenschaften als Modell für gemeinschaftliche Zusammenarbeit und Verantwortung wichtiger denn je – auch in Südtirol. Im Rahmen einer Pressekonferenz an der Freien Universität Bozen wurde am heutigen Donnerstag der erste Fortschrittsbericht des Kompetenzzentrums für das Management von Genossenschaften präsentiert. Dabei wurde deutlich: Genossenschaften liefern praxisnahe und zukunftsorientierte Antworten auf zentrale Fragen unserer Zeit – vom leistbaren Wohnen bis zur Unternehmensnachfolge.
Das von den Vereinten Nationen ausgerufene Internationale Jahr der Genossenschaften 2025 rückt ein Unternehmensmodell in den Fokus, das weltweit über eine Milliarde Mitglieder zählt. Auch in Südtirol ist der genossenschaftliche Sektor ein zentraler Bestandteil der lokalen Wirtschaft und Gesellschaft. Konkrete Impulse liefert das Kompetenzzentrum für das Management von Genossenschaften, das sich seit seiner Gründung im Jahr 2023 als wichtige Schnittstelle zwischen wissenschaftlicher Forschung und genossenschaftlicher Praxis etabliert hat.
Wie vielfältig seine Aktivitäten sind, zeigt der erste Fortschrittsbericht, den Prof. Richard Lang, Direktor des Zentrums, am heutigen Donnerstag präsentierte. Das Kompetenzzentrum fördert Forschung und Wissenstransfer, um Innovationen im Genossenschaftswesen anzustoßen und aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen. „Durch verschiedene Aktivitäten konnten wir bereits wichtige Impulse für genossenschaftliches Unternehmertum setzen. Zentral dabei ist die enge Zusammenarbeit mit regionalen Partnern, die sich für die Entwicklung des Genossenschaftssystems in Südtirol engagieren, insbesondere dem Amt für Genossenschaftswesen der Autonomen Provinz Bozen sowie den vier Südtiroler Genossenschaftsverbänden und ihren Mitgliedsbetrieben”, so Prof. Lang.
Rosmarie Pamer, Landeshauptmann-Stellvertreterin und Landesrätin für Sozialen Zusammenhalt, Familie, Senioren, Genossenschaftswesen und Ehrenamt betonte die strategische Bedeutung des Zentrums: „Durch das Kompetenzzentrum wird das für unser Land so wesentliche Genossenschaftswesen gestärkt und kann sich zugleich weiterentwickeln. Das ist mir als zuständige Landesrätin äußerst wichtig. Es gilt, die Genossenschaften nicht nur als wirtschaftliche Organisationsform, sondern insbesondere auch als Ausdruck gelebter Solidarität und Zusammenarbeit zu fördern.“
Ein zentrales Thema bei der heutigen Pressekonferenz war das leistbare Wohnen. In diesem Zusammenhang erklärte Franco Farris, Verantwortlicher des Bereichs Mitgliederbetreuung und Startup im Coopbund Alto Adige Südtirol: „Gemeinsam entwickeln wir innovative Lösungen für das genossenschaftliche Wohnen – indem wir Forschung und Praxis verbinden und mit Projekten wie ungeteiltem Eigentum oder Mehrgenerationen-Wohnprojekten zeigen, wie das Genossenschaftsmodell effektiv und nachhaltig auf die Wohnbedürfnisse von morgen reagieren kann.“ Die Aktivitäten des Kompetenzzentrums zeigen auf, wie Wohnbaugenossenschaften zur Leistbarkeit von Wohnraum beitragen und Immobilienspekulation entgegenwirken, indem sie gemeinschaftliches Eigentum sowie eine solidarische und nicht-profitorientierte Nutzung von Wohnraum ermöglichen. In strategischer Zusammenarbeit mit Provinz, Gemeinden und sozialen Organisationen wird es so dank genossenschaftlicher Modelle möglich, die Leistbarkeit weiter zu verbessern und die soziale Inklusion in Wohnprojekten zu stärken.
Ein weiterer thematischer Schwerpunkt war die Unternehmensnachfolge. „Viele Südtiroler Betriebe stehen vor einem Generationenwechsel. Auch hier kann das Genossenschaftsmodell einen stabilisierenden Beitrag leisten“, so Christian Tanner, Vizedirektor des Raiffeisenverbandes Südtirol. „Das Genossenschaftswesen blickt in Südtirol auf eine fast 150-jährige Tradition zurück. Diese Kontinuität ist von existenzieller Bedeutung – gesellschaftlich wie wirtschaftlich. Doch der Wandel im Verständnis von Verantwortung und Selbstständigkeit wirft die Frage auf, wer künftig das Gemeinwohlorientierte, das Demokratische, das Langfristige trägt. Wenn es gelingt, die ureigenen Werte der Genossenschaft in die Gegenwart zu übersetzen und wertzuschätzen, werden auch junge Menschen bereit sein, Verantwortung zu übernehmen.“ Das Kompetenzzentrum forscht derzeit aktiv zum Thema der Weiterführung konventioneller Unternehmen in Form von Genossenschaften als strategische Möglichkeit zur Sicherung lokaler Arbeitsplätze, Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe und Förderung der Mitarbeiterpartizipation.
Giulio Clamer, Vizepräsident von AGCI Alto Adige Südtirol, betonte die Bedeutung des Austausches mit dem Kompetenzzentrum: „Die gemeinsame Arbeit an Themen wie genossenschaftlichem Wohnbau, Reform des Dritten Sektors, Unternehmensnachfolge und gemeinschaftlicher Entwicklung unterstreicht das Potenzial dieser Partnerschaft. Das Zentrum erarbeitet auf Grundlage wissenschaftlicher Forschung und Analyse strategische Ansätze für eine genossenschaftliche Entwicklung, die wirtschaftliche, gesellschaftliche und institutionelle Aspekte optimal miteinander verbindet und so eine konkrete und nachhaltige Wirkung auf die Region fördert.“
Am 29. Mai von 17.00 bis 18.30 Uhr hält Prof. Marcelo Vieta von der Universität Toronto am Campus Bozen Zentrum (Raum E3.22) einen Vortrag zum Thema „Unternehmensnachfolge als Genossenschaft: Erfahrungen aus Argentinien, Italien und Kanada“. Der Vortrag findet in italienischer Sprache statt. Informationen und Anmeldung auf dieser Seite.
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