Von: mk
Bozen – Der Heimatpflegeverband und der Dachverband für Natur- und Umweltschützer begrüßen die Bekundungen der Landesregierung, die touristische Entwicklung Südtirols krisenfest und klimatauglich machen zu wollen. Eine Obergrenze der Betten sei ein erster wichtiger Schritt dazu. Der von den Verbänden mehrmals eingeforderte Index für „Tourismusintensität“ (Übernachtungen pro Einwohner) sei endlich Maßeinheit und zeige: Südtirol ist die dichteste Tourismusregion der Alpen. „Reich an schönen Formulierungen, wirft das Konzept aber zahlreiche Fragen auf“, erklären die Umweltschützer.
Das bisherige Leitmotiv der Tourismusstrategen, Südtirol zum „begehrtesten Lebensraum in Europa“ zu machen, ist dank dem Landestourismusentwicklungskonzept nun um ein Wort reicher: „begehrtester nachhaltiger Lebensraum“. Die Bedeutung der intakten Natur und Kulturlandschaft für die Gäste wird mehrmals betont. Erreicht werden soll dies durch eine Obergrenze an Betten, einer Neubewertung der touristischen Entwicklung in allen Südtiroler Gemeinden und einer Förderung der kleinstrukturierten Familienbetriebe.
140 Betten sind nicht gleich Kubatur-Stopp und Klimaschutz
Allein die Anzahl der Betten eines Tourismusbetriebs sagt noch nichts über den Verbrauch von Boden und Energie aus. Diese Zahl von 140 Betten schließt Hotels mit überschaubaren Zimmern ein, aber auch Luxusressorts und um Skipisten am Dach qualitativ erweiterte Strukturen. „Die Landesregierung täte gut daran, verbindliche Kriterien, Indikatoren und ein Monitoring für die Landschafts- und Klimaverträglichkeit des Tourismus in diesem Konzept festzuschreiben“, so Claudia Plaikner, Obfrau des Heimatpflegeverbands. Stattdessen hätten in Erwartung des notwendigen Bettenstopps viele Gemeindeausschüsse dem Druck nach neuen Tourismuszonen im Grünen nachgegeben. So dürfte Südtirol bald 250.000 Betten anstelle der heute 229.000 haben.
Bettenbörse braucht klare Regeln
Das Tourismuskonzept des Landes sieht vor, dass die Gemeinden selbst die Kriterien zur Zuweisung der „frei“ gewordenen Betten festlegen. „Wenn Südtirol den Klimaschutz und den Erhalt der einzigartigen Natur wirklich ernst nimmt, muss das Land klare Kriterien vorgeben, um es den Gemeindepolitikerinnen und -politikern zu ermöglichen unpopuläre, aber notwendige Entscheidungen zu treffen“, so Klaus-Peter Dissinger, Vorsitzender des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz. Bettenbörse und Bettenstopp bauen übrigens auf den Übernachtungen von 2019 auf – also auf eine Fotografie des touristischen Rekordjahres schlechthin. Ausgenommen davon sind „Urlaub auf dem Bauernhof“, für den – so Plaikner und Dissinger – dieselben Bestimmungen gelten müssten. Es fehle außerdem eine klare Regelung von Airbnb, zum Beispiel eine Beschränkung der Dauer der Vermietung oder der Anzahl der Wohnungen pro Eigentümer.
Tagestourismus: Gemeinden sind keine Inseln
Die Gäste machen nicht an den Grenzen der Gemeinden halt. Die Folgen für Mensch und Umwelt, wie motorisierter Individualverkehr, Lärm und Luftverschmutzung sowie Müll, würden insbesondere die Sehenswürdigkeiten betreffen. Der neu eingeführte Index der Tourismusintensität und der Index der Tourismusdichte (Betten pro Fläche der Gemeinde) würden nur die Übernachtungen, aber nicht den Tagestourismus betreffen. Entscheidende soziale und ökologische Probleme, wie Stau und Zerstörung der Artenvielfalt, würden so ausgeblendet. Eine ausschließliche Diskussion über die Anzahl der Betten pro Gemeinde greife daher zu kurz.
„Das angekündigte Landestourismusentwicklungskonzept 2030+ könnte eine gute Grundlage sein, den Tourismus in Südtirol krisenfest und klimafreundlich aufzustellen. Die Landesregierung muss allerdings eindeutige Rahmenbedingungen schaffen und konsequent die selbst gesteckten Ziele im Klima-, Natur- und Landschaftsschutz umsetzen“, so Plaikner und Dissinger. Die Landesregierung hat die Genehmigung des Konzepts einstweilen verschoben. „Wir hoffen auf eine Nachbesserung. Nur so wird Südtirol wirklich zum begehrtesten nachhaltigen Lebensraum – für Gäste und, noch wichtiger, für uns alle!“