Von: luk
Bozen – Die abhängig Beschäftigten in Südtirol nehmen leicht, aber differenziert zu und die Arbeitslosigkeit befindet sich wieder auf Normalniveau: Dies geht aus dem aktuellen Arbeitsmarktbericht hervor.
Südtirols Arbeitsmarkt verzeichnet einen neuen Beschäftigungsrekord, das Wachstum sei aber differenziert zu analysieren, gibt Abteilungsdirektor Stefan Luther zu bedenken. Bei der Vorstellung des Arbeitsmarktberichtes für den Zeitraum November 2022 bis April 2023 gingen Luther und Landesrat Philipp Achammer heute Vormittag darauf ein. Positiv festhalten lasse sich die Stabilisierung der Arbeitsverhältnisse, der Wettbewerb um Fachkräfte habe zugenommen und es gebe ein moderates Wachstum. Herausfordernd bleibe jedoch die nötige stärkere Aktivierung des heimischen Arbeitsmarktes, sprich die gezielte Ansprache von älteren Arbeitnehmenden, wieder ins Berufsleben einsteigende Frauen beziehungsweise Mütter und jüngere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: “Wir können uns ein ‘Mismatch’ viel weniger leisten. Das heißt, wir müssen gezielt Menschen in den Arbeitsmarkt bringen und das Potential der Langzeitarbeitslosen reaktivieren”, hob Landesrat Achammer hervor.
Die Entwicklung im Detail
Im Berichtszeitraum (November 2022 – April 2023) bestätigte sich die Erholung in fast allen privaten Sektoren, informierte der Direktor des Arbeitsmarktservice Stefan Luther. Die abhängige Beschäftigung wächst um durchschnittlich 1,9 Prozent im Vergleich zum vorherigen Wintersemester. “Es gibt neue Beschäftigungsrekorde, die aber nur durch den Zuzug von außen möglich waren. Das lokale Beschäftigungspotential ist allerdings nicht wirklich am Plus beteiligt, das heißt, unser Arbeitsmarkt ist von Arbeitskräften von außen abhängig”, hielt Luther fest. Das Wachstum ist sehr differenziert: Nicht alle Sektoren wachsen, auch nehmen nicht alle Arbeitnehmergruppen zu. Festhalten lässt sich, dass kleinere Betriebe stärker wachsen als größere.
Beschäftigungszuwachs zu drei Vierteln mit unbefristeten Verträgen
Von allen Arbeitnehmenden in Südtirol waren im Halbjahr November 2022 – April 2023 durchschnittlich 49.655 Personen mit befristeten Verträgen beschäftigt (760 mehr als im selben Bezugszeitraum des Vorjahres). Die unbefristeten Verträge sind um 2 Prozent (bzw. 3201 Verträge) auf insgesamt 162.180 Verträge angestiegen. Einzelne größere Unternehmen können sehr stark den territorialen und fachlichen Arbeitsmarkt ihres Umfeldes beeinflussen. “Südtirol ist nicht ein einheitlicher Arbeitsmarkt, sondern besteht aus vielen einzelnen Arbeitsmärkten – die aber nicht miteinander kommunizieren”, hob Direktor Luther hervor. So sei beispielsweise der Automotive-Bereich im Großraum Bruneck prägend für den lokalen Arbeitsmarkt, im Raum Meran hingegen spiele dieser keine Rolle.
Allgemein gesehen ist der Wirtschaftssektor mit dem stärksten Arbeitskräfteanstieg das Gastgewerbe (+8,0 Prozent), gefolgt von den “Anderen Privaten Dienstleistungen” (+3,6 Prozent), dem Handel (+1,7 Prozent) und dem Verarbeitenden Gewerbe (+1,1 Prozent). Auch die Beschäftigung im Bereich des unterbringungsfreien Sozialwesens nahm deutlich zu (+2,4 Prozent). Leicht rückläufig ist hingegen die Beschäftigung im Bereich des stationären Sozialwesens (-1,4 Prozent), während sich das Gesundheitswesen (-0,4 Prozent), das Bildungswesen (-0,7 Prozent) und die öffentliche Verwaltung (-0,3 Prozent) im Wesentlichen unverändert zeigen. Das Bauwesen ist rückläufig (-1,1 Prozent), ohne die Baustelle des Brennerbasistunnels beträgt der Rückgang lediglich 0,2 Prozent. In der Landwirtschaft gab es ebenfalls keine Veränderung, während der Beschäftigungszuwachs im Finanz- und Versicherungswesen (+0,7 Prozent) zwar nicht gleich Null, aber doch schwach war.
Nach dem dramatischen Anstieg ab März 2020 ist numerisch gesehen das “Normalniveau” der Registerarbeitslosigkeit wiederum erreicht. Die Entwicklung der eingetragenen Arbeitslosen nach höchstem abgeschlossenem Studientitel zeigt, dass im Vergleich zum selben Vorjahreszeitraum aktuell vor allem Menschen ohne Mittelschulabschluss stärker betroffen sind, nämlich mit einem Plus von 505 Personen (32,5 Prozent). Eine leichte Zunahme von 50 Personen (1,8 Prozent) verzeichnen auch Arbeitslose mit Oberschulabschluss. Bemerkenswert ist zudem die Zunahme von eingetragenen Arbeitslosen aus Nicht-EU-Ländern (188 Personen bzw. 4,9 Prozent), die vor der Arbeitslosigkeit hauptsächlich im Gastgewerbe beschäftigt waren. Arbeitsmarktservice-Direktor Luther gab zu bedenken: “Auch in Zeiten, in denen die Lage gut ist, braucht es Vermittlung. Es gilt hier weiter Vermittlungshindernisse abzubauen.”
Mehr Arbeitnehmerinnen über 50
Derzeit sind 33,3 Prozent der abhängig Beschäftigten (72.482 Personen) mindestens 50 Jahre alt. Dies sind um 0,6 Prozent mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres und um 4,1 Prozentpunkte mehr als noch vor fünf Jahren. “Jeder dritte Arbeitnehmende ist bereits über 50 Jahre alt, die Tendenz ist steigend”, sagte Stefan Luther. Dies sei vor allem auf Arbeitnehmerinnen zurückzuführen: In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Quote der Arbeitnehmerinnen über 50 im Vergleich zu Arbeitnehmern über 50 von 92 zu 100 auf 104 zu 100 erhöht. Positiv hingegen sei die Stabilisierung der Arbeitsverhältnisse junger Menschen: Besonders angestiegen ist der Anteil der jungen Arbeitnehmenden, die einen unbefristeten Vertrag haben (plus 747 bzw. 3,6 Prozent), während die befristeten Verträge deutlich rückläufig sind (minus 531 bzw. 3,1 Prozent).
Bei den ausländischen Arbeitskräften stellen jene aus der Ukraine nach wie vor eine wichtige Ressource dar: Rund 1000 ukrainische Arbeitskräfte sind in Südtirol tätig, vor allem in der Gastronomie, aber auch in der Industrie. “Es lässt sich eine Stabilisierung von saisonalen Sektoren feststellen, das heißt, es gibt immer mehr Jahresstellen – auch in der Gastronomie“, unterstrich Direktor Luther.
Der aktuelle Arbeitsmarktbericht November 2022 – April 2023 kann online auf den Webseiten des Landes zum Thema Arbeit eingesehen werden. Dort finden sich auch Informationen zum tagesaktuellen Monitoring wichtiger Entwicklungen des Südtiroler Arbeitsmarktes Beschäftigte, Entlassungen und Kündigungen.