Von: mk
Bozen – Südtirol hat eine neue Anlaufstelle für Innovation im Lebensmittelbereich – für die lokale Wirtschaft, aber auch für nationale und internationale Betriebe: Im NOI Techpark in Bozen wurden heute Vormittag die beiden Labors Micro4Food und Oenolab offiziell eröffnet. Geforscht wird dort an den Einsatzmöglichkeiten von Fermentationsprozessen als natürliche und nachhaltige Methode zur Herstellung von Milchprodukten, Backwaren und Produkten auf Basis von Obst und Gemüse sowie an Innovation im Bereich der Önologie und der Produktion von alkoholischen Getränken.
Technologische Innovation trifft auf das Erbe traditioneller Lebensmittelherstellung: Nach diesem Rezept arbeiten die Forschenden in den beiden Labors https://noi.bz.it/de/micro4food-labMicro4Food und Oenolab der Freien Universität Bozen, die am Mittwochvormittag im Gebäude A2 des NOI Techpark feierlich eröffnet wurden. „Auf einem umkämpften und globalen Markt wie dem Lebensmittelsektor wettbewerbsfähig zu bleiben, wo die Verbraucheranforderungen zunehmend auf Sicherheit und Qualität ausgerichtet sind, fordert sowohl Unternehmen als auch die Forschung sehr“, unterstrich Rektor Prof. Paolo Lugli im Rahmen der Eröffnungszeremonie. „Hier am NOI Techpark hat die Freie Universität Bozen mit den beiden neuen Forschungseinrichtungen die Möglichkeit geschaffen, dieser Herausforderung besser zu begegnen und zur Wertschöpfung für das Territorium und für Studierende beizutragen.“
Das Labor Micro4Food wird von den auf Lebensmittel spezialisierten Mikrobiologen Prof. Marco Gobbetti und Raffaella Di Cagno geführt. Die beiden Dozenten an der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik der unibz koordinieren einzehnköpfiges internationales Team von Forscherinnen und Forschern. Prof. Gobbetti ist Leiter des internationalen Masterstudiengangs Food Sciences for Innovation and Authenticity der unibz und derzeit der weltweit meistzitierte Wissenschaftler in seinem Fachbereich Lebensmittelmikrobiologie auf der Suchmaschine Google Scholar; Raffaela Di Cagno rangiert dort weltweit auf Platz 13. Das Herzstück der Forschung im Micro4Food LAB ist die Fermentation, ein Prozess, der vielen Produktionsprozessen von Lebensmitteln zugrunde liegt. Die Forschungstätigkeit des unibz-Labors konzentriert sich dabei insbesondere auf Milchprodukte, Backwaren und fermentiertes Obst und Gemüse wie Sauerkraut.
Innerhalb dieses Forschungsfelds gibt es vier große Bereiche, in denen die Forschenden arbeiten. Für eine an kulinarischen Traditionen reiche Provinz wie Südtirol besonders wichtig ist der Forschungsbereich, der auf die Bewahrung von traditionellen Lebensmitteln abzielt – dank Modernisierung ihrer Produktionsmethoden und der Nutzung und Optimierung ihrer gesunden Eigenschaften durch die Verwendung ausgewählter Mikroorganismen. In diesem Zusammenhang untersuchen die Forscher beispielsweise in Zusammenarbeit mit dem Südtiroler Sennereiverband die mikrobiellen Populationen in Südtirols Milch, um im Sinne einer nachhaltigen Vision die Zusammenhänge zwischen Tierhaltung und mikrobieller Zusammensetzung der Milch genauer zu beleuchten. „Mit diesem Forschungsschwerpunkt wollen wir die lokale mikrobielle Biodiversität schützen und bewerten, welche Auswirkungen aus biotechnologischer Perspektive in der Milchwirtschaft zu berücksichtigen sind”, sagt Marco Gobbetti.
In einem zweiten Forschungscluster wird dagegen an der Selektion von Mikroorganismen gearbeitet. Diese sollen einerseits für nachhaltige Fermentationsprozesse genutzt werden, die für eine natürliche Bewahrung sensorischer, ernährungsphysiologischer und struktureller Eigenschaften von Gemüse auf Frischprodukt-Niveau sorgen. Andererseits sollen damit innovative Lösungen zur Herstellung funktioneller Lebensmittel gefunden werden. In diesem Bereich arbeiten die Forscherinnen und Forscher des Micro4Food mit mehreren lokalen und nationalen Big Playern des Lebensmittelsektors zusammen. „Unser Ziel ist es, neue Lebensmittel zu entwickeln, die zusätzliche ernährungsphysiologische Eigenschaften besitzen und gleichzeitig ihre Authentizität bewahren”, sagt Raffaella Di Cagno.
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt betrifft die sogenannte Kreislaufwirtschaft. In diesem Fall geht es vor allem um die Wiederverwertung von Abfallprodukten der Lebensmittelindustrie. Um in diesem Bereich zusätzlichen Mehrwert zu schaffen, zielen die Forscher darauf ab, natürliche Inhaltsstoffe und Bestandteile zu erhalten. Diese sollen dann der Lebensmittel- und Pharmaindustrie zur Verarbeitung zur Verfügung gestellt werden.
Beim vierten und letzten Forschungszweig dreht sich schließlich alles um die menschliche Ernährung. Hier werden die Auswirkungen von Lebensmitteln auf das menschliche Mikrobiom untersucht, also die Gesamtheit aller Mikroorganismen im Magen-Darm-Trakt, die einen wesentlichen Einfluss auf unser Wohlbefinden haben. Um in diesem Bereich auf höchstem Niveau forschen zu können, wurde das Labor mit einem Simulator ausgestattet, dem Simulator of Human Intestinal Microbial Ecosystem (SHIME), der die Vorgänge im menschlichen Verdauungstrakt nachstellt. Derzeit ist das Micro4Food LAB das einzige Universitätslabor Italiens, in dem mit einem solchen „bionischen Verdauungstrakt” gearbeitet wird. Dank SHIME können die Forscherinnen und Forscher des Labors neue Erkenntnisse zu den Auswirkungen der Ernährung auf die Funktionen des Mikrobioms und des menschlichen Metabolismus gewinnen.
Im Rahmen der heutigen Eröffnung wurden auch einige Pilot-Anlagen für die Produktion von Milchprodukten und Backwaren vorgestellt (letztere wurde von der belgischen Multinationalen Puratos finanziert), die im Labor getestet werden, bevor sie in Serie gehen.
Mit dem Oenolab, dem zweiten neu eröffneten Labor der unibz im NOI Techpark, wird Südtirols Weinforschung noch besser aufgestellt. Unter Prof. Emanuele Boselli, Koordinator der unibz des interuniversitären Masterstudiengangs Weinbau, Önologie und Weinmarketing und Professor an der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik, forscht hier ein 4-köpfiges Team in zwei Forschungszweigen. Im Bereich des Technologietransfers arbeitet das Labor mit Betrieben der Weinbranche und anderen Produzenten von alkoholischen Getränken zusammen, um im Rahmen von Auftragsprojekten Produkt- und Prozessinnovation zu betreiben. Befruchtet werden diese Projekte vom zweiten Standbein des Labors, der önologischen Grundlagenforschung.In diesem Bereich hat das Forscherteam um Boselli beispielsweise sogenannte Super-Tannine nachgewiesen, also natürliche Ringpolyphenole, die sich stark von den bisher bekannten Polyphenolen des Weines unterscheiden, und die vielversprechende Marker für die Echtheit von Weinen aus aller Welt darstellen.
Im Oenolab wird derzeit an zahlreichen innovativen Projekten gearbeitet. „Ein Gebiet, auf dem wir große Expertise haben, ist die Identifizierung innovativer Marker für die Qualität und den Schutz der Echtheit von Weinen“, sagt Boselli. Besonders stolz ist der Leiter des Oenolab auch auf ein aktuelles Projekt mit einem Unternehmen, das technische Verschlüsse für Wein und Spirituosen herstellt. Vor allem im Bereich der Spirituosen, wo es noch sehr wenige Daten gibt, betreibt das Oenolab damit Pionierarbeit. „Eine weitere Zusammenarbeit betrifft die Auswirkungen einer Konservierung der Weinflaschen durch Magnetschwebetechnik, eine neue, noch nie da gewesene Methode, die die schädlichen mechanischen Belastungen durch Lagerbedingungen und insbesondere durch den gewerblichen Transport von Weinen“, so Boselli.