Weltkonjunktur bleibt schwach

IWF sieht globale Konjunktur auch mittelfristig schwach

Dienstag, 10. Oktober 2023 | 12:13 Uhr

Die Weltwirtschaft lahmt, aber sie ist trotz Coronapandemie, Angriff Russlands auf die Ukraine mit der Unterbrechung von Lieferketten sowie der sehr hohen Inflation nicht zum Stillstand gekommen. Dennoch scheine eine vollständige Erholung hin zu Trends wie vor der Pandemie “zunehmend außer Reichweite”, schreibt der Internationale Währungsfonds (IWF) im aktuellen Bericht zur Weltwirtschaft. Die Abschwächung ist in Industrienationen stärker ausgeprägt als in ärmeren Ländern.

In den zwei Jahrzehnten vor der Pandemie gab es global im Schnitt jährlich 3,8 Prozent Wirtschaftsplus. Nun erwartet der IWF für heuer unverändert zur Juli-Prognose 3 Prozent und für 2024 dann 2,9 Prozent – um 0,1 Prozentpunkte weniger als im Juli. Auch die Inflation gehe zurück, damit zeichne sich zunehmend eine “sanfte Landung” der Wirtschaft nach der Phase hoher Inflation ab, also eine Preisstabilisierung ohne größeren Konjunkturrückgang.

Oberste Priorität muss laut IWF sein, die hohe Inflation wieder auf Normalwerte zu drücken. Dies versuchen die Notenbanken rund um den Globus mit Zinserhöhungen. Notenbanker müssten womöglich noch länger als an den Märkten erwartet einen restriktiven Kurs fahren. Ziel müsse es sein, dass sich die Inflationsraten nachweislich wieder den Zielen näherten. Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt beispielsweise einen Wert von zwei Prozent an.

Für Österreich glaubt der IWF heuer noch an ein zartes Plus von 0,1 Prozent, während die heimischen Prognostiker von Wifo und IHS zuletzt 0,8 bis 0,4 Prozent Wirtschaftsrückgang vorhergesagt haben. Für 2024 sieht der IWF 0,8 Prozent Wachstum voraus, etwas weniger als Wifo (1,2 Prozent) und IHS (0,9 Prozent). Die Inflation erwartet der IWF heuer noch bei 7,8 Prozent, 2024 bei 3,7 Prozent. Der Unterschied zur aktuellsten Prognose von Wifo und IHS ist damit nur gering.

Deutschland wird heuer nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds als einzige große Volkswirtschaft schrumpfen. Der IWF sagt Deutschland in seinen neuen Prognosen für die Weltwirtschaft ein Minus von 0,5 Prozent voraus, wie die internationale Finanzorganisation am Dienstag in Marrakesch mitteilte. Das entspricht einer Verschlechterung von 0,2 Punkten gegenüber Juli. Deutschland spürt die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine besonders deutlich. Die exportstarke Industrie leidet unter Energiepreisen, die sich im internationalen Vergleich noch einmal erhöht haben. Im nächsten Jahr traut der IWF Deutschland dann wieder ein Wachstum von 0,9 Prozent zu. Das sind aber auch 0,4 Punkte weniger als im Sommer vorausgesagt.

Die Wirtschaft in den USA entwickelt sich hingegen deutlich besser als erwartet. Die Wachstumsprognose für dieses Jahr wurde um 0,3 Prozentpunkte auf 2,1 Prozent nach oben korrigiert. Im kommenden Jahr soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,5 Prozent wachsen – das sind 0,5 Prozentpunkte mehr als zuletzt angenommen. Im Gegensatz dazu hat der IWF die Wachstumsprognose für China nach unten korrigiert. Heuer soll die chinesische Wirtschaft um 5 Prozent wachsen (minus 0,2 Prozentpunkte) und im kommenden Jahr um 4,2 Prozent (minus 0,3 Prozentpunkte). Als einen wesentlichen Grund für die Entwicklung nennt der IWF die Krise im Immobiliensektor in China, die auch für die Weltwirtschaft ein Risiko bedeute. Chinas Wirtschaft müsse sich von einem kreditgetriebenen Immobilienwachstumsmodell verabschieden.

Global sieht der IWF drei Trends. Der Dienstleistungssektor habe sich fast ganz erholt. 2024 zeichne sich ein verlangsamtes Wachstum ab, was die Inflation und den Druck auf den Arbeitsmarkt dämpfen sollte. Die Straffung der Geldpolitik wird spürbar, vor allem in Ländern mit einem höheren Anteil an variabel verzinsten Krediten. Und schließlich haben Länder, die stark von russischen Energieimporten abhängen, einen stärkeren Anstieg der Energiepreise und einen stärkeren Konjunkturrückgang erlebt.

Die Überwälzung hoher Energiepreise habe die Kerninflation im Euroraum stark nach oben getrieben. Aber bisher gibt es kaum Anzeichen für eine “Lohn-Preis-Spirale”, und die Reallöhne liegen nach wie vor unter dem Niveau vor der Corona-Pandemie.

Der IWF sieht weiterhin aber große Risiken für die weltweite Finanzstabilität. Im Gegensatz zur vergangenen Analyse im April gehen diese aber nicht mehr so stark auf Probleme von Banken zurück. Stattdessen wirkten sich die höheren Zinsen immer mehr aus, teilte der IWF am Dienstag in Marrakesch mit, wo derzeit seine Herbsttagung stattfindet. Die schnell und stark gestiegenen Zinsen führten vor allem auf den Immobilienmärkten zu Verwerfungen, nicht nur in China. Besonders im gewerblichen Bereich gebe es Anfälligkeiten. Die einzelnen Staaten sollten mit Stresstests die Branche und mögliche Folgen der hohen Zinsen unter die Lupe nehmen, um entsprechend handeln zu können. Weltweit sind die Immobilienpreise seit Ende 2022 zurückgegangen, in Industriestaaten deutlich stärker als in Schwellenländern. In China, wo es zuletzt stärkere Verwerfungen auf dem Immobilienmarkt gab, müsse die Regierung Vertrauen wieder aufbauen, so der IWF. Negative Auswirkungen auf Unternehmen, den Finanzsektor und die lokalen Regierungen müssten vermieden werden.

Von: apa