Jugendliche mit Migrationshintergrund von Eurac-Studie beleuchtet

Oft diskriminiert, obwohl qualifiziert

Freitag, 10. Mai 2019 | 16:12 Uhr

Bozen – In einer Studie richten Forscher von Eurac Research den Blick auf Jugendliche mit Migrationshintergrund und unterbreiten Handlungsvorschläge für mehr Chancengleichheit.

Der 24-jährige Student Sami erzählt den Forscherinnen von Eurac Research, wie er in zwei vollkommen unterschiedlichen Welten aufgewachsen ist: Vormittags war Sami im Bozner Klassenzimmer, während er die Nachmittage zuhause bei seiner Familie mit marokkanischem Ursprung verbrachte. In einem Umfeld aufzuwachsen, das sprachlich und kulturell so verschieden ist, hat seine Fähigkeit gestärkt, sich an verschiedene Umstände leicht und schnell anzupassen. Eine Fähigkeit, von der er glaubt, dass ein Großteil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund sie besitzt und die bei der Arbeitssuche durchaus von Vorteil ist. Doch aus den Erzählungen einer jungen Frau namens Asmaa geht hervor, dass das allein nicht reicht: „Ich spreche Italienisch, Deutsch, Südtiroler Dialekt, Arabisch und Französisch – beim Vorstellungsgespräch hatte ich ein gutes Gefühl. Doch als ich angemerkt habe, dass ich mein Kopftuch auch bei der Arbeit tragen würde, wurde klar, dass ich keine Chance habe.“ Geschichten wie diese geben tiefe Einblicke in das Leben der Jugendlichen der zweiten Generation. Ihre Erfahrungen besser zu verstehen, ist gleichzeitig die Grundlage, um politische Entscheidungen und Maßnahmen des Landes und anderer Institutionen fortlaufend zu verbessern.

In den vergangenen zehn Jahren hat die Anzahl der Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die in Italien geboren oder in jungen Jahren hierhergezogen sind, stetig zugenommen. Von 1995 bis 2017 ist der Anteil von Kindergartenkindern mit ausländischer Staatsbürgerschaft von ein auf 14 Prozent gestiegen. Auch in den Grund- und Mittelschulen weisen die Statistiken ähnliche Zahlen auf.

Aus den Interviews, die die Forscher von Eurac Research mit den Jugendlichen geführt haben, geht hervor, dass sie sich zum einen als Südtiroler fühlen; andererseits berichten sie jedoch auch davon, welch große Rolle ihr Migrationshintergrund bei der Arbeitssuche spielt. Neben der Sicht der Jugendlichen haben die Forscherinnen auch die Erfahrungen von Experten aus den Bereichen Schule, Soziales und Wirtschaft eingeholt und analysiert. Die Schlussfolgerungen der Forscherinnen: Um die Chancengleichheit zwischen den Jugendlichen zu verbessern, besteht Handlungsbedarf in unterschiedlichen Bereichen. Diskriminierung verhindern, Informationsdefizite abbauen, das soziale Kapital stärken und die Vielfalt in der Schule und auf dem Arbeitsmarkt wertschätzen – das sind die Ziele, die in erster Linie verfolgt werden sollten. Auch die per Landesgesetz verabschiedete Anti-Diskriminierungsstelle, die bislang nicht eingerichtet wurde, sei eine unterstützende Maßnahme in diese Richtung. Die Forscherinnen empfehlen außerdem Informationskampagnen, die sich an Arbeitgeber und Jugendliche richten, Mentorenprogramme und die Einbeziehung von Vertretern der Kultur- und Religionsgemeinschaften, um soziale Netzwerke zu schaffen und zu fördern.

„Diese Studie ist eine erste qualitative Analyse, sicherlich werden wir unsere Forschungsarbeit in diesem Bereich noch weiter vertiefen,” erklärt Johanna Mitterhofer von Eurac Research. Wie notwendig dies ist, unterstreicht eine Arbeitsvermittlerin, die im Rahmen der Studie interviewt wurde: „Wenn man bei der zweiten Generation nicht ansetzt, durch Information, Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagnen gleiche Möglichkeiten für alle zu gewährleisten, dann driften sie ab. Und die nächste Generation wird es nie in die Mitte der Gesellschaft schaffen.“

Die Ergebnisse der Studie „Von der Schule in die Arbeitswelt: Jugendliche mit Migrationshintergrund in Südtirol“ wurden am heutigen 10. Mai in einer öffentlich zugänglichen Veranstaltung vorgestellt. Sie wurde in Zusammenarbeit mit dem Verein “Brücke in die Welt – La nuova generazione dell’Alto Adige” organisiert.

Von: luk

Bezirk: Bozen